1. Tag des 6. Kongresses der Deutschen Alzheimer Gesellschaft,
Braunschweig, 7. bis 9. Oktober 2010

„Hören Sie, was Demenzkranke zu sagen haben!“

 

Braunschweig (7. Oktober 2010) Der 6. Kongress der Deutschen Alzheimer Gesellschaft unter dem Motto „Gemeinschaft leben“ wurde am 7. Oktober 2010 in Braunschweig eröffnet. Bärbel Schönhof, die 2. Vorsitzende begrüßte 800 Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus ganz Deutschland. Als Tochter einer demenzkranken Mutter habe sie erlebt, wie ihrer Familie Verständnis und Unterstützung zu Teil wurde. Leider sei dies noch oft nicht selbstverständlich.

 

Josef Hecken, Staatssekretär im Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend sagte in seinem Grußwort: „Demenzkranke sind in der Gefahr, sich auf eine Insel zurückzuziehen, und ähnlich geht es auch den Angehörigen“. Der Kongress helfe, Pfeiler für eine Brücke schaffen, die von und zu Menschen mit Demenz und ihren Angehörigen führt. Er dankte den vielen Ehren- und Hauptamtlichen, die unter dem Dach der Alzheimer-Gesellschaften dafür arbeiten, das Leben mit Demenz zu erleichtern.

 

Friederike Harlfinger, Bürgermeisterin der Stadt Braunschweig, freute sich, dass die vielfältigen Aktivitäten der Alzheimer Gesellschaft Braunschweig und der Kommune durch den Kongress Anerkennung erfahren.

 

„Die neue Herausforderung Demenz“ war das Thema des Eröffnungsvortrags von Helga Rohra (57), die vor vier Jahren eine Demenzdiagnose erhalten hat. Sie konnte nicht mehr als Dolmetscherin arbeiten, engagierte sich aber bei der Alzheimer Gesellschaft München und ist dort inzwischen Vorstandsmitglied. Sie appellierte, mehr an die Kranken in der frühen und mittleren Phase zu denken, die noch viele Fähigkeiten hätten. Sie wolle sich als Betroffene einmischen und dafür kämpfen, dass Menschen mit einer Demenz das Verständnis und die Hilfe erfahren, die sie brauchen. Sie forderte: „Hören Sie, was Demenzkranke zu sagen haben, beziehen Sie sie ein. Leben Sie Solidarität und Gemeinschaft“. 

 

„Was tun, wenn die Grundlagenforschung doch etwas länger braucht?“ fragte der Psychiater Prof. Dr. Hans Förstl (München). Auch wenn wir in absehbarer Zeit nicht mit der Entwicklung von Medikamenten rechnen könnten, die die Alzheimer-Krankheit stoppen oder gar heilen können, so gebe es doch viele Möglichkeiten, den Krankheitsverlauf günstig zu beeinflussen. Auch wenn Antidementiva den Krankheitsverlauf „nur“ acht bis zehn Monate aufhielten, so sei das wichtig für die Lebensqualität der Betroffenen und ihrer Familien. Begleitende Symptome wie Depression, Angst und Apathie könnten effektiv behandelt werden. Die Wirkung psycho-sozialer Therapien lasse sich oft nicht wissenschaftlich exakt belegen, doch in der Praxis erwiesen sie sich oft als erstaunlich wirksam. Menschliche Zuwendung und Nähe sind gerade für Demenzkranke entscheidend und dazu könnte man sich noch mehr Engagement, auch von den vielen gesunden älteren Menschen wünschen.

 

Margot Unbescheid (Frankfurt/Main) betreut seit zehn Jahren,  gemeinsam mit ihrer Mutter, ihren demenzkranken Vater (78). Das sei sehr anstrengend, ein ständiger Versuch den Bedürfnissen der Eltern, der eigenen Familie und Berufstätigkeit gerecht zu werden. Und doch bleibe immer das Gefühl, nicht genug getan zu haben. Sie betonte wie wertvoll dabei die Beratung und die Angehörigengruppe der regionalen Alzheimer-Gesellschaft waren. Ebenso Tages- und Kurzzeitpflege und die Betreuung durch eine geschulte ehrenamtliche Helferin. Dennoch: „Mir ist das Problem geblieben, dass ich mich um beide, den kranken Vater und die betreuende Mutter gleichzeitig kümmern muss“. Im Verlauf der Erkrankung entstünden immer wieder neue Herausforderungen. Während sie selbst schnell vielfältige Unterstützung erlebt habe, wisse sie, dass vielerorts entsprechende Angebote fehlten.

 

Heike von Lützau-Hohlbein, Vorsitzende der Deutschen Alzheimer Gesellschaft, erläuterte in ihrem Vortrag „Gemeinschaft leben – zusammen schaffen wir es“: „Mit dem Kongressmotto ‚Gemeinschaft leben’ wollen wir betonen, dass Menschen mit Demenz die Chance haben müssen, am Leben der Gemeinschaft teilzunehmen, auch wenn sie Betreuung, Pflege und medizinische Behandlung brauchen“. Es gilt, die Rechte und die Menschenwürde der Erkrankten zu wahren und im Umgang mit Demenzkranken immer wieder innezuhalten und zu fragen: gehe ich richtig, nach seinen Bedürfnissen, mit ihm um“. Doch es gehe auch um die politischen Rahmenbedingungen. Besonders dringlich sei es, dass die schon von der letzten Bundesregierung eingeleitete Reform der Pflegeversicherung endlich umgesetzt werde, damit Demenzkranke besser berücksichtigt werden können.

 

Bis Samstag werden die 25 Symposien, mehrere Workshops und Filmvorführungen sowie die abschließende Podiumsdiskussion eine Vielzahl von Themen aufgreifen: medizinische Diagnose und Behandlung, nichtmedikamentöse Therapieformen, soziale Einbeziehung von Menschen mit Demenz, Wohngemeinschaften für Demenzkranke, Demenz und Autofahren, Spiritualität von Menschen mit Demenz, Demenz im frühen Stadium, Betreuung am Lebensende usw. Vier Filme stehen auf dem Programm, darunter der Film eines Angehörigen, der seine demenzkranke Frau über die letzten zehn Jahre ihres Lebens mit der Kamera begleitet hat. Die Alzheimer Gesellschaft Braunschweig organisiert Freitag, den 8. Oktober 2010 von 19 bis 20.30 Uhr eine offene Informationsveranstaltung für Braunschweiger Bürger.

 

Die Schirmherrschaft über den Kongress haben Dr. Kristina Schröder, Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, sowie Aygül Özkan, Niedersächsische Ministerin für Soziales, Frauen, Familie, Gesundheit und Integration übernommen.

 

6. Kongress der Deutschen Alzheimer Gesellschaft: „Gemeinschaft leben“, Braunschweig, 7. bis 9. Oktober 2010, Stadthalle Braunschweig. Informationen und Programm im Internet: www.kukm.de/alzheimer2010

 

 

Hintergrundinformationen

 

Heute leben in Deutschland etwa 1,2 Millionen Menschen mit Demenzerkrankungen. Ungefähr 60% davon leiden an einer Demenz vom Typ Alzheimer. Ihre Zahl wird bis 2050 auf 2,6 Millionen steigen, sofern kein Durchbruch in der Therapie gelingt. Die Deutsche Alzheimer Gesellschaft e.V. Selbsthilfe Demenz ist der Bundesverband von derzeit 124 regionalen Alzheimer-Gesellschaften, Angehörigengruppen und Landesverbänden. Sie nimmt zentrale Aufgaben wahr, gibt zahlreiche Broschüren heraus, organisiert Tagungen und Kongresse und unterhält das bundesweite Alzheimer-Telefon mit der Service-Nummer 01803 – 171017 (9 Cent pro Minute aus dem deutschen Festnetz).

 

 


Quelle: Deutsche Alzheimer Gesellschaft e.V. Selbsthilfe Demenz, 07.10.2010 (tB).

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