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14. Jahreskongress der Deutschen Gesellschaft für Wundheilung und Wundbehandlung e.V. (DGfW)
Interprofessionell und evidenzbasiert – Biotechnologie in der Wundheilung
Hannover (25. Juni 2011) – Die Wundversorgung und mikrochirurgische Rekonstruktion eines Gesichts nach einem schweren Schrotschusstrauma, die Operation großflächiger Hautveränderungen bei einer Meningokokkensepsis, die Madentherapie bei Problemwunden – die Falldiskussion der "Speakers Corner" war ein Anziehungspunkt auf dem Kongress der Deutschen Gesellschaft für Wundheilung und Wundbehandlung (DGfW). 2.134 Wissenschaftler, Ärzte und Pflegepersonal besuchten vom 23. bis 25. Juni 2011 den internationalen Fachkongress in Hannover.
Das interdisziplinäre und interprofessionelle Konzept wird als "wichtiges Forum für fachliche Diskussionen und praktische Auseinandersetzungen" geschätzt, betont DGfW-Präsident Prof. Peter Vogt. Denn bei chirurgischem Wunddebridement und pflegerischer Wundreinigung kommen je nach spezifischer Indikation verschiedene Konzepte und Techniken zur Anwendung. "Nur wenn alle Wundbehandler aufeinander abgestimmt zusammenarbeiten, können Wunden optimal versorgt werden", so Prof. Vogt, der als Direktor der Klinik für Plastische Chirurgie an der MEDIZINISCHEN HOCHSCHULE HANNOVER arbeitet. Vor allem seien Versorgungslücken zu schließen, wenn Patienten aus der Klinik entlassen werden: "Auch unsere niedergelassenen Kollegen müssen mit ins Boot, um die Kontinuität der Wundbehandlung zu garantieren".
Evidenzbasierte Therapie chronischer Wunden war das zentrale Thema auf dem DGfW-Kongress. Ein wichtiger Ansatz ist dabei die qualifizierte Ausbildung. So entwickelt die DGfW die "S3-Leitilinie zur Lokaltherapie chronischer Wunden bei chronisch venöser Insuffizienz, peripherer arterieller Verschlusskrankheit und Diabetes mellitus". Mit dem Qualifizierungsstandard des "zertifizierten Wundtherapeuten/WTcert® DGfW (Beruf)" nach der weltweit gültigen DIN EN ISO 17024 bietet die DGfW Fachkräften die Möglichkeit, im Sinne von "life long learning" immer wieder auf dem aktuellen medizinischen Stand zu sein. Gerade bei schlecht heilenden Wunden oder besonders schweren Verletzungen können neue Therapiemethoden dazu beitragen, eine komplikationslose Heilung zu erreichen oder die Heilung zu beschleunigen.
Beim DGfW-Schwerpunktthema "Biotechnologien in der Wundtherapie" diskutierten Dermatologen, Plastische-, Viszeral- und Gefäßchirurgen, Wundtherapeuten, ambulante Pfleger, Hygienebeauftragte, Physiotherapeuten und Orthopädietechniker in internationalen Symposien. Rasante Fortschritte im Bereich der Gewebezüchtung eröffnen neue Perspektiven für eine effizientere Wundbehandlung. So soll etwa das bekannte EPO (Erythropoetin) Wundheilungsstörungen günstig beeinflussen. „EpiDex®“ ist ein weiteres zugelassenes Präparat für die Wundbehandlung, das sich die Regenerationsmöglichkeit von Haarwurzelzellen zunutze macht. Dieses neu entwickelte analoge Hautersatzverfahren wurde als vielversprechender Ansatz vorgestellt – auch wenn es aus Kostengründen noch keine Standardbehandlung für chronische Wunden sein kann. Ein weiterer biotechnologischer Fortschritt wird in der Injektion von Fettzellen in Wundränder gesehen, was den Heilungsprozess bei ulzerierenden Wunden beschleunigen soll. Auch in der Behandlung von Problemwunden kommt Biotechnologie zum Einsatz. So ist schon länger bekannt, dass Wunden unter Einwirkung von plättchenreichem Plasma mit einer hohen Konzentration von Wachstumsfaktoren besser abheilen können. Jetzt wurden neuartige Tischgeräte entwickelt, mit denen kurzzeitig aus dem Patienten-Vollblut frisches Plasma gewonnen werden kann, das zum Wachstum von mesenchymalen Stammzellen, Fibroblasten und mononukleären Leukozyten anregt.
Aufgrund der hohen Nachfrage beim Kongress des vergangenen Jahres wurden bei der diesjährigen Tagung 70 Veranstaltungen als themenbezogenes Seminar oder Workshop mit praktischen Anwendungen angeboten: Trotz des großen Angebots waren die Seminare über Messmethoden in der Lymphologie, zum Expertenstandard Dekubitusprophylaxe, zur Pflege von Menschen mit chronischen Wunden, zur Ernährung in der Wundbehandlung und zur palliativen Wundversorgung ausgebucht. Workshops gab es zur Dopplersonographie, Wundbehandlung und Versorgung beim diabetischen Fußsyndrom, zur korrekten Wunddokumentation, zur Problematik Lymphödem und Wunde, zur Kompressionstherapie mit praktischen Übungen und zur Niederdruck-Wundtherapie NPWT mit ihren Gefahren – etwa bei der Behandlung von infizierten Implantaten in der Gefäßmedizin. Weitere Workshops zeigten Lösungsansätze in der Behandlung von Wunden mit Fisteln und gaben Einblick in eine evidenzbasierte Wundheilung. Beim praktischen Erfahrungsaustausch nehmen die Wundbehandler qualifizierte Anregungen für ihre eigene Praxis mit.
Die gut besuchte Industrieausstellung zeigte neben dem großen Angebot auch die Defizite auf: So sind Ärzte und Pfleger häufig auf die Informationen der Industrie angewiesen, ohne dass die Qualität der Produkte evidenzbasiert ist. Der Interessenkonflikt zwischen Medizin und Kommerz wurde mit der Frage "Ist die industriegeförderte Forschung noch wissenschaftlich?" in einer offenen Podiumsdiskussion zwischen Wissenschaftlern, Gesundheitspolitikern und Vertretern der Medizinindustrie diskutiert. Damit sollte eine Perspektive für industriegeförderte und trotzdem unabhängige Studien entwickelt werden, die Wirksamkeit und Nutzen für die Patienten belegen. Auch bei negativem Ergebnis sei Transparenz nötig. Alle Studien sollten zu Beginn einer zentralen Stelle gemeldet werden und die Studienergebnisse in Form eines öffentlichen Studienregisters zur Verfügung stehen Nach Ansicht der DGfW ist es nicht nur sinnvoll, Innovationszentren zu etablieren, sondern außerdem einen speziellen medizinischen Forschungsfonds wie in Italien. Brigitte Nink-Grebe, Generalsekretärin der DGfW, betont außerdem die Notwendigkeit von wundtherapeutischen Netzwerken, wie sie zum Beispiel schon mit gutem Erfolg in Frankfurt a. M. durch die Diakoniestationen gGmbH Frankfurt, gefördert durch die Stadt Frankfurt, etabliert sind.
Vor dem Hintergrund, dass die medizinischen Kostenträger Leitlinien und Qualitätsstandards fordern, wurden auf dem DGfW-Kongress auch gesundheitsökonomische Aspekte diskutiert. So wird etwa das unüberschaubare Angebot marktüblicher medizinischer Mittel kritisch bewertet: "Wir brauchen wissenschaftliche Studien, die Nutzen und Wirtschaftlichkeit belegen", fordert der Kongresspräsident. So werden etwa Wundauflagen zum Preis von 0,90 Euro bis zu 15 Euro angeboten, ohne dass im praktischen Einsatz ein tatsächlicher Mehrwert erkennbar ist. "Teure Wundauflagen mit und ohne Silber, mit und ohne Collagen müssen zeigen, dass sie wirksamer sind als der Standard: ein Baumwolltuch mit Kochsalz", so DGfW-Vorstandsmitglied Prof. Hans-Martin Seipp von der TH Mittelhessen. Gerade bei den Wundauflagen mit Silber sei Skepsis angebracht: "Gegen Silber sind Resistenzen zu erwarten, das weiß man schon seit 50 Jahren." Ähnlich kritisch sei das Angebot an Wundspülungen zu bewerten.
Die vielfältigen Themengebiete auf dem Kongress der 1994 gegründeten wissenschaftlichen Fachgesellschaft sprechen Wundtherapeuten in allen Fachbereichen an. So gab es internationale und interprofessionelle Symposien zu Psychosomatik und Schmerz, zu seltenen Ursachen und neuen Ansätzen in der Versorgung chronischer Wunden, zu Podologie und Dekubitusprophylaxe und -behandlung, zu Implantatinfektionen und Biofilm, klinischen Studien und ambulanter Lymphologie, zur Tissue Engineering und Narbentherapie in der Wundbehandlung. Von der Stoßwellentherapie in der plastischen Chirurgie bis hin zur Patientenedukation, von der Verbrennungswundtherapie, Differenzialdiagnosen ulzerierender Wunden und Ulcus Cruis über Patientensicherheit und Risikomanagement im Krankenhaus bis hin zum Umgang mit unkooperativen Patienten wurde umfassend informiert. Von dem lebhaften Erfahrungsaustausch profitieren alle – seien es praktische Tipps von Physiotherapeuten wie "Wir müssen die Patienten animieren, die Beine zu lagern, sonst hilft die beste Kompression nichts" oder die Einschätzung von Chirurgen wie Prof. Peter Vogt, "20 % der Fälle in der Plastischen Chirurgie haben eine nicht erkannte arterielle Verschlusskrankheit". Entscheidend für die Patienten sei die funktionierende Zusammenarbeit von Chirurgie und Wundambulanz. Wenn offen über Probleme geredet wird, könnten viel mehr Differenzialdiagnosen und Wundheilungen erreicht werden. Gerade bei nicht heilenden Wunden sei häufig der Chirurg gefragt: "Wir haben immer wieder Patienten nach Bauchfellentzündungen und wissen, wie man die Bauchdecke wieder schließt – infektfrei, biotechnologisch und durch Implantate", berichtet Hans-Bernd Reith, Viszeralchirurg aus Konstanz. Vorbild für eine bessere Interaktion könnte die Uniklinik Freiburg sein, die ein eigenes Wundzentrum gegründet hat: "Durch gute interne Kommunikation wird wertvolle Zeit eingespart, bis zur Diagnosestellung etwa 2 bis 3 Wochen", betont der Gesundheits- und Krankenpfleger und Wundtherapeut Christian Moosmann. Gleichwohl blieben immer auch Fälle, in denen eine Wunde chronisch bleibt – auch wenn es schwer sei zu akzeptieren, dass es keine Heilung geben wird, so DGfW-Kongresspräsident Peter Vogt: "Ich wünschte, wir hätten den goldenen Hammer, mit dem wir alle Probleme erschlagen könnten – den gibt es aber nicht".
Junge Wissenschaftler und Wundbehandler wurden auf dem DGfW-Kongress für ihre Präsentationen ausgezeichnet. So bekamen Daniel Poehnert und Doris Kost aus Hannover den mit 500 Euro dotierten „Speakers-Corner“-Preis für den besten Fallbericht, Inga Zwetzich aus Bochum den Victor-von-Bruns-Preis (750 Euro) für die beste Arbeit im Bereich der Grundlagenforschung. Doris Wilborn aus Berlin gewann mit ihrer Arbeit im Bereich der Pflegewirtschaft und Pflegepraxis den Agathe-Streicher-Preis (750 Euro). Der Posterpreis Medizin im Bereich Grundlagenforschung und klinische Forschung ging an Elvir Cesko aus Essen (500 Euro) und Laura Kremer aus Lübeck gewann den Posterpreis Gesundheitsfachberufe im Bereich Wissenschaft und Praxis (500 Euro).
Autorin: Kerstin Aldenhoff
Quelle: Deutschen Gesellschaft für Wundheilung und Wundbehandlung (DGfW), 25.06.2011 (tB).