18. Jahreskongress der Deutschen Gesellschaft für Wundheilung und Wundbehandlung (DGfW)

Spannende Diskussionen zur Qualität in der Wundheilung: 
Interprofessioneller Austausch – Was nutzt den Patienten?

 

Ludwigshafen (20. Juni 2015) – Unter dem Motto „Qualität in der Wundbehandlung“ fand der 18. Jahreskongress der Deutschen Gesellschaft für Wundheilung und Wundbehandlung (DGfW) e.V. vom 18. bis 20. Juni 2015 in Ludwigshafen statt. „Mit unserem Kongressmotto beziehen wir uns in erster Linie auf ein ganzheitliches, interdisziplinäres und interprofessionelles Behandlungskonzept“, betont Kongresspräsident Prof. Dr. med. Paul Alfred Grützner, Ärztlicher Direktor der BG Klinik Ludwigshafen und Direktor der Klinik für Unfallchirurgie und Orthopädie. „In diesem Sinne sind wir uns einig, dass die Behandlung chronischer Wunden nur dann erfolgreich sein kann, wenn wir neue Forschungsergebnisse, deren Evidenz und die klinische Erfahrung  berücksichtigen und auch die Wünsche und das soziale Umfeld des Patienten mit einbeziehen.“


Der DGfW-Kongress fand erstmalig in direkter Anbindung an eine Klinik statt. „Dies ist ein Hinweis für die Praxisnähe unseres Kongresses“, so Prof. Grützner. Unter dem Fokus „Was nutzt den Patienten?“ tauschten sich drei Tage lang Experten in der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik Ludwigshafen über wissenschaftliche Erkenntnisse und neue Therapieansätze im Bereich der Wundheilung und Wundbehandlung aus. Zum Patientennutzen und zur Patientensicherheit gab es kontroverse Diskussionen und neue Impulse von Ärzten verschiedener Fachdisziplinen, Pflegefachkräften, Physiotherapeuten, Lymphtherapeuten, Podologen und Orthopädietechnikern. Prof. Grützner betonte die Notwendigkeit, dass die bestehenden sowie auch die zukünftigen ökonomischen und demographischen Herausforderungen nur gemeinsam zu bewältigen seien – interdisziplinär, interprofessionell und zugleich kritisch: „Wir haben mit der DGfW ein wichtiges Forum, in dem die aktuellen Aspekte der Wundbehandlung konstruktiv diskutiert werden – immer im Hinblick auf das Bedürfnis der Patienten, die notwendige Therapie und die ökonomischen Sachzwänge.“ 

 

Nach Schätzungen leiden 3-5 Millionen Menschen in der Bundesrepublik an chronischen Wunden. Entsprechend der Vision der DGFW „Jede Wunde ist heilbar, jede chronische Wunde vermeidbar“ stand bei der wichtigsten Veranstaltung im Bereich der Wundversorgung die Frage nach dem Nutzen für Wundpatienten im Vordergrund. Zur Frage einer sektorenübergreifenden Versorgung zum Beispiel im Anschluss an die Krankenhausversorgung traten die unterschiedlichen Fachdisziplinen in einen Dialog über Anspruch und Wirklichkeit im Bereich der Wundbehandlung mit dem Konsens:  „Qualität für den Patienten ist, wenn eine chronische Wunde schnell und schmerzfrei abheilt!“ 

 

Im fachlichen Austausch, welche aktuellen neuen Erkenntnisse zu einer sicheren, zielführenden Therapie für Patienten mit schlecht heilenden Wunden führen, ging es nicht nur um die leitlinienbasierten Diagnostik und Therapie der Wundbehandlung,  sondern auch um aktuelle Forschungsergebnisse zur Prävention von Wundheilungsstörungen. Experten aus allen Bereichen der Wundversorgung tauschten sich aus, wie mit evidenzbasierten Therapien und den Möglichkeiten des Qualitätsmanagements Fehl-, Unter- oder auch Überversorgungen zu vermeiden wären. Doch auch neue Behandlungsverfahren und Innovationen wurden vorgestellt – etwa für Patienten mit Gefäßerkrankungen, nach Verbrennungen und mit Lähmungen. Die unmittelbare therapeutische Relevanz stellte eines der wichtigsten Themen des Kongresses dar. „Aus diesem Grund hat sich unser Symposium noch mehr auf die Ursachenanalyse der chronischen Wunde fokussiert“, so Prof. Grützner. „Neben der klassischen lokalen Wundtherapie liegt dort unseres Erachtens der Schlüssel zum Erfolg in der Behandlung problematischer Wunden.“ So standen Themen wie Ernährung des Patienten, die Durchblutungssituation, Stoffwechselstörungen, Kontextfaktoren wie zum Beispiel psychische Begleiterkrankungen sowohl in der Prävention als auch bei neuen Behandlungsansätzen im Fokus.

 

Brigitte Nink-Grebe, Generalsekretärin und Geschäftsführerin der DGfW, wies auf die Wichtigkeit von methodisch hochwertigen Leitlinien für die medizinische Versorgung von Wundpatienten hin, wie sie die wissenschaftlich-medizinische Fachgesellschaft erstellt hat: die S3-Leitlinie „Lokaltherapie chronischer Wunden bei Patienten mit den Risiken periphere arterielle Verschlusskrankheit, Diabetes Mellitus, chronische venöse Insuffizienz“. Die Leitlinie zur Wundheilung, die von der DGfW 2012 auf dem höchstmöglichen Evidenzlevel herausgebracht wurde, sollte die Basis für die Behandlung sein: „In der Ausbildung zum „Zertifizierten Wundtherapeuten“ transportieren wir leitlinienbasiertes Wissen in die Praxis“, so Brigitte Nink-Grebe. „Der fruchtbare  Austausch von Forschung, Wissenschaft und Praxis beinhaltet auch einen offenen Umgang mit möglichen oder vorhandenen Interessenskonflikten.“

 

In mehreren Veranstaltungen wurde diskutiert, wie Leitlinien vor Interessenskonflikten geschützt werden können. „Wir brauchen vernünftige Leitlinien, aber bitte ohne Einflussnahme der Industrie“, verdeutlichte Dr. med. Klaus Schäfer, Hausärzteverband Hamburg e.V., und stellte gleichzeitig auch die Grenzen einer Leitlinie klar: „Leitlinien können auch von Ärzten individuell variiert werden –  dafür ist Medizin eine Kunst!“ In der lebhaften Diskussion verdeutlichte Dr. Gabriele Meyer, Professorin für klinische Pflegeforschung praxisnahe Bestrebungen von Ärzten und Pflegepersonal, unabhängig von der Industrie zu sein: „Ein gutes Beispiel ist die Bochumer Initiative der „MEZIS“: Mein Essen bezahl ich selbst.“ Sie wies auf erweiterte Ausbildungsmöglichkeiten wie den in Halle etablierten Bachelor-Studiengang heilkundlicher Tätigkeiten für eine Expertise im Wundheilungsbereich hin: „Neue Rollen können zu besseren Ergebnissen führen und „Drehtüreffekte“ verhindern“.

 

Zum Thema Wundregister,  Wundnetzwerke,  Zertifizierung von Wundzentren gab es ein eigenes Symposium, in dem die Frage diskutiert wurde: Was können wir von anderen lernen? Brauchen wir ein nationales Wundregister wie z.B. in Schweden? Dr. med. Jörg Bunse, Facharzt für Viszeralchirurgie erläuterte die Notwendigkeit und gleichzeitig auch die Schwierigkeiten einer

 

Qualitätssicherung in der Chirurgie, inwieweit Prozesse und Ergebnisse in Effizienz und Ergebnisorientierung zu kontrollieren seien: „Wie lässt sich outcome messen? Unser Ziel ist ein deutsches Wundregister wie etwa das Traumaregister als Vorbild, mit kollegialer Interaktion und entsprechenden Prozessen.“

 

Zur Problematik des „Surgical-Smoke“ wurde diskutiert, wie Risiken erkannt werden können und wie Patienten und Personal davor zu schützen sind, während der Operation Dämpfe einzuatmen. Diese entstehen, wenn z. B. Elektrokauter beim Operieren eingesetzt werden. Prof. Dr. med. Hans-Martin Seipp, Facharzt für Hygiene und Umweltmedizin, Dipl. –Ing Umwelt und Hygienetechnik, veranschaulichte außerdem die Problematik der Risiken durch sterile Partikel: „Häufig entstehen Verwachsungen als Folge davon, dass sterile Partikel in die Wunden eingebracht werden. Das sind Risiken für Patienten während der Operation, für die es Lösungen gibt, die z. B. in der Krankenhaushygiene und in der Sterilgutaufbereitung liegen.“  Vor dem Hintergrund der Probleme einiger Kliniken mit der mangelhaften Säuberung und Silikatrückständen auf OP-Instrumenten bekam die Diskussion eine aktuelle Brisanz.

 

Wie jedes Jahr spielte die praktische Vermittlung, in denen die Teilnehmer eine sichere Wundversorgung kennenlernen konnten, eine wichtige Rolle bei der DGfW-Tagung. Dazu gab es eine Fülle gut besuchter Kurse und Workshops zu vielfältigen, an der Praxis orientierten Themen wie zum Diabetischen Fußsyndrom, das frühzeitig erkannt werden muss, um Amputationen zu vermeiden,  zur Dekubitusprävention, zu physiotherapeutischen, podologischen und ergotherapeutischen Fragestellungen und zur richtigen Anwendung von Wundlauflagen. Am Modell konnten die Teilnehmer trainieren, wie eine Wunde korrekt ausgemessen wird, wie eine Wunde erfolgreich gereinigt werden kann und wie Wundauflagen an schwierigen Stellen zu applizieren sind. Weitere Themen waren die Notwendigkeit von Hygiene in kritischen Bereichen wie OP,  Intensivstation und Notfallaufnahme, Probleme der Wundheilung bei Implantaten, Diagnostik und Therapie der Osteomyelitis sowie kritische Wunden nach Trauma, Wundheilungsstörungen nach Bauchdeckenrekonstruktion und Netzinfektion sowie der Bereich der Gefäßerkrankungen, insbesondere der Lymphologie.

 

Patientennutzen und Lebensqualität standen auch im Symposium zur konservativen und operativen Lymphödemtherapie im Vordergrund. Es wurden innovative Techniken zur Therapie des  Lymphödems vorgestellt, z. B.  die Wiederherstellung des Lymphabflusses durch mikrochirurgische Rekonstruktion (Lymphgefäß- und Lymphknotentransplantation) sowie neue Erkenntnisse zur  Manuellen Lymphdrainage (MDL) und Kompressionstherapie (KPE) für die Wundheilung. In speziellen Workshops ging es unter der Leitung von Dr. med. Gerson Strubel, Facharzt für Angiologie und Allgemeine Innere Medizin um die Lymphdrainage zur Entstauung und Heilung chronischer Wunden. Weitere Workshops vermittelten grundlegende Techniken der Kompressionsbandageierung sowie  Tipps und Tricks zum leichteren Anziehen von Kompressionsstrümpfen.

 

In der Podiumsdiskussion zu den aktuellen gesundheitspolitischen Rahmenbedingungen und der derzeit diskutierten Gesetzgebung wurde unter anderem die Möglichkeiten an der BGU Ludwigshafen als ein Beispiel dafür herausgestellt, wie die Rahmenbedingungen für eine gelungene Wundversorgung aussehen kann: „Wir konnten zeigen, wie in unserem Haus Interdisziplinarität und Bündelung von Spezialistenwissen im Alltag gelebt wird“, so Prof. Grützner. „Dazu wurden die „Ludwigshafener Konzepte“ bei der Extremitätenrekonstruktion, bei der Behandlung von Brandverletzten von der Akutphase bis zur Reha sowie neue Therapien im Querschnittbereich vorgestellt und mit den Teilnehmern interprofessionell diskutiert.“ Als weitere Fortführung der optimierten Patientenversorgung soll künftig auch ein interprofessionelles Cluster „Infektchirurgie“ eingerichtet werden. Die Infektiologie im Zusammenhang mit der Behandlung von Wunden ist ein wichtiger Forschungsschwerpunkt der DGfW.

 

Immer wieder wurden die „kleinen Schritte zum Erfolg“ des früheren DGfW-Präsidenten Prof. Dr. med. Hisham Fansa, MBA Plastischer und Ästhetischer Chirurg zitiert, um die es in der Wundbehandlung und Wundheilung geht. Mit dem besonderen Augenmerk auf der klinischen Relevanz und dem unmittelbaren Nutzen für Therapeuten und Patienten war die Tagung gleichermaßen für Gesundheitsfachberufe und Ärzte von Bedeutung. „Es ist uns gelungen, den Dialog zwischen den verschiedenen Spezialisierungen anzuregen“, so Prof. Grützner. „Der sogenannte „Blick über den Tellerrand“ hat neue Ideen und Konzepte auf den Weg gebracht, die es nun gilt weiterzuverfolgen: neue Impulse, das Beste für die Patienten zu erreichen!“

 

 

Statement Kongresspräsident Prof. Dr. Paul Alfred Grützner

 

„Patientenbedürfnis, notwendige Therapie und ökonomische Sachzwänge betreffen heute praktisch jeden Bereich unseres Gesundheitssystems. Auf der einen Seite sind sich fast alle Bevölkerungsgruppen einig, dass wir in Deutschland ein vorbildliches, viele Bedürfnisse unserer Patienten abdeckendes Gesundheitssystem vorhalten. Insgesamt haben wir sehr hohe Ausgaben für Gesundheitskosten in der Bundesrepublik Deutschland. Die Frage ist nur, ob die Mittel sach- und zielgerichtet zum Einsatz kommen. Es gibt in der Medizin kaum einen Bereich wie die chronische Wunde, die als Symptom und nicht als eigenständige Krankheit so viele unterschiedliche Kausalitätsfacetten hat. Ein stärkerer Fokus sollte daher auf den interdisziplinären Ansatz, auf die Berücksichtigung auf die Begleiterkrankungen des Patienten und die tatsächlichen Bedürfnisse des Patienten gerichtet sein.“

 


Quelle: Deutsche Gesellschaft für Wundheilung und Wundbehandlung (DGfW), 13.07.2015 (tB).

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