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36. MSD-Diskussion
Innovative Entwicklungen in der Onkologie
Wiesbaden (30. März 2008) – Neue Möglichkeiten bei der Therapie von malignen Erkrankungen erörterten Experten zusammen mit Journalisten auf der 36. MSD-Diskussion in Wiesbaden. Im Fokus stand dabei der Forschungsbereich Onkologie von MSD, aus dem viel versprechende Kandidaten der Produktpipeline vorgestellt wurden. Vertreter einer neuen Wirkstoffklasse ist Vorinostat, das in den USA bereits für die Indikation fortgeschrittenes, therapierefraktäres kutanes T-Zell-Lymphom (CTCL) zugelassen ist und für das in Europa bei der EMEA ein Zulassungsantrag eingereicht ist.
In den vergangenen Jahren hat MSD die Entwicklung von zukunftsweisenden Krebstherapien intensiviert. Dr. Cesar Sanz-Rodriguez, Madrid, gab einen Überblick: „Der Geschäftsbereich Onkologie von MSD fokussiert auf alle Aspekte der Krebsmedizin, von der Prävention über die Therapie bis hin zur supportiven Behandlung. Mit umfassenden internen Forschungskapazitäten und den notwendigen Technologien sowie durch ausgewählte Partnerschaften und Übernahmen will MSD bei der Entwicklung und Bereitstellung gezielt wirkender Krebstherapien, die für einzelne Patientengruppen maßgeschneidert sind, eine führende Position einnehmen.“ So verfüge MSD über ein etabliertes Verfahren zur Untersuchung von Genexpressionsprofilen von Tumorzellen. Damit können zum einen neue Ziele für die Wirkstoffentwicklung identifiziert werden, zum anderen ist damit im weiteren Verlauf der Entwicklung die Überprüfung der Effekte dieser Wirkstoffe – ob zielgerichtet oder nicht zielgerichtet – möglich. Mit der Plattformtechnologie lassen sich darüber hinaus bestimmte Patiententypen identifizieren, die z. B. für klinische Studien rekrutiert werden können. Letztlich können auf diese Weise gezielt wirkende Antikrebsmittel entwickelt werden.
Mehrere Substanzen in der Pipeline
Sanz-Rodriguez stellte einige der neuen Wirkstoffe vor, die MSD im Bereich Onkologie zum Teil in Kooperation mit anderen Unternehmen entwickelt hat: „Deforolimus ist ein oral einzunehmender Inhibitor des mTOR-Proteins. Er wird derzeit in klinischen Studien der Phase I, II und III bei Patienten mit soliden Tumoren und hämatologischen Neoplasien geprüft.“ Als Serin-/Threoninkinase spielt mTOR („mammalian target of rapamycin“ – bei Säugetieren das Zielmolekül von Rapamycin) in allen Säugetierzellen eine Schlüsselrolle, da es die Proteintranslation aktiviert und so zu koordiniertem Zellwachstum, Zellteilung, Stoffwechsel und Angiogenese beiträgt. Bei Störungen in mTOR-Signalwegen können Zellzyklus und Zellwachstum außer Kontrolle geraten – verschiedene bösartige Erkrankungen resultieren daraus. Deforolimus (MK-8669, AP23573) kann in mehrere Signalwege eingreifen, die für die Tumorprogression von entscheidender Bedeutung sind.
Neuer Wirkstoff:
Insulin-Like-Growth Factor Receptor 1 Inhibitor MK-0646
Insulinähnliche Wachstumsfaktoren (Insulin-like growth factors, IGFs) sind Teil eines komplexen zellulären Kommunikationssystems. Die IGF binden zur Signalübermittlung an spezielle Rezeptoren in der Zellmembran. Der IGF-1R ist ein Wachstumsfaktor-Membranrezeptor, der für die Induktion der terminalen Zelldifferenzierung eine Rolle spielt und die Zelle vor verschiedenen mit dem programmierten Zelltod verbundenen Schäden schützt. Beim Krebs führt eine Aktivierung des IGF-1R zu Zellproliferation und Wachstum, zu einem verstärkten Tumorüberleben und einer Desensibilisierung von Krebszellen gegenüber Chemotherapeutika und Bestrahlung. Der Wirkstoff MK-0646 ist ein Hemmstoff dieses Wachstumsfaktor-Rezeptors. In Phase-I-Studien wird derzeit seine Wirksamkeit bei Patienten mit soliden Tumoren und hämatologischen Neoplasien geprüft.
Epigenetischer Therapieansatz
Der in der Onkologie-Pipeline von MSD in der klinischen Forschung am weitesten fortgeschrittene Wirkstoff Vorinostat wurde von Professor Dr. med. Michael Lübbert, Freiburg, näher vorgestellt. Während Vorinostat (Suberoylanilide Hydroxyamic Acid, SAHA) in den USA von der FDA bereits beim kutanen T-Zell-Lymphom zugelassen ist, wird in einem großen klinischen Studienprogramm seine Wirkung bei verschiedenen soliden Tumoren und hämatologischen Neoplasien weiter untersucht. Vorinostat gehört als Histon-Deacetylase-Inhibitor zu einer neuen Substanzklasse gezielt wirkender Krebstherapeutika, die über die Regulation der Genexpression wirksam werden.
Histon-Deacetylasen (HDACs) katalysieren die Entfernung von Acetylgruppen an Histonen und bewirken dadurch Veränderungen der DNA-Struktur, die letztlich die Expression von Genen beeinflusst, die auch an der Entstehung von malignen Tumoren beteiligt sind. Sobald negativ geladene Acetylgruppen auf Histone übertragen werden, lockert sich die DNA-Struktur und Transkriptionsfaktoren erhalten Zugang – die Gene können abgelesen werden. Die Deacetylierung von Histonen durch nukleäre Histon-Deacetylasen bewirkt das Gegenteil: Genabschnitte werden für die Transkription durch die enge Bindung der Proteine an die DNA blockiert. Durch diese epigenetische Form der Transkriptionskontrolle wird auch die Expression von Genen beeinflusst, die an der Tumorentstehung beteiligt sind, wie z. B. Tumorsuppressorgene.
Vorinostat inhibiert die HDAC
Die Hemmung der HDAC und die damit verbundene Minimierung der Deacetylierung durch Vorinostat führt durch die weiter aktive, reguläre Histon-Acetylierung zu einer erhöhten Genexpression. Damit verbunden ist ein Zellzyklus-Stillstand und Induktion der Apoptose (programmierter Zelltod). Darüber hinaus scheint Vorinostat auch eine inhibierende Wirkung auf andere Proteine wie z.B. das Hitzeschockprotein Hsp90 auszuüben. Diese nichttranskriptionellen Effekte tragen vermutlich über eine Immunmodulation und Angiogenesehemmung zur antitumoralen Wirkung von Vorinostat bei.
Eine Besonderheit von Vorinostat ist der gezielte Effekt auf Tumorzellen: Während die Substanz dosisabhängig in transformierten Zelllinien den Zelltod auslöst und so das Absterben großer Zellmengen bewirkt, werden nicht maligne Zellen wenig beeinträchtigt. Dies beruht vermutlich auf dem Einfluss von Vorinostat auf Tumorsuppressorgene und auf Regulatoren des Zellzyklus.
In einer Phase-II-Studie überzeugte Vorinostat als Drittlinientherapie bei kutanen T-Zell-Lymphomen. 30% der Patienten sprachen auf die Behandlung mit einer objektiven Remission (≥ 50%-ige Abnahme der Tumorlast) an. Bei einem weiteren Drittel der Patienten wurde eine geringer ausgeprägte Tumorschrumpfung erreicht. Vorinostat führte zu einer Linderung des krankheitsbedingten Juckreizes, der die Lebensqualität der betroffenen Patienten stark beeinträchtigt. Entsprechend seinem breiten antitumoralen Wirkspektrum wird Vorinostat jetzt in einem großen klinischen Prüfprogramm beim nichtkleinzelligen Bronchialkarzinom (NSCLC), Mesotheliom, multiplen Myelom und myelodysplastischen Syndrom meist im Rahmen von Kombinationstherapien geprüft.