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Anatomie im Nationalsozialismus
Satellitensymposium der Anatomischen Gesellschaft am 29. September in Würzburg
Jena (20. August 2010) – Leichen im Keller eines anatomischen Instituts sind alltäglich. Wenn anatomische Präparate aber aus der Zeit des „Dritten Reiches“ stammen, ist besondere Aufmerksamkeit notwendig, weiß man doch oft nicht, woher die einstigen Körper stammten und wie sie ihren Weg in die Anatomie fanden.
Dabei lief zu jener Zeit alles nach demselben Schema ab, wie Prof. Dr. Dr. Christoph Redies vom Institut für Anatomie I der Universität Jena weiß: Die damaligen Gesetze und Verordnungen verfügten, dass zum Tode Verurteilte, die gegen Nazi-Gesetze verstoßen hatten, an die nächstgelegene Universität zu überführen seien. Auch aus Krankenanstalten, in denen „Euthanasie"-Morde geschahen, und aus Fremdarbeiterlagern gelangten Leichname an anatomische Institute des Dritten Reichs. KZ-Opfer waren es selten, auch nicht überwiegend Juden, sondern „diejenigen, die dem allgemeinen Terror der Nazis gegen missliebige Teile der Bevölkerung zum Opfer fielen“, weiß Anatom Redies.
Er selbst hat die Phase der Aufarbeitung dieses dunklen Kapitels bereits hinter sich. Die Jenaer Universität hat sich – wie z. B. auch Bonn, Berlin, Gießen, Göttingen, Halle/Saale, Hamburg, Heidelberg, Marburg und Tübingen – dieser Vergangenheit aus eigenem Antrieb gestellt und ihre Konsequenzen gezogen. Die dabei gemachten Erfahrungen und mögliche Komplikationen will nun zum ersten Mal die Anatomische Gesellschaft in einem öffentlichen Symposium präsentieren, das von Prof. Redies organisiert wird. Das Symposium „Anatomie im Nationalsozialismus“ findet am 29. September an der Universität Würzburg statt. Es passt damit haargenau in eine öffentliche Debatte, die aktuell in renommierten Tageszeitungen, aber auch im Wissenschaftsmagazin Science (Band 329, Ausgabe Nr. 5989, Seiten 274-275) geführt wird.
Gegenstand des Symposiums sind aber nicht nur die Ablieferung und Verwendung der Leichname Hingerichteter und anderer Opfer des Nazi-Regimes in der anatomischen Forschung und Lehre. Es wird auch um eine Standesgeschichte der eigenen Zunft gehen. Denn es gibt Beispiele von Anatomen, die bereitwillig vom Naziterror profitierten: August Hirt, dem 86 jüdische Häftlinge aus dem KZ Auschwitz für seine Skelettsammlung in Straßburg dienen sollten; Herman Stieve, der in Berlin an hingerichteten Frauen des deutschen Widerstandes gynäkologische Studien durchführte; Eduard Pernkopf, der in Wien einen bekannten Atlas anhand von Leichnamen Hingerichteter erstellte; Hermann Voss, der in Poznan (Polen) von der Zusammenarbeit mit der lokalen Gestapo profitierte und einen Handel mit Skelettteilen von polnischen und jüdischen Naziopfern trieb. „Und dennoch gibt es heute noch Kontroversen über die moralische Bewertung, was einzelne Anatomen gemacht haben“, weiß Prof. Redies. Als besten Weg zu einer Aufklärung sieht er, „erst Fakten zu gewinnen, dann über die ethisch-moralische Perspektive zu reden“.
„Das Symposium soll die Erkenntnisse, die in Deutschland und im Ausland in den letzten Jahren gewonnen wurden, zusammentragen und zukünftige Forschungsprojekte identifizieren. Es demonstriert auch einen neuen, offeneren Umgang mit dem Thema unter deutschen Anatomen“, sagt der Jenaer Anatom. Auch die relativ späte Aufarbeitung der Geschehnisse soll auf dem Symposium diskutiert werden.
Wissenschaftliche Beiträge zu dem Symposium stammen nicht nur von Anatomen, Medizinhistorikern und Historikern aus Deutschland, sondern auch aus Großbritannien, Israel, Polen und den USA. Weitere Informationen unter: http://www.anatomie1.uniklinikum-jena.de/Satellitensymposium.html
Das Symposium „Anatomie im Nationalsozialismus" findet am 29. September, 8.30 bis 12.30 Uhr, unmittelbar vor der Arbeitstagung der Anatomischen Gesellschaft im Anatomischen Institut der Universität Würzburg statt. Das Symposium ist öffentlich und interessierte Gäste sind willkommen.
Weitere Informationen
http://www.anatomie1.uniklinikum-jena.de/Satellitensymposium.html – weitere Informationen zum Symposium.
http://www.uni-jena.de – Universität Jena
Quelle: Universität Jena, 20.08.2010 (tB)