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Angeborene Stoffwechselerkrankungen – viel häufiger als angenommen
Von PD Dr. med. Martin Merkel,
Asklepios Klinik St. Georg, Hamburg
Wiesbaden (31. März 2008) – Seltene Krankheiten werden übereinstimmend definiert als Erkrankungen mit einer Prävalenz unter 1:2000. Bislang sind etwa 5000 bis 8000 solcher Krankheiten bekannt, die meisten davon sind genetisch bedingte Störungen des Stoffwechsels, etwa durch defekte Enzyme, Rezeptoren oder Mediatoren. Obwohl jede einzelne dieser Krankheiten selten ist, leidet – durch die Vielzahl verschiedener Krankheiten – doch insgesamt eine große Zahl von Menschen an einer solchen. Kumulativ ist fast jeder Tausendste betroffen, d.h., in Deutschland bis zu 80.000 Patienten.
Die Heterogenität der seltenen Stoffwechselstörungen ist ihr Fluch: Während sich gerade in Zeiten begrenzter Ressourcen in Wissenschaft und Medizin die Interessen der Politiker, Wissenschaftler und Ärzte vermehrt den „Volkskrankheiten“ zuwenden, fristen die seltenen Krankheiten ein Randdasein. Häufig werden die Krankheiten nicht einmal diagnostiziert, geschweige denn korrekt therapiert. Nomen est omen – diese Krankheiten werden nicht umsonst als Orphan Diseases – „verweiste Krankheiten“ – bezeichet.
Eine korrekte und rechtzeitige Diagnose ist bei den Krankheiten, die im Neugeborenenscreening sind, natürlich kein Problem. Klassisch sind dies Phenylketonurie, Hypothyreose, Adrenogenitales Syndrom und Galaktosämie; inzwischen ist ein erweitertes Spektrum mit Ahornsirupkrankheit, Betaoxidationsdefekten, Carnitinzyklusdefekten, Glutarazidurie I und Isovalerianazidämie entstanden. Patienten mit diesen Krankheiten sind zumindest in ihrer Kindheit gut betreut. Nicht umsonst fordern Pädiater eine Erweiterung des gesetzlichen Neugeborenenscreenings. Auch einige andere Stoffwechselkrankheiten werden dank der oft hervorragenden Kenntnisse der Pädiater auf diesem Gebiet meist rechtzeitig diagnostiziert. Bei Manifestation im Erwachsenenalter hingegen erfolgt die korrekte Diagnose spät, wenn überhaupt. Fehlende Kenntnisse der jeweiligen Fachärzte – allen voran der Internisten – ist hierbei nur einer von vielen Gründen: Vor allem begrenzte zeitliche und materielle Ressourcen im heutigen Gesundheitswesen unseres Landes müssen angeschuldigt werden.
Ein typisches Beispiel ist die autosomal dominant in Erscheinung tretende Familiäre Hypercholesterinämie (FH). Mit einer Häufigkeit von 1:500 zählt sie formal schon gar nicht mehr zu den seltenen Erkrankungen – und führt in der Regel im 3. oder 4. Lebensjahrzehnt zum Herzinfarkt. Durch eine frühzeitige Diagnostik – ein einfacher LDL-Cholesterinspiegel reichte hierfür schon – und eine konsekutiv korrekte Therapie könnte die Manifestation weit hinausgezögert, wenn nicht gar verhindert werden.
Die häufigste undiagnostizierte lysosomale Speicherkrankheit ist mit einer Inzidenz von 1:40.000 der M. Gaucher. Theoretisch müssten in Deutschland über 2000 Patienten mit dieser Krankheit bekannt sein; die meisten Betroffenen müssten vermutlich auch therapiert werden. Tatsächlich sind in den Gaucher-Zentren gerade mal einige hundert Patienten bekannt. Knochenkomplikationen, Leber- und Milzveränderungen, Blutgerinnungsprobleme könnten zur Diagnose führen, wenn Kenntnis, Zeit und Ressourcen vorhanden wären. Gleiches gilt für den zweifellos noch selteneren M. Fabry mit Niereninsuffizienz, Hautveränderungen und Kardiomyopathie. Auch bei Morbus Niemann-Pick C ist eine (Hepato-)Splenomegalie zumeist das Erstsymptom. Die neurologische Manifestation mit zerebellärer Ataxie, Dysarthrie und progressiver Demenz ist bei genauer Untersuchung zum Zeitpunkt der Diagnose bereits präsent. Glykogenosen sind wegen ihrer akuten Komplikation (Hypoglykämie) etwas besser diagnostiziert, Betaoxidationsdefekte mit Myopathien und anderen Manifestationen wiederum nur selten.
Obwohl es den Ärzten in ihrem sozialpolitischen Umfeld zweifellos besser gehen könnte, muss gefordert werden, dass vor allem die Innere Medizin sich den Herausforderungen der seltenen Stoffwechselkrankheiten stellt. Patienten müssen rasch und korrekt diagnostiziert und in spezialisierten Zentren betreut und therapiert werden. Der Koordination dieser Bemühungen hat sich die Arbeitsgemeinschaft für Angeborene Stoffwechselstörungen in der Inneren Medizin (ASIM; www.asim-med.de) verschrieben. Die ASIM soll die vorhandenen Kompetenzen bei der Betreuung von Patienten mit angeborenen Stoffwechselstörungen in der Inneren Medizin bündeln, ausbauen und eine Plattform für wissenschaftliche Projekte bieten.
Autor
PD Dr. med. Martin Merkel
Asklepios Klinik St. Georg
I. Medizinische Abteilung
Lohmühlenstraße 5
20099 Hamburg