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Arzneimittel-Interaktionen: Beachtenswertes bei der Therapie der GAD

 

Dr. Gabriel Eckermann, Kaufbeuren

 

Berlin (25. November 2009) – Stationäre Patienten erhalten im Mittel 3,5 Medikamente, Patienten über 65 Jahre werden durchschnittlich mit fünf Pharmaka behandelt. Die Selbstmedikation (u.a. Johanniskraut, Ginkgo, pflanzliche Diuretika) ist sehr hoch! Die als gefährlich eingestuften Arzneimittelkombinationen werden auf sieben bis acht Prozent geschätzt, d.h. zirka jeder 15. Kombinationspatient ist betroffen (in diese Schätzung sind aber die zum Teil sehr großen Interaktionsprobleme, die durch die o. g. Selbstmedikation entstehen, noch überhaupt nicht eingegangen; dies ist angesichts der ungeheuer großen Dunkelziffer der Selbstmedikation auch sehr schwierig.)

 

Arzneimittelinteraktionen lassen sich prinzipiell in pharmakodynamische und pharmakokinetische Wechselwirkungen einteilen:

 

Pharmakodynamische Wechselwirkungen können entstehen, wenn zwei oder mehr Substanzen am gleichen Rezeptor oder an miteinander verbundenen oder rückgekoppelten Rezeptorsystemen oder Regelkreisen aktiv sind.

 

So haben sich bei einer Patientin die sedierenden Wirkungen von Amitriptylin (Saroten®) mit den sedierenden Eigenschaften von Benzodiazepinen zu einem UAW-Ereignis (UAW = Unerwünschte Arzneimittel-Wirkung) aufsummiert, nämlich zu einer schweren Hypersedation und vorher nicht beobachteten Sturzneigung.

 

Pharmakokinetische Interaktionen entstehen, wenn ein Medikament die Absorption, die Verteilung in den Kompartimenten, den Metabolismus oder die Exkretion eines anderen Medikamentes so modifiziert, dass dessen Konzentration erhöht oder gesenkt und damit seine effektive Konzentration am Wirkort verändert wird. Dies hat dann nicht selten klinische relevante Auswirkungen auf die Behandlungseffektivität und Arzneimittelsicherheitsfragen.

 

Bei pharmakokinetischen Interaktionen können bei den jeweils beteiligten Substanzen zwar Standarddosierungen vorliegen, die Plasmakonzentrationen und damit die effektiven Konzentrationen am Wirkort aber haben sich in klinisch bedeutsamer oder gar gefährlicher Weise verändert (bis hin zur Intoxikation oder auch -durch Induktion mit reduzierten Spiegeln- bis zur Unwirksamkeit),

 

Die wichtigsten pharmakokinetischen Wechselwirkungen finden auf der Ebene der Metabolisierung statt. Hier spielen das Cytochrom-P450-System, vor allem die hepatischen Enzyme, aber auch arzneimittelmetabolisierende Enzyme in der Darmmukosa, eine zentrale Rolle. Mit einigen Informationen über dieses System und den Eigenschaften seiner Isoenzyme lassen sich viele alltagsrelevante Wechselwirkungen vorab abschätzen.

 

So ist ein potenziell sehr gefährlicher Inhibitionseffekt bei der Kombination von Fluoxetin (z.B. Fluctin®) mit trizyklischen Antidepressiva zu beobachten, da Fluoxetin mehrere Abbaurouten des Cytochromsystems effektiv hemmt (CYP2D6, CYP3A4 und CYP2C19). Zusätzlich gefährdend und gleichsam „erschwerend" kommt die lange Halbwertszeit von Fluoxetin von ca. 15 Tagen hinzu (Fluoxetin zusammen mit dem pharmakologisch aktiven Metaboliten Norfluoxetin). Dies kann auch noch nach Absetzen von Fluoxetin an den betroffenen Abbaurouten zu wochenlangen Hemmeffekten führen mit der Folge, dass die Elimination vieler Medikamente erheblich beeinträchtigt ist. Es resultieren überhöhte, evtl. toxische Spiegel der Komedikation, z.B. von Amitriptylin.

 

Dargestellt werden in diesem Vortrag kritische Interaktionseffekte und klinische Beispiele von Carbamazepin (starker Induktor), Amitriptylin (Substrat mit vielen UAW-Effekten), Duloxetin (Inbitior), Diazepam mit Omeprazol, Johanniskraut mit Phenprocoumon. Dabei werden die pharmakodynamischen und pharmakokinetischen Interaktionsmechanismen diskutiert.

 

Ebenso wird auf die große Problematik von Benzodiazepinen im Alter eingegangen, u,a, mit der massiven Erhöhung der Sturzgefährdung (Muskelrelaxation ) und der Kumulationseffekte, insbesondere durch Diazepam, eine Substanz, deren Halbwertszeit mit Metaboliten im Alter bis zu 200 Stunden reicht. Damit ist ein hochgradiges Gefährdungspotential für den alten Menschen gegeben. Bis zu 9 % der GAD-­Alterspatienten erhalten in Deutschland Diazepam, dies bedeutet auch ein entscheidendes Risiko bzgl. Hypersedierung und Atemdepression.

 

Ein weiterer Punkt, nämlich die klinischen Aspekte der pharmakogenetischen Veränderungen von Metabolisierungssystemen (sog. Polymorphismen), der einen relevanten Teil der Patienten trifft, wird ebenfalls kurz erörtert.

 

Ausdrücklich werden auch solche Substanzen besprochen, die gerade unter dem Aspekt der Arzneimittelsicherheit günstiger sind, weil sie das komplexe Metabolisierungsgeschehen nicht durchlaufen, sondern primär renal eliminiert werden. Sie inhibieren nicht, sie induzieren nicht und sie sind auf der Metabolisierungsebene durch eine Komedikation nicht angreifbar. Das sind wirklich wesentliche Behandlungsvorteile. Solch ein Medikament ist z.B. Pregabalin, das gerade auch bei komplexer Multimedikation unter den Aspekten der Arzneimittelsicherheit gut eingesetzt werden kann.

 

Schließlich wird noch eine aktuelle elektronische Interaktionsdatenbank vorgestellt. Die Online-Datenbank hat die Adresse: www.psiac.de„Psiac" steht für “Interaktionscomputer in der Psychiatrie".

 

Diese Online-Datenbank für die Interaktionspharmakologie wird herausgegeben von Christoph Hiemke (Psychiatrische Klinik der Universität Mainz), Matthias Dobmeier (Universität Regensburg), Ekkehard Haen (Universität Regensburg) und Gabriel Eckermann (Bezirkskrankenhaus Kaufbeuren), Programmierung Anton Köstlbacher (Universität Regensburg). Die Datenbank enthält derzeit ca. siebentausend Paarungen von ZNS-Substanzen mit Psychopharmaka, und von ZNS-Medikamenten mit einer Vielzahl von internistischen (aktuell auch onkologischen) und allgemeinmedizinischen Medikamenten. Sie wird wöchentlich aktualisiert. In dieser Datenbank wird sowohl auf pharmakodynamische wie auf pharmakokinetische medikamentöse Wechselwirkungseffekte genau eingegangen.

 

 

Download

 

  • Dr. Gabriel Eckermann zum Thema "Arzneimittel-Interaktionen: Beachtenswertes bei der Therapie der GAD" Keycharts: Charts.pdf Charts.pdf (3.19 MB)

 


 

Quelle: Symposium der Firma Pfizer zum Thema „GAD – praxisrelevante Therapieaspekte“ am 25.11.2009 in Berlin (MCG-Medical Consulting Group) (tB).

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