MEDIZIN
AWARDS
Forschergeist gefragt: 14. Novartis Oppenheim-Förderpreis für MS-Forschung ausgelobt
FernstudiumCheck Award: Deutschlands beliebteste Fernhochschule bleibt die SRH Fernhochschule
Vergabe der Wissenschaftspreise der Deutschen Hochdruckliga und der Deutschen Hypertoniestiftung
Den Patientenwillen auf der Intensivstation im Blick: Dr. Anna-Henrikje Seidlein…
Wissenschaft mit Auszeichnung: Herausragende Nachwuchsforscher auf der Jahrestagung der Deutschen…
VERANSTALTUNGEN
Wichtigster Kongress für Lungen- und Beatmungsmedizin ist erfolgreich gestartet
Virtuelle DGHO-Frühjahrstagungsreihe am 22.03. / 29.03. / 26.04.2023: Herausforderungen in…
Pneumologie-Kongress vom 29. März bis 1. April im Congress Center…
Die Hot Topics der Hirnforschung auf dem DGKN-Kongress für Klinische…
Deutscher Schmerz- und Palliativtag 2023 startet am 14.3.
DOC-CHECK LOGIN
Arzt-Patienten-Kommunikation
Theoretische Grundlagen und Methoden
„Das Leben eines Kranken kann nicht nur durch die Handlungen eines Arztes
verkürzt werden, sondern auch durch seine Worte und sein Verhalten.“
Gründungsschrift der American Medical Association, 1847
Köln (7. Oktober 2008) – Arztsein ist ein sprechender Beruf. Ein niedergelassener Arzt verbringt 60-80 %, ein Klinikarzt 40-50 % seiner täglichen Arbeitszeit im Gespräch mit seinen Patienten. Die Zahl der Patientengespräche kann sich so im Laufe eines ärztlichen Berufslebens auf bis zu 200.000 summieren. Aber: eine kommunikative Kompetenz wird Medizinern in ihrer Ausbildung nicht gelehrt. Dabei wünschen sich Patienten Umfragen zufolge in erster Linie, dass der Arzt mit ihnen spricht, ihnen zuhört und Interesse für sie zeigt. Medizinische Kompetenz und apparative Ausstattung rangieren dahinter im Mittelfeld, wie internationale Patientenbefragungen zeigten.
Der medizinische Alltag sieht aber leider anders aus: Viele Patienten sind mit der Behandlung und der Kommunikation unzufrieden, wie die PASQOC-Studie (Patients Satisfaction and Quality of Life in Oncological Care) 2000 gezeigt hat:
-
Keine gemeinsame Behandlungsplanung: 55,4 % der befragten Patienten
-
Patient fühlt sich nicht ernst genommen: 34,6 %
-
Unsensible Mitteilung der Diagnose: 34,4 %
-
Patient fühlt sich über Krankheitsbild unzureichend informiert: 25,7 %
-
Unzureichende Besprechung von Behandlungsoptionen: 25,1 %
-
Patient fühlt sich über Therapie unzureichend informiert: 20,9 %
-
Mitentscheidungsmöglichkeiten mangelhaft: 19,7 %
Wichtig ist es, dass sich Ärzte der Notwendigkeit, sich mit dem Thema Kommunikation auseinander zu setzen, bewusst werden. Denn von ihrer professionellen Kompetenz kann das weitere Schicksal des Patienten in einem nicht unerheblichen Maße bestimmt werden.
Die folgenden kommunikationstheoretischen Grundlagen und die Vorstellung einer Methode zur Mitteilung von schlechten Nachrichten sollen Anregungen für eine verbesserte Arzt-Patienten-Kommunikation bieten und darüber hinaus die Notwendigkeit von professionellen Kommunikationstrainings für Ärzte deutlich machen.
Kommunikationstheoretische Grundlagen
Der Einsatz spezieller kommunikativer Fertigkeiten ermöglicht es dem Arzt, auch in schwierigen Situationen auf einen Patienten so einzugehen, dass sich dieser verstanden und akzeptiert fühlt. Wichtige Grundtechniken der Gesprächsführung sind:
· Aktives Zuhören: Der Arzt versucht zu verstehen, was der Patient fühlt und zum Ausdruck bringen möchte. Durch eine aufmerksame, zugewandte Haltung und einen Gesichtsausdruck, der Interesse und auch Betroffenheit ausdrückt, zeigt der Arzt, dass er dem Patienten wirklich zuhört. Durch Zusammenfassen des Verstandenen und eventuellem Nachfragen sollen auch die versteckten Gefühle, die Motive und Einstellungen hinter den Sätzen entschlüsselt werden.
-
Durch offene Fragen kann der Arzt tiefer gehende Informationen über die Erkrankung, den Wissenstand des Patienten sowie über seine Gefühle, Bedürfnisse und Motive erlangen. („Wie haben Sie sich die letzten Wochen gefühlt?“ „Was geht in Ihnen vor, wenn Sie das hören?“)
-
Mit geschlossenen Fragen (Ja/Nein-Antworten) werden möglichst konkrete Antworten angestrebt. Diese sind hilfreich für eine exakte Symptomexploration („Haben Sie an Gewicht verloren?“) oder bei der Zusammenfassung („Wäre das ein Vorgehen für Sie?“).
-
Durch gezieltes Fragen kann man bei vagen oder indirekten Aussagen den Patienten durch direktes Nachfragen zum Konkretisieren auffordern. („Wissen Sie ein Beispiel?“)
-
Körpersprache beachten! Die Gestik und Mimik sagt viel über den inneren Zustand und die Gefühle aus (Verschränkte Armhaltung, mit den Fingern spielen, Stirnfalten etc.). Diese Signale kann der Arzt aufgreifen und vorsichtig nach den Gründen fragen.
Weitere Techniken zur Förderung von Kommunikation:
-
Wenn Patient spricht, nicht unterbrechen
-
Einfache Gesten oder Phrasen nutzen (Nicken, Lächeln, „Was noch/weiter?“ sagen).
-
Echo-Antworten: Ein Wort oder Satz des Patienten wiederholen, um die Aufmerksamkeit unaufdringlich auf das zu richten, was einem noch unklar ist, ohne aber zu unterbrechen.
-
Umgang mit Gefühlsäußerungen:
– Anerkennung vermitteln („Damit sind Sie bemerkenswert umgegangen.“)
– Auf die Gefühle eingehen und sie benennen („Das macht Sie traurig.“)
– Bestätigen, dass Gefühle in dieser Situation gerechtfertigt sind
– Unterstützung anbieten („Wir finden sicher einen gemeinsamen Weg.“)
Diese Techniken können bei der Kommunikation mit Patienten eine wichtige Hilfestellung sein, die Ärzte im Alltag bewusst einsetzen sollten.
Vermittlung schlechter Nachrichten
Als besonders schwierig empfinden Ärzte häufig die Mitteilung von schlechten Nachrichten. In der Onkologie kann das eine Krebsdiagnose, ein Rückfall oder ein Therapieversagen sein. Die Art und Weise, wie eine solche Nachricht übermittelt wird, spielt dabei eine wichtige Rolle. Die aus den USA stammende Kommunikationsstrategie SPIKES liefert hier konkrete Hilfestellungen.
“SPIKES”, 6-stufige Kommunikationsstrategie zur Diagnosemitteilung (Baile et al, Oncologist, 2000)
1. SETTING UP the interview
2. Find out the PATIENT’S PERCEPTION of the illness
3. Get an INVITATION to give information
4. Giving the patient KNOWLEDGE and information
5. Responding to patient EMOTIONS
6. Communicating a STRATEGY and SUMMARY
1. SETTING
Damit ein Gespräch von Anfang an positiv verlaufen kann, sollte der Arzt innerlich kurz das Gespräch und seine Aufgabe reflektieren. Daneben sollte er bestimmte Vorbereitungen treffen und Verhaltensweisen beachten wie:
-
Räumliche Situation: Gespräch sitzend führen, gleiche Augenhöhe, keine Barrieren auf Tisch, gute Gesprächsposition: über Tischecke
-
Freundliche Begrüßung, mit Namen anreden, Patienten „abholen“ („Wie war die Fahrt?“)
-
Offene, dem Patienten zugewandte Körperhaltung; Augenkontakt halten
-
Störungen vermeiden, private Atmosphäre schaffen
2. PATIENT’S PERCEPTION
Bevor der Arzt in die medizinischen Informationen geht, sollte er die Sicht des Patienten kennen lernen. Wie nimmt der Patient die Situation, seinen Zustand und die Ernsthaftigkeit der Erkrankung wahr? Was befürchtet oder erahnt er, was weiß er? Hierfür kann er Techniken zur Förderung von Kommunikation einsetzen, z.B. offene Fragen, aktives Zuhören, Wiederholung des Gesagten/Spiegeln („Habe ich richtig verstanden, dass sie glauben…?“). Er sollte auch das Verständnislevel und Vokabular des Patienten beachten und versuchen, dieselbe Sprache zu sprechen.
3. INVITATION
Bevor er die medizinischen Informationen mitteilt, sollte der Arzt herausfinden, was der Patient genau wissen will: alle Details, eine Prognose oder direkt die Behandlungsmöglichkeiten. („Wollen Sie lieber sehr detaillierte Infos oder…?”) Die Aufforderung des Patienten sollte er abwarten, bevor er Neuigkeiten mitteilt. Denn der Patient hat auch das Recht, nicht alles genau wissen zu wollen bzw. erst zu einem späteren Zeitpunkt, wenn er zu einer Aufnahme eher bereit ist.
4. KNOWLEDGE
Nach der Ankündigung, dass gleich wichtigen Informationen kommen („Ich fürchte, ich habe Ihnen eine ernste Mitteilung zu machen“) teilt der Arzt die medizinischen Informationen mit:
-
Informationen in kleinen Brocken geben, sich der Diagnose annähern.
-
Möglichst keine medizinischen Fachausdrücke nutzen, einfach und verständlich formulieren, Patient bei seinem Wissenstand abholen.
-
Aufnahme der Informationen kontrollieren, sicher gehen, dass der Patient versteht.
-
Reaktionen des Patienten beachten und sofort darauf reagieren.
5. EMOTIONS
Ganz wichtig ist es, die Gefühle des Patienten einzubeziehen. Nur wenn Emotionen ihren Raum haben, kann eine emotionale Stabilität zurück gewonnen werden. Und nur dann können Informationen wirklich aufgenommen werden.
-
Zuerst Gefühle identifizieren („Wollen Sie mir sagen, was Sie gerade denken und fühlen?“)
-
Danach Gründe und Wurzeln der Gefühle herausfinden
-
Dann zeigen, dass man den Zusammenhang verstanden hat und die Gefühle anerkennen und legitimieren. („Das muss schrecklich gewesen sein.“)
-
Bei unklaren emotionalen Reaktionen so lange offene Fragen stellen, bis man Klarheit hat. („Wie haben Sie sich genau dabei gefühlt…?“)
Eine wesentliche Voraussetzung für den Umgang mit Gefühlen ist ein empathisches, einfühlendes Verhalten. Empathie bedeutet, sich in den Patienten hineinzuversetzen und sein Denken, seine Gefühle, Interessen und Bedürfnisse ernsthaft wahrnehmen zu wollen. Dieses Gefühl des Verstandenwerdens ist für den Patienten und die ganze Arzt-Patienten-Beziehung entscheidend. Der Arzt wird als wirkliche Unterstützung empfunden.
6. STRATEGY and SUMMARY
Bevor der Arzt nun eine Behandlungsstrategie vorschlägt, sollte er einen kurzen Moment innehalten und seine eigenen Vorstellungen mit den Informationen abgleichen, die er im Laufe des Gesprächs gesammelt hat:
-
Was ist medizinisch möglich und aus meiner Sicht am besten?
-
Welche Sichtweisen oder Erwartungen hat der Patient wohl in Bezug auf seinen Zustand, die mögliche Therapie und das Ergebnis?
Anschließend schlägt er eine Strategie vor. Dabei sollte er die Reaktionen des Patienten beachten und beurteilen (Wo befindet er sich gedanklich? Ist er sehr unsicher oder relativ klar und entschieden?) und eventuell auftretende Barrieren erkennen und klären. Wenn nötig, kann der Arzt auch Behandlungsoptionen aufzeigen. Am Ende sollte der Behandlungsplan gemeinsam festgelegt werden. Der Patient versichert sein Einverständnis.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass eine gelungene Kommunikation zwischen Arzt und Patient nicht nur zu einer höheren Patientenzufriedenheit, sondern auch zu fassbar nützlichen Effekten im klinischen Alltag führen kann. Zahlreiche internationale Studien belegen, dass die intensive Kommunikation zwischen Arzt und Patient für den Heilerfolg entscheidend sein kann und somit die Prognose von Patienten eindeutig verbessert. Denn Patienten, die ihr Behandlungskonzept verstehen und sich selbst verstanden fühlen, arbeiten aktiv mit und denken positiver.
Weitere Ausführungen zu diesem Thema finden Sie im Arzt-Informationsfilm „Pankreaskarzinom. Erkennen – Begreifen – Behandeln“, der ein inszeniertes Kommunikationstraining beinhaltet, sowie in der Begleitbroschüre.
Quelle: Pressekonferenz der Firma Roche Pharma zum Thema „Diagnose Pankreaskarzinom. Kommunikation als besondere Herausforderung“ am 07.10.2008 in Köln (art tempi communications).