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Barmer GEK Arzneimittelreport 2012
Psychopharmaka sind "Frauenarzneimittel"
Berlin (26. Juni 2012) – Warum gibt es so große Geschlechterunterschiede in der Arzneimittelversorgung? Frauen bekommen etwa zwei- bis dreimal mehr Psychopharmaka als Männer. Erklären Rollenklischees oder häufigere Migräneattacken die hohe Verordnungsrate? Mit diesen Fragen setzt sich der Barmer GEK Arzneimittelreport 2012 auseinander, der heute in Berlin vorgestellt wurde. Das Fazit: Solche geschlechtsspezifischen Differenzen sind medizinisch kaum begründbar, widersprechen den Leitlinien und bergen ein hohes Abhängigkeitsrisiko. Daher sei es nötig, die spezifischen Bedürfnisse von Frauen und Männern mit wissenschaftlichen Studien besser zu erforschen und die Erkenntnisse daraus schnell in den Versorgungsalltag einzubringen.
Neben einer intensiveren Versorgungsforschung hat Studienautor Professor Dr. Gerd Glaeske vom Zentrum für Sozialpolitik der Universität Bremen eine weitere Forderung: "Wir brauchen eine Negativliste, welche Ärzte verlässlich über Wirkstoffe informiert, die bei Frauen gefährliche Effekte auslösen können." Vorbild für eine solche Übersicht könne die Priscus-Liste sein, die über gefährliche Wirkstoffe bei älteren Patienten informiert.
Frauen: Mehr Medikamente, aber preisgünstiger
Frauen, so der Report, bekommen mehr Arzneimittel verordnet: Auf 100 Frauen entfielen durchschnittlich 937 Verordnungen im Jahr. Damit liegen sie 22,3 Prozent über den Männern, die je 100 auf 763 Verordnungen kamen (Durchschnitt: 864). Bei den Arzneimittelkosten liegen die Geschlechter näher beieinander: Auf 100 Männer entfielen im letzten Jahr 41.100 Euro, auf 100 Frauen 44.900 Euro (+9,3 Prozent).
Gegenüber früheren Jahren fällt auf, dass die Verordnungsmengen nicht mehr grundsätzlich bei Frauen höher sind. So liegen Männer im höheren Alter bei den Tagesdosierungen mittlerweile deutlich vorne. 2011 bekamen sie durchschnittlich 486 Dosierungen, Frauen 540. Noch vor zehn Jahren fiel dieses Verhältnis deutlicher zu Lasten der Frauen aus: 441 Tagesdosierungen gegenüber 295 bei Männern. Glaeske erklärt: "Seit 2004 dürfen nicht-rezeptpflichtige Arzneimittel wie Venenmittel oder pflanzliche Mittel gegen Zyklusstörungen nicht mehr verordnet werden. Außerdem wirkt sich der Rückgang von verordneten Hormonpräparaten gegen Wechseljahresbeschwerden aus. Früher bekamen 30 bis 40 Prozent der über 45-jährigen Frauen solche Präparate dauerhaft!"
AMNOG nicht aufweichen
Insgesamt gab die Barmer GEK rund 3,9 Milliarden Euro für Arzneimittel aus. Hinzu kommen noch rund 400 Millionen Euro für Rezepturen und importierte Arzneimittel. Neue, teure Spezialpräparate gegen Rheuma, Multiple Sklerose oder Krebs machen knapp drei Prozent der Verordnungen, aber rund 32 Prozent der Kosten aus (knapp 1,3 Mrd. Euro). Knapp 2,1 Milliarden Euro bzw. rund 52 Prozent der Ausgaben entfallen auf patentgeschützte Arzneimittel. Der Ausgabenanteil patentfreier Altoriginale liegt mit rund 550 Millionen Euro bei 13,9 Prozent, der von Nachahmerprodukten mit rund 1,4 Milliarden bei 34,1 Prozent.
Dr. Rolf Ulrich Schlenker, stellvertretender Vorstandsvorsitzender der Barmer GEK, hebt die gebremste Ausgabendynamik im Arzneimittelmarkt 2011 hervor und ergänzt: "Das Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz AMNOG ist wahrscheinlich das beste Gesundheitsgesetz der schwarz-gelben Regierung in dieser Legislatur! Die Nutzenbewertung trennt die Spreu vom Weizen." Allerdings dürfe das Gesetz jetzt nicht wieder aufgeweicht werden. Die frühe Nutzenbewertung sowie direkte Preisverhandlungen für neue Arzneimittel müssten entschlossen verteidigt werden. "Die Kassen haben das größte Interesse, dass neue Medikamente mit einem wirklichen Mehrwert für Patienten rasch in die Regelversorgung gelangen."
Weitere Ergebnisse aus dem Barmer GEK Arzneimittelreport 2012:
- Zahnärzte verschreiben vorzugsweise das Antibiotikum Clindamycin – obwohl Leitlinien Amoxicillin als Mittel der ersten Wahl empfehlen und Clindamycin mehr als doppelt so teuer ist. So entfallen in der zahnärztlichen Versorgung mehr als die Hälfte aller Antibiotikaverordnungen auf dieses Präparat.
- Auch die zahnärztliche Schmerzmittelverordnung muss teilweise hinterfragt werden: Warum bevorzugen Zahnärzte Analgetika, die ASS, Paracetamol und Codein bzw. Coffein kombinieren? Glaeske: "Monopräparate wie Ibuprofen sind ohne Zweifel vorzuziehen."
- Der Nutzen einer medikamentösen lipidsenkenden Therapie in der Primärprävention, also vor einem Herzinfarkt oder einer Manifestation der koronaren Herzerkrankung KHK ist nicht abschließend geklärt. Glaeske: "Es werden deutlich zu viele Menschen mit Cholesterinsenkern behandelt." Ebenso ärgerlich sei, dass davon wiederum viele Patienten Ezetimibhaltige Arzneimittel wie das Präparat Inegy erhalten, dessen Nutzennachweis weiterhin aussteht. Glaeske: "Mit Simvastatin gibt es eine bewährte Alternative, die nur ein Drittel kostet."
- Drei Prozent bzw. 120 Millionen Euro der Barmer GEK Arzneimittelausgaben entfallen auf starke Opioide. Einen Großteil geht auf Fentanyl-Verordnungen zurück (41 Prozent). Auffällig ist die massive Verordnung von Fentanylhaltigen Schmerzpflastern in der Erstversorgung – entgegen den Leitlinien, die zu Beginn einer Therapie starke Schmerzmittel wie Morphin oder Oxycodon empfehlen und Fentanylpflaster erst, wenn Patienten nicht mehr darauf ansprechen. Durch die versetzt eintretende Wirkung und eine auch nach Entfernen des Pflasters bestehende Wirkstoffkonzentration ist die Gefahr der Überdosierung gegeben und der Einsatz bei Patienten kritisch, die bis dahin keine Erfahrung mit Opioiden hatten.
- Auch fällt die häufige Verordnung von neuen starken und teuren Schmerzmitteln wie Targin und Palexia auf, obwohl die Studienlage für diese Mittel bisher keine Evidenz zeigt. Daher benötige man weitere Untersuchungen, um den Stellenwert dieser Mittel besser einzuschätzen. Gleichzeitig sei es dringend erforderlich, die Therapie besser auf das Schmerz-Stufenschema der WHO auszurichten.
Download
- Arzneimittelreport 2012: Arzneimittelreport_2012.pdf ( 4.91 MB )
Quelle: Barmer GEK, 26.06.2012 (tB).