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Transkutane Bilirubinbestimmung (TcB) mit dem Dräger Jaundice Meter 105. Photo: DrägerwerkBilirubinbestimmung bei Neugeborenen

Messen ohne Piksen

 

Düsseldorf (21. November 2013) – Circa 60 Prozent aller neugeborenen Babys entwickeln in den ersten Lebensstunden eine mehr oder weniger sichtbare Gelbfärbung.(1) Die sogenannte Neugeborenengelbsucht oder Ikterus stellt oft nur ein geringes Risiko dar und kann innerhalb weniger Tage allein abklingen.(2) Wenn es aber dem kleinen Körper nicht gelingt, das überschüssige Bilirubin (lat. bilis = Galle und ruber = rot), ein Pigment, das für die gelbe Färbung verantwortlich ist, im Blut abzubauen, ist Vorsicht geboten. Steigt die Konzentration des Gallenfarbstoffs zu sehr an, kann sich das Bilirubin in den Nervenzellen des Gehirns ablagern und dort das Gewebe schädigen. Ein Kernikterus entsteht, der das Neugeborene langfristig irreversibel schädigen kann durch Bewegungsstörungen, Sprachbeeinträchtigungen oder Hörverlust.(3)

  

Krankenhäuser in Deutschland behandelten 2011 circa 18.000 Babys mit Neugeborenenikterus* stationär, darunter rund 2.300 Frühchen. (4/5) Eine häufig angewandte Methode, überschüssiges Bilirubin im Blut abzubauen, ist die Phototherapie mit einer Phototherapielampe. Ihr bläulich scheinendes Licht dringt in die Haut des Babys ein und wandelt den Farbstoff in eine Form um, die leicht vom Körper ausgeschieden werden kann.(6)

 

 

Wenn die Leber (noch) nicht arbeitet

 

Nach der Geburt läuft die Produktion neuer roter Blutkörperchen auf Hochtouren. Gleichzeitig baut der Körper des Neugeborenen alte Blutkörperchen  ab. Hierbei entsteht Bilirubin. In der Leber wird es durch Enzyme wasserlöslich und kann mit der Galle in den Darm gelangen und von dort ausgeschieden werden. Bei einer Neugeborenengelbsucht, die um den 3. bis 6. Lebenstag nach der Geburt auftritt, ist zuviel Bilirubin im Körper beziehungsweise seine Aufnahme in die Leber ist gestört.(7/8) Dies kann daran liegen, dass das Organ nach der Geburt noch nicht voll aktiv ist.(9) Frühgeborene sind besonders gefährdet, eine Gelbsucht  zu entwickeln, da ihre Leber meist noch sehr unreif ist. Bei ihnen färbt sich die Haut früher gelb, der Neugeborenenikterus ist deutlich ausgeprägter und der Zustand dauert länger an.(10)

 

 

Erfahrung ist gut – Kontrolle ist besser

 

Das Gelbsucht-Screening gehört zu den Routinetätigkeiten auf einer Neu- oder Frühgeborenenstation. Durch Betrachten und Berühren der Haut kann der Arzt oder die Pflegekraft eine Gelbsucht oberflächlich diagnostizieren. Gewissheit über die Intensität des Neugeborenenikterus geben aber erst weitere Tests. Zum Beispiel ein Serumbilirubin-Test, bei dem Blut aus der Ferse des Babys entnommen und anschließend innerhalb einer Stunde oder länger im Krankenhauslabor untersucht wird.(11) Laut einer AWMF (Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften)-Leitlinie sollte ein auf Blutentnahme basierender Gesamt-Serum-Bilirubin Test (Total Serum Bilirubin = TSB) Grundlage für die Therapieentscheidung des Arztes sein.(12)

 

Als nicht-invasive Screening-Methode hat sich die transkutane Bilirubinbestimmung (TcB) in Kliniken etabliert(13). Sie hat unter anderem die Vorteile, dass sie beliebig oft wiederholt werden kann, in kurzer Zeit Resultate liefert und dem Baby keine Schmerzen zufügt. Beim Messen mit dem Dräger Ikterus Messgerät (Jaundice Meter) JM-105 wird die flache, wieder verwendbare Sensorspitze leicht auf die Haut an der zu messenden Körperstelle (Sternum oder Stirn) gedrückt. Der kleine Touchscreen des Messgeräts zeigt den ermittelten Wert sofort in mg/dl (Milligram pro Deziliter) oder alternativ µmol/l (Mikromol pro Liter) an. Das Gerät misst bis zu einer Bilirubinkonzentration von 20 mg/dl, beziehungsweise verweist bei höheren Werten an den Arzt. Dieser Wert kann als kritisch bei reifen Neugeborenen angesehen werden, während bei einem Frühgeborenen bereits die Hälfte dieser Konzentration sofortiges Handeln erfordert.(14)

 

 

Eine Chance für weniger Stress bei Frühgeborenen

 

In einer Studie, in der die Bilirubinkonzentration von Frühchen (24. – 34. Woche) sowohl mittels TSB als auch mit Hilfe von TcB gemessen und die Ergebnisse verglichen wurden, ergaben sich weite Übereinstimmungen beider Verfahren. Die Autoren der Studie sahen TcB-Messungen am klinischen Arbeitsplatz als sehr nützlich an, um eine Hyperbilirbuinämie feststellen zu können.(15)  Insbesondere bei sehr frühen Frühgeborenen, die ab der 24. Woche geboren werden, ist die Entwicklung der Organe und des Nervensystems noch lange nicht abgeschlossen. Diese Kinder brauchen besonders ein schützendes Umfeld ohne starke Reize wie Licht, Geräusche oder äußere Eingriffe.

 

 

Frühchen: Schmerzhafte Untersuchungen hinterlassen Spuren

 

Im Rahmen eines 2005 veranstalteten Fachworkshops zusammen mit dem Bundesverband „Das frühgeborene Kind“ e.V. nahmen Neonatologieexperten die Gehirnentwicklung bei Frühchen genauer unter die Lupe. Ein Fachbeitrag betonte die starken Veränderungen in diesem Teil des Zentralnervensystems ab der 24. Schwangerschaftswoche. Die bis dahin glatte Struktur entwickle in dieser Zeit ihr charakteristisches Aussehen mit Falten und Furchen. Das Gehirn bilde eine Vielzahl neuer Synapsen, während andere bereits entstandene Nervenzellen nicht mehr benötigt und großflächig wieder abgebaut werden müssten. Diese Phase präge die Plastizität des Neugeborenengehirns und sei das wohl empfindlichste Stadium im Aufbau des Zentralnervensystems.(16) Tierexperimentell und verhaltenspsychologisch gewonnene Forschungsergebnisse legten nahe, dass die Entwicklung des Gehirns durch die Art und Stärke äußerer Reize mitgestaltet werde. So könnten Stimuli von außen bestimmen, welche Nervenzellen synaptisch verbunden und welche absterben würden. Um Störungen mit möglichen Spätfolgen auszuschließen, sollten die Kinder daher während intensivmedizinischer Behandlungen möglichst vor Lärm-, Licht- und Schmerzreizen geschützt werden.(17)  Ein weiterer Workshop-Beitrag unterstützte diese Forderung mit der noch nicht ausreichend vorhandenen Schmerzabwehr des zentralen Nervensystems, vor allem bei frühen Neonaten. Schmerzhafte Erfahrungen in dieser Frühphase könnten mit einem verstärkten Schmerzempfinden bei späteren Impfungen als auch der Neigung zu organischen Beschwerden und ADHS (Aufmerksamkeits-Defizit-Hyperaktivitäts-Syndrom) in Zusammenhang stehen.(18)

 

Weitere Untersuchungen bestätigen die in dem Expertenworkshop vorgestellten Erkenntnisse und fordern unter anderem die Vermeidung schmerzhafter Untersuchungen wie Blutabnahmen („heel prics“) vor allem bei sehr kleinen Frühchen.(19/20)

 

 

Weniger Aufwand für die Intensivpflegekraft

 

Nicht-invasive Bilirubinmessungen brachten in der Vergangenheit trotz der vergleichsweise einfachen Messung einen nicht unerheblichen Verwaltungsaufwand mit sich. Die gemessenen Werte mussten häufig noch in Listen übertragen werden. Mit dem JM-105 können Daten bis zu einer Speicherkapazität von 100 Babys erhoben und wenn gewünscht als Patientenhistorie im Gerät abgespeichert werden. Zusätzlich lassen sich die Werte über eine USB-Datenschnittstelle in der Docking-Station des Jaundice Meter ins klinikeigene Patientendatenmanagement übertragen. Schreibfehler, die beim händischen Übertragen entstehen können, lassen sich so ausschließen.

 

Neben Einzelmessungen kann die Bilirubinkonzentration eines kleinen Patienten auch mehrfach erhoben und aus zwei bis fünf Werten ein Mittelwert ermittelt werden. Nach jedem Patienteneinsatz muss der Messfühler des Geräts mit Alkohol desinfiziert werden, um für das nächste Baby wieder einsatzbereit zu sein. Eine weitere Besonderheit des JM-105 von Dräger ist die Möglichkeit, Babys zu „markieren“. Stellt die Intensivpflegekraft einen auffälligen Bilirubinwert fest, kann sie beim gemessenen Wert ihres in das Gerät eingegebenen Patienten ein kleines Ausrufezeichen setzen. Später kann beispielsweise für alle so markierten Datensätze eine erneute Kontrollmessung angesetzt werden. Der Arzt erhält eine bessere Übersicht, welche Babys einem hohen Risiko ausgesetzt sind.

 

Das JM-105 wird hergestellt für die Dräger Medical Systems, Inc. mit Sitz in Telford, USA.

 

 

 

Abbildungen

 

 

 

Abb. 1: Eine Phototherapielampe (hier über einem Inkubator) reduziert überschüssiges Bilirubin. Photo: Drägerwerk 

 

 

Abb. 2: Transkutane Bilirubinbestimmung (TcB) mit dem Dräger Jaundice Meter 105. Photo: Drägerwerk 

 

Abb. 2: Transkutane Bilirubinbestimmung (TcB) mit dem Dräger Jaundice Meter 105. Photo: Drägerwerk

 

—– 

 

 

Anmerkungen

 

  • * ICD-10 P58 / P59: Neugeborenenikterus durch sonstige gesteigerte Hämolyse / Neugeborenenikterus durch sonstige nicht näher bezeichnete Ursachen (u.a. in Verbindung mit vorzeitiger Geburt) 

 

  1. Pharmazeutische Zeitung online: Heyn G.: Komplikationen nach der Entlassung, 05/2005 (http://www.pharmazeutische-zeitung.de/index.php?id=480)
  2. Baby und Familie (Gesundheit/Krankheiten/Kinder/Neugeborenengelbsucht): http://www.baby-und-familie.de/Neugeborenengelbsucht/Neugeborenengelbsucht-Therapie-28064_5.html; http://www.kinderarzt.at/de/lexikon/subject/neugeborenengelbsucht
  3. AOK Gesundheitsnavigator – Gute Informationen zur Gesundheit/Kernikterus: http://www.aok.de/bundesweit/91267.php?id=7166
  4. Statistisches Bundesamt, Gesundheitsberichterstattung des Bundes/Diagnosen Diagnosedaten der Krankenhäuser Deutschland Tabelle, http://www.gbe-bund.de/gbe10/i?i=550D
  5. Drägerwerk AG & Co. KGaA: Wissenswertes über Gelbsucht von Neugeborenen, 2010, S.7
  6. www.baby-und-familie.de/neugeborenengelbsucht;  
    Drägerwerk AG & Co. KGaA: Wissenswertes über Gelbsucht von Neugeborenen, 2010, S.2
  7. Medizinische Hochschule Hannover, Zentrum Kinderheilkunde und Jugendmedizin (Klinik für Pädiatrische Pneumologie, Allergologie und Neonatologie), Ausgewählte Krankheitsbilder: http://www.mh-hannover.de/16711.html
  8. Drägerwerk AG & Co. KGaA: Wissenswertes über Gelbsucht von Neugeborenen, 2010, S.4
  9. AWMF: Leitlinie der Gesellschaft für Neonatologie und Pädiatrische Intensivmedizin, AWMF-Leitlinien-Register, Nr. 024/007, S.2
  10. AWMF: Leitlinie der Gesellschaft für Neonatologie und Pädiatrische Intensivmedizin, AWMF-Leitlinien-Register, Nr. 024/007, S.1f
  11. Schmidt ET, et. al: Evaluation of transcutaneous bilirubinometry in preterm neonates, Journal of Perinatology (2009) 29, 564-569
  12. Huppertz C., Schott C, Linderkamp O.: Können Umgebungsfaktoren die neurologische Entwicklung eines frühgeborenen Kindes beeinflussen?, in: Bundesverband “Das frühgeborene Kind” e.V. (Hrsg.): Informationsbroschüre „Neue Wege gehen“, 03/2005, S.16.
  13. Huppertz C., Schott C, Linderkamp O.: Können Umgebungsfaktoren die neurologische Entwicklung eines frühgeborenen Kindes beeinflussen?, in: Bundesverband “Das frühgeborene Kind” e.V. (Hrsg.): Informationsbroschüre „Neue Wege gehen“, 03/2005, S.18
  14. Hünseler C.: Schmerzen bei Frühgeborenen, in: Bundesverband “Das frühgeborene Kind” e.V. (Hrsg.): Informationsbroschüre „Neue Wege gehen“, 03/2005, S.29f
  15. Page G.G.: Are There Long-Term Consequences of Pain in Newborn or Very Young Infants?, The Journal of Perinatal Education, 2004, Vol.13, No.3, p.15
  16. Lucas-Thompson R. et al.: Developmental Changes in the Response of Preterm Infants to a Painful Stressor, Infant Behav. Dev. 2008 December; 31(4):614-623., p.10 


 

Quelle: Drägerwerk AG & Co. KgaA, 21.11.2013 (tB).

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