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Bleihaltige Munitionsreste in geschossenem Wild

BfR empfiehlt Kindern, Schwangeren und Frauen mit Kinderwunsch auf den Verzehr von mit Bleimunition erlegtem Wild zu verzichten

 

Berlin (19. September 2011) – Wildschwein, Reh und Hirsch gehören neben Innereien von Nutztieren, Meeresfrüchten und Gewürzen zu den am höchsten mit Blei belasteten Lebensmitteln. Ursache dafür ist überwiegend die üblicherweise bei der Jagd verwendete Bleimunition. Das Schwermetall ist giftig und reichert sich im Organismus an. Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) hat aufgrund von neuen Daten das zusätzliche Gesundheitsrisiko durch den Verzehr von mit Bleimunition geschossenem Wild neu bewertet. Das Ergebnis: Wildfleisch kann durch bleihaltige Munitionsreste stark belastet sein.

 

Da die Bleiaufnahme über andere Lebensmittel in Deutschland schon relativ hoch ist, reicht der regelmäßige Verzehr von mit Bleimunition geschossenem Wildbret aus, die Gesundheit von Verbraucherinnen und Verbrauchern zu gefährden. „Ein erhöhtes Risiko besteht bei Verbrauchergruppen, die wöchentlich Wild verzehren, insbesondere in Jägerhaushalten“, sagt BfR-Präsident Professor Dr. Dr. Andreas Hensel. „Besonders gefährdet sind Ungeborene und Kinder bis sieben Jahre, bei denen bereits eine geringe Bleiaufnahme zu Gesundheitsschäden führen kann.“ Deshalb sollten kleine Kinder, Schwangere und Frauen mit Kinderwunsch möglichst kein mit Bleimunition erlegtes Wild essen. Für die Mehrzahl der Verbraucherinnen und Verbraucher, die Wild nur gelegentlich und in geringen Mengen verzehren, wird das Risiko einer Gesundheitsgefährdung durch Blei in Wildbret als vernachlässigbar eingeschätzt.

Die bei der Jagd zumeist verwendeten Bleischrote und bleihaltigen Jagdgeschosse hinterlassen im Wildbret Bleifragmente. Die Geschosse verformen oder zerlegen sich beim Aufprall, Bleipartikel und feinste Bleisplitter lösen sich und dringen tief in das Fleisch ein. Sie sind dort kaum zu erkennen. Das BfR hat seine Risikobewertung zu Blei in mit Bleimunition geschossenem Wild auf der Grundlage neuer Daten zu Blei in Lebensmitteln und eines neuen Bewertungsansatzes der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) vorgenommen. Sie trägt den neuen Daten und Forschungsergebnissen Rechnung, wonach die Bleiaufnahme über die Grundnahrungsmittel Getreide, Obst und Gemüse bereits hoch ist. Da für Blei bislang keine Wirkungsschwelle und somit keine Dosis ohne Wirkung angegeben werden kann, sollte die Bleiaufnahme so gering wie möglich sein.

Erhöhte Bleikonzentrationen im menschlichen Körper können die Blutbildung, innere Organe sowie das zentrale Nervensystem schädigen. Blei lagert sich außerdem langfristig in den Knochen ab. Bei einer chronischen Bleiexposition reagieren bei Erwachsenen die Nieren am empfindlichsten, bei Kindern bis sieben Jahren das Nervensystem. Säuglinge und Kleinkinder sind besonders gefährdet. Eine erhöhte Bleibelastung kann bei ihnen zu irreversiblen Nervenschäden, zu Störungen der Hirnfunktionen und zur Beeinträchtigung der Intelligenz führen. Das gleiche gilt für Föten. Eine besonders sensible Phase in der Entwicklung des Ungeborenen ist die Ausbildung des Nervensystems. Sie kann bereits durch die einmalige Aufnahme von Lebensmitteln mit hohen Bleigehalten beeinträchtigt werden. Deshalb sollten Frauen mit Kinderwunsch so wenig Blei wie möglich aufnehmen. Denn während der Schwangerschaft ist der Fötus unter Umständen nicht nur der Menge an Blei ausgesetzt, die eine werdende Mutter insbesondere über Lebensmittel aufnimmt. Der in der Schwangerschaft erhöhte Knochenumsatz führt bei unzureichender Calciumzufuhr dazu, dass das gespeicherte Blei freigesetzt wird und so eine zusätzliche Belastung sowohl für den Fötus als auch für die Frau darstellt.

Durchschnittlich verzehren Verbraucherinnen und Verbraucher in Deutschland ca. zwei Gramm Wildbret pro Tag (1-2 Wildmahlzeiten pro Jahr). Die zusätzliche Bleiaufnahme über Wildfleisch ist bei diesen Mengen gegenüber der Aufnahme über Getränke, Getreide, Obst und Gemüse toxikologisch unbedeutend. Anders ist die Situation bei Wildliebhabern wie zum Beispiel Jägern und ihren Familien. Studien aus der Schweiz zeigen, dass in diesen Haushalten bis zu 90 Portionen Wildfleisch im Jahr verzehrt werden. Für Deutschland ist mit ähnlichem Verzehrsverhalten in Jägerhaushalten zu rechnen. Wird das Wildfleisch durch den Einsatz von bleihaltiger Munition gewonnen, erhöht sich die Bleiaufnahme in diesem Personenkreis erheblich. Hier ist deshalb mit einer Gefährdung der Gesundheit insbesondere bei Ungeborenen und Kindern unter sieben Jahren zu rechnen.

Eine hohe Bleikontamination von Wildfleisch durch die verwendete Munition sollte daher unbedingt vermieden werden. Das großzügige Entfernen des Fleischs um den Schusskanal reicht als Maßnahme nicht immer aus, um hohe Kontaminationen mit Blei zu vermeiden. Das BfR ist daher an der Forschung beteiligt, bei der ermittelt wird, welche Munition für die Gewinnung von Wildbret besonders geeignet ist. Langfristig ist anzustreben, für den menschlichen Verzehr bestimmtes Wildbret nur noch mit Munition zu gewinnen, die kein Blei in das Lebensmittel abgibt.


Über das BfR

Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) ist eine wissenschaftliche Einrichtung im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (BMELV). Es berät die Bundesregierung und die Bundesländer zu Fragen der Lebensmittel-, Chemikalien und Produktsicherheit. Das BfR betreibt eigene Forschung zu Themen, die in engem Zusammenhang mit seinen Bewertungsaufgaben stehen.

 

 


Quelle: Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR), 19.09.2011 (tB).

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