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Boceprevir: Für bestimmte Patienten Hinweis auf Zusatznutzen

 

Ein Teil der Patienten mit chronischer Hepatitis C könnte profitieren / Ausmaß des Zusatznutzens jedoch unklar

 

Berlin (1. Dezember 2011) – Zur Behandlung der chronischen Hepatitis-C-Infektion vom Genotyp 1 steht seit Mitte 2011 auch der Wirkstoff Boceprevir zur Verfügung. Das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) hat nun bei einer frühen Nutzenbewertung nach AMNOG überprüft, ob Boceprevir gegenüber der bisherigen Standardtherapie einen Zusatznutzen bietet. Demnach liefert das vom pharmazeutischen Unternehmer vorgelegte Dossier Hinweise auf einen Zusatznutzen für Patientinnen und Patienten, die noch keine Leberzirrhose haben. Allerdings lässt sich dessen Ausmaß nicht einstufen.

 

Für zwei weitere Indikationen, für Patienten mit Leberzirrhose und Patienten, bei denen eine frühere Behandlung überhaupt keine Wirkung hatte (Nullresponse zur vorgeschalteten IFN-basierten Therapie), legte der Hersteller keine beziehungsweise keine ausreichenden Daten vor, so dass der Zusatznutzen für diese Patienten nicht belegt ist.

 

 

Ergänzung zur bisherigen medikamentösen Standardtherapie

 

Hepatitis-C-Viren befallen die Leber und können dort eine Entzündung auslösen. Wird diese chronisch, kann sie zu einer Zirrhose führen, bei der die Leber zunehmend schlechter arbeitet. Zudem steigt das Risiko für Leberkrebs (hepatozelluläres Karzinom, HCC). Boceprevir (Handelsname Victrelis®, Hersteller MSD Sharp & Dohme) hemmt die Vermehrung der Hepatitis-C-Viren. Experten gehen davon aus, dass Behandlungen, nach denen im Blut dauerhaft keine Viren mehr nachweisbar sind (dauerhaftes virologisches Ansprechen, SVR), das Risiko für Folgeerkrankungen verringern.

 

Boceprevir wird ergänzend zu den bisher verfügbaren Wirkstoffen Peginterferon alfa und Ribavirin verabreicht. Gemäß Zulassung werden dabei einzelne Patientengruppen unterschiedlich lang behandelt, was bei der Bewertung entsprechend berücksichtigt wurde. Die Zweierkombination von Peginterferon alfa und Ribavirin ist der bisherige Therapiestandard, mit dem Boceprevir in der Dreierkombination mit diesen beiden Wirkstoffen verglichen werden sollte.

 

 

Verminderung von Folgeerkrankungen: Ausmaß ist nicht einzustufen

 

Für die beiden Indikationen der vorbehandelten (therapieerfahrenen) und nicht vorbehandelten (therapienaiven) Patientinnen und Patienten ohne Zirrhose standen Daten aus jeweils einer Zulassungsstudie zu Boceprevir zur Verfügung (SPRINT-2 und RESPOND-2). Welchen Einfluss der neue Wirkstoff auf Folgeerkrankungen wie etwa das Auftreten von Leberkrebs hat, lässt sich an anhand der vorliegenden Studien nicht direkt beurteilen. Das liegt auch daran, dass die Studien nicht lange genug dauerten, um solche patientenrelevanten Endpunkte zu erheben.

 

Was das "dauerhafte virologische Ansprechen" (SVR) betrifft, zeigt sich sowohl bei Therapieunerfahrenen als auch bei Therapieerfahrenen ohne Leberzirrhose ein deutlicher Vorteil für Boceprevir. Zwar ist SVR per se kein patientenrelevanter Endpunkt und daher nicht mit "Heilung der Erkrankung" gleichzusetzen. Und Studien, in denen SVR als Surrogatendpunkt nach den üblichen Kriterien des IQWiG abgesichert wurde, gibt es nicht. Dennoch akzeptiert das Institut im Kontext dieser Bewertung SVR als Ersatzkennzeichen für das verminderte Auftreten von Leberkrebs. Denn Patientinnen und Patienten, bei denen das Hepatitis-C-Virus nicht mehr nachweisbar ist, haben nach derzeitigem Stand des Wissens ein geringeres Risiko für Leberkrebs. Allerdings ist nicht geklärt, bei wie vielen Betroffenen Boceprevir tatsächlich Leberkrebs verhindern kann.

 

Das IQWiG sieht beim Endpunkt Folgeerkrankungen einen "Hinweis" auf einen Vorteil von Boceprevir. Die Anforderungen an einen Beleg sind nicht erfüllt, unter anderem deshalb, weil jeweils nur Daten aus einer einzelnen Studie mit vergleichsweise geringer Teilnehmerzahl vorliegen. Außerdem erlaubt die wissenschaftliche Datenlage keine abschließende Einschätzung, bei wie vielen Patienten tatsächlich ein Leberkrebs verhindert wird. Damit bleibt unklar, ob der Zusatznutzen als gering, beträchtlich oder erheblich einzustufen ist. Die entsprechende Rechtsverordnung sieht für diesen Fall "nicht quantifizierbar" als Bewertungskategorie vor.

 

 

Hinweis auf größeren Schaden bei Patienten ohne Vorbehandlung

 

Dem Hinweis auf einen höheren Nutzen steht ein Hinweis auf einen höheren Schaden gegenüber, allerdings nur bei den therapienaiven Patientinnen und Patienten: Bei ihnen führte die Behandlung mit Boceprevir häufiger zu einer Blutarmut (Anämie), die aber nur selten schwerwiegend war. Das Ausmaß dieses größeren Schadens stuft das IQWiG als "beträchtlich" ein. Bei der Gruppe der therapieerfahrenen Patienten trat Blutarmut bei Boceprevir dagegen nicht häufiger auf als bei einer Standardbehandlung.

 

 

Auswirkung auf Sterblichkeit läßt sich nicht beurteilen

 

Wie die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler feststellten, gibt es in den Zulassungsstudien weder für die therapieerfahrenen noch für die therapienaiven Patientinnen und Patienten Daten zur Lebensqualität. Was die Sterblichkeit betrifft, sind die Unterschiede zwischen den Behandlungsgruppen statistisch nicht signifikant, d.h. es lässt sich nicht beurteilen, wie sich Boceprevir auf die Sterblichkeit auswirkt.

 

Einen Überblick über die Ergebnisse der Nutzenbewertung des IQWiG gibt folgende Kurzfassung (PDF, 96 kB). Auf der vom IQWiG herausgegebenen Website gesundheitsinformation.de finden Sie zudem eine allgemeinverständliche Kurzinformation.

 

Auf der Website des G-BA sind sowohl allgemeine Informationen zur Nutzenbewertung nach §35a SGB V als auch zur Bewertung von Boceprevir zu finden.

 

 


Quelle: Das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG), 01.12.2011 (tB).

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