Borreliose: Mehr Erkrankungen als bislang bekannt

Labordiagnostik häufig von zweifelhafter Qualität

 

Hamburg (11. Juni 2012) – Lyme-Borreliose ist die häufigste, durch Zecken verursachte Infektionskrankheit. Dennoch gab es bisher nur grobe Schätzungen zu der Anzahl der betroffenen Patienten in Deutschland. Man ging von etwa 60.000 bis 100.000 Fällen pro Jahr aus. Eine aktuelle Analyse, die auf Daten der DAK-Gesundheit basiert, zeigt allerdings, dass die Anzahl deutlich höher ist: Jährlich kommt es hochgerechnet zu rund 214.000 Neuerkrankungen.

 

Die aktuelle Studie wurde von einer Arbeitsgruppe um den Infektionsepidemiologen und Labormediziner Prof. Dr. med. Klaus-Peter Hunfeld durchgeführt und basiert auf Abrechnungsdaten der DAK-Gesundheit. Es handelt sich um die erste wissenschaftlich publizierte Analyse von Krankenkassendaten zur Lyme-Borreliose in Deutschland. Demnach wurde im Jahr 2007 bei 14.799 Versicherten der DAK-Gesundheit erstmals eine Borreliose diagnostiziert, 2008 waren es 16.684. Die Angaben beruhen auf kodierten Diagnosen, die im Rahmen der Studie nicht näher überprüft werden konnten.


Optimierungsbedarf bei Labortests

Wesentlich größer als die Anzahl der Erkrankten ist mit 94.699 bzw. 112.150 Versicherten die Zahl derjenigen, bei denen im gleichen Zeitraum Blutuntersuchungen auf die so genannten Borrelien durchgeführt wurden. Bei der überwiegenden Mehrheit dieser Versicherten wurde keine Borreliose diagnostiziert. Die ungezielte Labordiagnostik ist besonders problematisch, weil Qualitätskontrollen verschiedener Labortests für die Borrelienantikörper-Diagnostik in Laborvergleichen teilweise erhebliche Mängel zeigten, so dass derartige Testergebnisse durchaus fehlerhaft sein können. „Hier sind dringend verbindliche Regelungen zur Verbesserung und Vereinheitlichung der Testqualität erforderlich!“ fordert Dr. Elke Scharnetzky, Expertin für Versorgungsforschung bei der DAK-Gesundheit. Hinzu kommt die Problematik, dass es für Borreliose derzeit keinen eindeutigen Labortest gibt, der es ohne zusätzliche klinische Information ermöglicht, zwischen einer behandlungsbedürftigen und einer zurückliegenden, abgeheilten Infektion zu unterscheiden. Auch der Erfolg einer Therapie lässt sich nicht anhand von Laborwerten überprüfen. Die Labordiagnostik sollte daher nur gezielt bei entsprechendem klinischen Verdacht zum Einsatz kommen.


Kinder und Senioren besonders gefährdet

Grundsätzlich besteht für alle Altersgruppen eine Infektionsgefahr. Es gibt jedoch zwei Altersgipfel: Am häufigsten erkranken Kinder im Kindergarten- und Grundschulalter sowie ältere Menschen zwischen dem 60. und 70. Lebensjahr. Ursache hierfür ist vermutlich das altersspezifische Freizeitverhalten mit vermehrten Aufenthalten in der Natur.


Allerdings kann Borreliose auch schon bei Kleinkindern ein Thema sein, wie eine im April 2012 veröffentlichte Studie des Robert Koch-Instituts zeigt: Bei etwa 1% der 1 bis 2 Jährigen sind Antikörper gegen Borrelien nachweisbar. Bis zum Alter von 14-17 Jahren steigt der Anteil auf rund 7% an. Dieser Anstieg ist dadurch bedingt, dass die Antikörper auch nach Abheilen der Infektion noch über Jahre im Blut nachweisbar sind.


Erwartungsgemäß waren bei der Untersuchung Antikörper bei Kindern aus ländlichen Wohnregionen häufiger nachweisbar. Überraschend war hingegen der Befund, dass Katzen, nicht aber Hunde, als Haustiere die Wahrscheinlichkeit für einen Kontakt mit Borrelien erhöhen. Nach Einschätzung des Robert Koch-Instituts können Zecken beim Streicheln und Schmusen von der Katze auf das Kind übertragen werden.


Keine Panik!

Auch wenn die Gefahr nicht außer Acht gelassen werden kann, rät die Expertin der DAK-Gesundheit, nicht in Panik zu verfallen: „Aufenthalte im Wald und auf Wiesen oder das Schmusen mit einer Katze sollte niemand aus Angst vor Zecken unterlassen“ beruhigt Dr. Elke Scharnetzky. „Die allermeisten Zeckenstiche bleiben folgenlos. Insbesondere wenn die Zecke innerhalb von 24 Stunden entfernt wird, kommt es nur sehr selten zu einer Borreliose-Erkrankung.“ Es ist daher nach einem Aufenthalt im Freien empfehlenswert, sich und vor allem Kinder vor dem Schlafengehen nach Zecken abzusuchen.


Sollte es einige Tage oder Wochen nach einem Zeckenstich zu einer Rötung und Entzündung der Haut um die Einstichstelle herum, die sogenannte ‚Wanderröte’, kommen oder gar grippeähnliche Symptome auftreten, dann ist allerdings eine medizinische Behandlung erforderlich. Wichtig ist es, in diesem Fall den Arzt über Zeckenstiche zu informieren. Kommt es zu einer Borreliose-Infektion, so ist diese mit Antibiotika gut und sicher behandelbar. „Resistenzen gegen Antibiotika, wie sie bei anderen Bakterien beobachtet werden, sind bei Borrelien nicht bekannt“ so Dr. Scharnetzky von der DAK-Gesundheit.

Weitere Informationen

Die Veröffentlichungen des Robert-Koch-Instituts, die aktuelle Studie von Prof. Dr. med. Klaus-Peter Hunfeld und Co-Autoren mit den Daten der DAK-Gesundheit sowie weitergehende Informationen zum Thema Zecken und Borreliose gibt es im Internet unter:

 

 


 

Quelle: DAK, 11.06.2012 (tB).

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