Buddhistische Christen und buddhistische Juden

„Immer mehr Menschen lassen sich von mehr als einer Religion inspirieren“

 

Münster (15. April 2015) – Immer mehr Menschen lassen sich nach Untersuchungen von Religionswissenschaftlern von mehreren Religionen inspirieren. „Waren die westlichen Gesellschaften in der Vergangenheit noch weitgehend monoreligiös, nehmen sie inzwischen zunehmend multireligiöse Gestalt an“, sagte der Religionswissenschaftler Prof. Dr. Perry Schmidt-Leukel vom Exzellenzcluster „Religion und Politik“ am Dienstagabend in Münster. Ein empirisch gut belegter Fall für multireligiöse Identitäten im Westen seien buddhistische Christen und buddhistische Juden, so der Forscher. „Als wichtiges Motiv für diese Doppelidentität lässt sich herausfiltern, dass der Buddhismus vielfältige Meditationsformen bewahrt hat, während dem westlichen Christentum seine eigene kontemplative und mystische Tradition in der Moderne weitgehend abhandengekommen ist.“

Multireligiöse Identitäten seien keine Seltenheit mehr, unterstrich der Forscher in der Ringvorlesung „Transfer zwischen Religionen“ des Exzellenzclusters und des Centrums für religionsbezogene Studien (CRS). Er verwies auch auf Erhebungen wie den Religionsmonitor der Bertelsmann Stiftung: „So stimmten 71 Prozent der Menschen in Indien, 32 Prozent in den USA und 22 Prozent in Deutschland dem Satz zu, dass sie auf Lehren verschiedener religiöser Traditionen zurückgreifen.“ Als Beispiel nannte er die Schriften des Dalai Lama, die für viele protestantische oder katholische Christen ebenso eine spirituelle Quelle seien wie die des Benediktinerpaters und Buchautors Anselm Grün. „Es gibt keineswegs nur eine fundamentalistische Abgrenzung gegenüber allen fremden religiösen Einflüssen, wie angesichts aktueller Religionskonflikte vermutet werden könnte, sondern auch die umgekehrte Entwicklung zur Herausbildung multireligiöser Identitäten“, sagte der Wissenschaftler. Im Vergleich zu früher stünden heute viel mehr Menschen die schriftlichen Quellen unterschiedlichster Religionen offen.

Genaue statistische Angaben zur religiösen Mehrfachzugehörigkeit lassen sich dem Forscher zufolge nicht machen, da viele Staaten bei der Erhebung von Bevölkerungsdaten – im Unterschied zu beispielsweise Japan – bei der Frage nach Religionszugehörigkeit nur eine Antwort zulassen oder nur enge Zugehörigkeitsformen als Kleriker oder Angestellter einer religiösen Institution erfassen.


„Durch den Buddhismus neue Wahrheiten erkannt“

Mit Blick auf buddhistische Christen und buddhistische Juden stellte der Forscher unterschiedliche Grade der Zugehörigkeit fest. „Neben einer Vielzahl an Christen und Juden, die sich unterschiedlich stark durch den Buddhismus beeinflussen lassen, gibt es die kleine Gruppe der Double Belonger, die ganz bewusst und gezielt eine buddhistische Doppelidentität leben“, so Prof. Schmidt-Leukel. Unter den buddhistischen Christen seien sogar Gläubige, die beiden Religionsgemeinschaften offiziell angehörten.

Als Beispiele nannte er Persönlichkeiten wie den sri-lankischen Jesuit Aloysius Pieris, die anglikanische Nonne Sister Ruth Furneaux, die US-Religionswissenschaftlerin Sally King, die sowohl Zen-Buddhistin als auch Mitglied der Quaker ist, sowie Zen-Buddhist und Jude Norman Fischer. Sie alle hätten persönlich oder teils institutionell zwei Religionen angenommen. Das Buch „Without Buddha I Could not be a Christian“ (Ohne Buddha könnte ich kein Christ sein) des katholischen Theologe Paul Knittler sei in den USA lange ein Bestseller gewesen.

Viele Christen, die sich auf den Buddhismus einließen, hätten die Erfahrung gemacht, „dass sie durch die buddhistischen Augen neue Wahrheiten erkannten und alte Wahrheiten in neuem Licht sahen“, so der Religionswissenschaftler. Das sei neben den Meditationsformen ein weiteres wichtiges Motiv für eine buddhistisch-christliche Doppelidentität. Den Menschen gehe es aber nicht um eine Fusion buddhistischer und christlicher Elemente, sondern um „deren spannungsvolle Integration“. Menschen, die mit mehr als einer Religion leben, gehen demnach davon aus, „dass sich existentiell wegweisende Wahrheit nicht nur in einer religiösen Tradition findet und dass sich die Einsichten und Erfahrungen der verschiedenen Religionen einander ergänzen, bereichern und korrigieren können, auch wenn dies keineswegs immer leicht ist.“


„Buddhistisches Judentum aus dem Holocaust verstehen“

Auch jüdische Theologen stellen dem Vortrag zufolge Bezüge zwischen Buddhismus und jüdischer Mystik her, so, wie christliche Theologen sich von der buddhistischen Meditation eine Wiederbelebung der mystischen Traditionen erhofften. Dabei könne das Verhältnis von Judentum und Buddhismus nur vor dem Hintergrund der „im Holocaust gipfelnden jüdischen Leidensgeschichte“ verstanden werden. „Für viele Juden bietet der Buddhismus mit seiner Fokussierung auf das Thema Leid eine echte Hilfe.“

Historisch gesehen, ist die Verbindung und Mischung unterschiedlicher religiöser Ideen und Praktiken Prof. Schmidt-Leukel zufolge nicht neu. Es gebe sogar gute Gründe für die Einschätzung, dass alle großen Religionen aus synkretistischen Prozessen, also der Verbindung verschiedener religiöser Einflüsse, hervorgegangen seien und sich im Laufe ihrer Geschichte dadurch weiterentwickelt hätten. „In der Moderne sieht es jedoch ganz danach aus, als ob die stark wachsende religiöse Pluralisierung aller Gesellschaften synkretistische Prozesse besonders befördert.“

Der Vortragstitel lautete „Warum nur mit einer Religion leben? Anmerkungen zum Phänomen multi-religiöser Identität“. Am Dienstag, 21. April, spricht Sinologe Prof. Dr. Joachim Gentz aus Edinburgh über „Das Große Dao ist ohne Form, ohne Wesen und ohne Namen“. Es geht um Transfer im regulierten Pluralismus Chinas. Der Vortrag beginnt um 18.15 Uhr im Hörsaal F2 des Fürstenberghauses am Domplatz 20-22.

Am Exzellenzcluster werden Transfer-Phänomene seit 2012 im Forschungsfeld „Integration“ untersucht. Prof. Schmidt-Leukel leitet am Exzellenzcluster das Projekt C2-16 „Interreligiöse Theologie“. Die Themen der neuen Ringvorlesung reichen vom christlich-muslimischen Dialog im Nahen Osten bis zur die christlichen Kabbala. Auf dem Programm stehen auch der Kulturaustausch zwischen Juden, Christen und Muslimen durch Buch und Bild im Mittelalter, der Reliquientransfer zwischen dem östlichen und dem westlichen Christentum und die Rezeption hinduistischer Konzepte im Westen und umgekehrt. (ska/vvm)

 

 


Quelle: Exzellenzcluster „Religion und Politik“ an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster, 15.04.2015 (tB).

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