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Bundesarbeitsgemeinschaft der Träger psychiatrischer Fachkrankenhäuser (BAG Psychiatrie)
Neue Richtlinie zur Personalausstattung in der Psychiatrie und Psychosomatik (PPP-RL) fördert Rückschritt statt Fortschritt
München (20. November 2019) — „Die aktuelle Personal-Richtlinie (PPP-RL) des GBA mit ihren Umsetzungsvorschriften ist ein erschreckender Rückschritt in eine institutionell geprägte Psychiatrie. Die Erkenntnisse aus den bundesweiten Modellprojekten, die für eine individuelle, bedarfsorientierte und flexible Behandlung von Menschen mit psychischen Erkrankungen sprechen, werden vollständig ignoriert. Das muss dringend korrigiert werden!“ (Dr. Margitta Borrmann-Hassenbach Vorsitzende und Martina Wenzel-Jankowski, Vorstand BAG Psychiatrie)
Die Herbsttagung der Bundesarbeitsgemeinschaft der Träger Psychiatrischer Krankenhäuser (BAG Psychiatrie) fand im Asklepios Fachklinikum Stadtroda (Thüringen) statt. Ein Schwerpunktthema war der am 22. Oktober vom GBA veröffentlichte Beschluss über die Richtlinie zur Personalausstattung in der Psychiatrie und Psychosomatik-(PPP-RL).
Vor dem Hintergrund des Gesetzes zur Weiterentwicklung der Versorgung und Vergütung für psychiatrische und psychosomatische Leistungen (Psych-VVG, Dezember 2016) hatte der Gesetzgeber den GBA aufgefordert, Mindestvorgaben für die Personalausstattung psychiatrischer und psychosomatischer Einrichtungen festzulegen, die zu einer leitliniengerechten Behandlung beitragen sollen. Fachgesellschaften und Berufsverbände hatten dagegen zeitgemäße Mindestvorgaben gefordert, die es erlauben, Mitarbeitende verschiedener Berufsgruppen flexibel, bedarfsorientiert und insbesondere möglichst unabhängig von der Struktur „Station“ einzusetzen. Die vorgelegte Richtlinie ist hierzu jedoch sehr enttäuschend.
Kleinteilig geregelte Mindestvorgaben versus erforderlichem Gesamtpersonal und Finanzierung: Der GBA hat klargestellt, dass die mit der PPP-RL festgelegten Personalmindestvorgaben im Rahmen der Qualitätssicherung (§136a SGB V) keinesfalls mit der Personalausstattung identisch sind, die für eine leitliniengerechte Behandlung erforderlich ist. Diese Gesamtpersonalausstattung muss krankenhausindividuell zusätzlich auf Ortsebene verhandelt werden. Die angemahnten rechtlichen Nachjustierungen in der Bundespflegesatzverordnung zur Finanzierung des Gesamtpersonals liegen nun vor. Ob die Krankenhäuser ihren Finanzierungsanspruch für das zur (leitliniengerechten) Behandlung erforderliche Gesamtpersonal durchsetzen können und dieses Fachpersonal auf dem Arbeitsmarkt finden, bleibt abzuwarten.
Das Hasardeur-Stück: „Die stationsbezogenen, monatlichen Nachweispflichten“
Nach zähem Ringen der Selbstverwaltungspartner müssen die Einrichtungen die Einhaltung der Mindestvorgaben „nur“ quartalsweise auf Einrichtungsebene erfüllen. Zusätzlich müssen jedoch ab 2020 in jeder Einrichtung monatliche und stationsbezogene Personalnachweise, Leistungserfassungsdaten des Personals und weitere Daten geliefert werden. Therapeutisches Personal, das in zentralen, stationsübergreifend organisierten Leistungsbereichen arbeitet, muss künftig einer, in dieser Art nicht mehr existierenden Stationsstruktur, Behandlungstagen und den unterschiedlich eingestuften Patientenbedarfsgruppen zugewiesen werden. Damit setzt die PPP-RL des GBA innovationsfeindliche, bürokratische Leitplanken zugunsten strukturkonservativer, stationärer psychiatrischer und psychosomatischer Versorgung.
Die Forderungen der BAG Psychiatrie
1. PPP-RL nicht überstrapazieren!
Durch die aktuell vom GBA als Erstfassung beschlossene Qualitäts-Richtlinie zur Mindestpersonalausstattung sollten die als besonders dringlich erkannten Bereiche personell bessergestellt werden als bisher. In einem mehrstufigen Prozess will der GBA die Vorgaben zum 01.01.2022 und dann zum 01.01.2024 überprüfen und weiterentwickeln.
Forderungen von Fach- und Berufsverbänden an den GBA, er möge über seinen qualitätssichernden Auftrag hinausgehende kleinstteilige verbindliche Personalvorgaben für das zur Behandlung erforderliche Gesamtpersonal machen, lehnt die BAG Psychiatrie entschieden ab. Eine moderne regionale psychiatrische Versorgungsgestaltung benötigt Flexibilität und Gestaltungsspielraum benötigt, die durch Überregulierung zum Erliegen kommen.
2. Rechtliche Grundlagen schaffen zur Überführung von innovativen Modellprojekten in die Regelversorgung
Die Modellprojekte gemäß §64b SGB V bieten psychiatrischen Einrichtungen die Möglichkeit, innovative Versorgungskonzepte zu etablieren. Flexiblere Behandlungsansätze werden erprobt, in denen der individuelle Patientenbedarf das erforderliche Setting bestimmt und nicht Klinikstrukturen bzw. Sektoren. Die Ergebnisse dieser Modellprojekte zeigen, dass flexible, stationsunabhängige und auf die individuellen Bedürfnisse der Patienten zugeschnittene Behandlungsangebote zu einer Entlastung vollstationärer Kapazitäten führen. Ohne die dringend erforderliche Rechtssicherheit ist die Zukunft der Modellprojekte jedoch ungewiss.
3. Keine Nachweispflicht für Kliniken, die ihre Behandlungsorganisation einschließlich der Personalplanung, umgestaltet haben
Das bundesdeutsche Netzwerk „Steuerung- und Anreizsysteme für eine moderne psychiatrische Versorgung“ zeigt in seinem Bericht , dass Krankenhäuser mit Modellprojekten zur Flexibilisierung der Behandlung primär die starren, stations- und sektorbezogenen Organisationsformen überwinden und die entsprechenden Personalplanungen am individuellen Patientenbedarf orientieren können, insbesondere auch Beziehungskontinuität herstellen können.
Das bedeutet aber mit Blick auf die vorliegende PPP-RL, dass Krankenhäuser, die ihre Organisationsstrukturen und Personaleinsatzplanungen z. B. an Modellprojekten nach §64b SGB V ausgerichtet haben, zukünftig ihr Personal und ihre Patienten monatlich virtuellen vollstationären, teilstationären und ambulanten Settings mit Vollkräftestunden zuordnen müssen. Das überfordert die Modellprojekt-Kliniken und hält weitere davon ab, sich an moderne und flexible Formen der Versorgung und Personalorganisation heranzuwagen.
4. Unverhältnismäßige Sanktionsmaßnahmen wie „Vergütungs- und Behandlungsausschluss“ auch für regionale Pflichtversorgungskliniken
Regionale psychiatrische Pflichtversorgungskliniken sind durch Landesgesetze oder kommunale Verordnungen zur psychiatrischen Versorgung der Bevölkerung einer bestimmten Region verpflichtet. Es ist regional nicht zu verantworten, wenn aufgrund einer bundesweiten kleinstteilig regulierten berufsgruppenbezogenen Mindestpersonalvorgabe auch die Pflichtversorgung von krankenhausbehandlungsbedürftigen Patienten ausgesetzt werden muss. Keine regionale psychiatrische Versorgung ist schlechter für die betroffenen Menschen und ihre Familien als eine nicht optimale Versorgung!
5. Kein weiterer Bürokratieaufbau
Die kleinteiligen stationsbezogenen Nachweisverfahren erhöhen völlig unverhältnismäßig den Dokumentations- und Bürokratieaufwand und damit nicht zuletzt auch wieder den Personalbedarf des Fachpersonals, das primär für die Behandlung von Patientinnen und Patienten gedacht war. Darüber hinaus müssen erhebliche IT-Aufrüstungen erfolgen, um den Datenhunger und Misstrauensaufwand beherrschbar zu machen.
BAG Psychiatrie: www.bag-psychiatrie.de
Die Bundesarbeitsgemeinschaft der Träger psychiatrischer Fachkrankenhäuser (BAG Psychiatrie) ist bundesweit der größte Zusammenschluss zur Vertretung der Träger von Akutversorgungskliniken für psychische, psychosomatische und neuropsychiatrische Erkrankungen. Die BAG Psychiatrie bildet das gesamte Trägerspektrum der Bundesrepublik Deutschland ab und vertritt kommunale, freigemeinnützige, kirchliche, private sowie staatliche Träger. Mit 60.000 Betten und tagesklinischen Plätzen ihrer Mitglieder repräsentiert die BAG Psychiatrie rund zwei Drittel der gesamten stationären und teilstationären klinischen Versorgungskapazitäten für psychische, psychosomatische und neuropsychiatrische Erkrankungen von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen.
Die BAG-Mitglieder betreiben Akutkliniken und Abteilungen für Menschen mit psychischen, psychosomatischen und neuropsychiatrischen Erkrankungen sowie Tageskliniken und Institutsambulanzen. Ferner werden neurologische Abteilungen sowie Abteilungen für forensische Psychiatrie, Rehabilitationseinrichtungen, Wohn- und Pflegeheime für seelisch behinderte Menschen und heilpädagogische Einrichtungen für Menschen mit geistiger Behinderung betrieben.
Die BAG Psychiatrie vertritt die Interessen ihrer Mitglieder, stimmt gemeinsame Strategien ab, entwickelt neue Versorgungskonzepte und Finanzierungsmodelle und pflegt den Erfahrungsaustausch. Die BAG Psychiatrie setzt sich dafür ein, die strukturellen und finanziellen Versorgungsbedingungen für die klinisch-stationäre, teilstationäre und komplex-ambulante Versorgung von Menschen mit psychischen, psychosomatischen und neuropsychiatrischen Erkrankungen zu verbessern und zu sichern. Sie treibt versorgungspolitisch die Beseitigung institutioneller Stigmatisierung von Menschen mit psychischen, psychosomatischen und neuropsychiatrischen Erkrankungen voran.
Quelle: Bundesarbeitsgemeinschaft der Träger psychiatrischer Fachkrankenhäuser (BAG Psychiatrie), 20.11.2019 (tB).