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Ceftolozan/Tazobactam
Neue Therapieoption bei schweren Infektionen, aber keine Belege für Überlegenheit

  • Neues Antibiotikum erweitert die Behandlungsoptionen bei schweren Infektionen und Resistenzen.
  • Es fehlen jedoch Nachweise für Vor- oder Nachteile im Vergleich zu anderen Antibiotika.
  • Aussagekräftige Vergleichsdaten fehlen
  • Resistenzsituation in Zulassungsstudien nicht ausreichend berücksichtigt

Köln (1. Juli 2020) — Die Kombination von Ceftolozan mit Tazobactam erweitert das Spektrum der Antibiotikatherapie bei Erwachsenen mit schweren Infektionen in Lunge, Harnwegen, Nierenbecken und Bauchhöhle. Angesichts der fortschreitenden Resistenzentwicklung bei Bakterien stellt diese Wirkstoffkombination damit eine wichtige zusätzliche Behandlungsoption dar.

In vier frühen Nutzenbewertungen hat das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) nun untersucht, ob Ceftolozan/Tazobactam bei schweren Infektionen in den verschiedenen Organen neben der Erweiterung der Behandlungsoptionen auch einen Zusatznutzen im Vergleich zu einer patientenindividuellen antibiotischen Therapie bietet, die die jeweilige Resistenzsituation berücksichtigt.

Das Ergebnis: Es fehlen aussagekräftige Studien für einen solchen Vergleich, insbesondere, weil die lokale und individuelle Resistenzsituation in den Zulassungsstudien nicht ausreichend berücksichtigt wurde. In der Gesamtschau zeigen sich auf Basis der vorliegenden Daten daher keine Belege für Vor- oder Nachteile von Ceftolozan/Tazobactam.


Zu enger Vergleich liefert keinen Anhaltspunkt für Zusatznutzen

Um Resistenzentwicklung zu vermeiden, sollten Antibiotika möglichst gezielt eingesetzt werden, also abhängig vom Erregerspektrum vor Ort und von der jeweiligen Erregersensibilität. Dabei ist auch die lokale Resistenzsituation zu berücksichtigen, weil sich die Verbreitung von resistenten Keimen von Ort zu Ort stark unterscheiden kann.

Die zugrunde liegenden Zulassungsstudien in den vier Hersteller-Dossiers sind zwar prinzipiell hochwertige randomisierte kontrollierte Studien (RCTs). Allerdings vergleichen sie die neue Wirkstoffkombination bei den Indikationen für Lunge und Bauchhöhle bzw. für Harnwege und Nierenbecken jeweils nur mit einem anderen Antibiotikum – ohne dass sich dabei jeweils relevante Unterschiede zwischen Interventions- und Kontrollgruppe zeigen. Dieser stark eingeschränkte Vergleich entspricht jedoch nicht den viel breiteren Therapieoptionen, die gemäß der zweckmäßigen Vergleichstherapie als geeignete Therapie vorgesehen sind. Es ist aus den Studiendaten auch nicht ableitbar, dass die lokale Resistenzsituation in den jeweiligen Studienzentren sowie die individuelle Resistenzsituation nach Erregernachweis ausreichend berücksichtigt wurde.

„Das ist sehr schade“, sagt Thomas Kaiser, Leiter des IQWiG-Ressorts Arzneimittel, „denn die Entwicklung neuer Antibiotika ist grundsätzlich notwendig und zu begrüßen. Für Aussagen zum Zusatznutzen benötigen wir aber Studien, die die lokale und individuelle Resistenzlage angemessen berücksichtigen. Daran fehlt es leider in den vorgelegten Studien.“

Ein Vergleich mit weiteren Therapieoptionen unter Berücksichtigung des lokalen Erregerspektrums, des Resistenzprofils, des Infektionsrisikos mit multiresistenten Erregern und der Erregersensibilität auf Basis eines Antibiogramms bietet durchaus aussichtsreiche Möglichkeiten für den Beleg eines Mehrwerts von neuen Antibiotika.

Insgesamt lässt sich kein Anhaltspunkt für einen Zusatznutzen von Ceftolozan/Tazobactam gegenüber der zweckmäßigen Vergleichstherapie ableiten, ein Zusatznutzen ist damit nicht belegt.


Auch aus In-vitro-Daten kein Vorteil für Ceftolozan/Tazobactam ableitbar

Die Empfindlichkeit oder Resistenz eines Erregers für verschiedene Antibiotika lässt sich außerhalb einer konkreten Behandlungssituation im Labor (in vitro) untersuchen. Auch auf Basis von In-vitro-Daten ist ein Vorteil für ein neues Antibiotikum grundsätzlich vorstellbar, falls der neue Wirkstoff eine hohe Wirksamkeit zeigt, während die im Anwendungsgebiet bisher verfügbaren Wirkstoffe (nahezu) keine Wirksamkeit zeigen.

Die In-vitro-Daten im Hersteller-Dossier sind jedoch unvollständig, weil gar nicht alle verfügbaren Wirkstoffe untersucht wurden. Anhand der Auswertungen dieser In-vitro-Daten ist zudem ersichtlich, dass mehrere getestete Wirkstoffe bei den untersuchten Erregern wirksam sind und neben Ceftolozan/Tazobactam eine mögliche Behandlungsoption darstellen.


G-BA beschließt über Ausmaß des Zusatznutzens

Die Dossierbewertungen sind Teil der frühen Nutzenbewertung gemäß Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz (AMNOG), die der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) verantwortet. Nach Publikation der Dossierbewertungen führt der G-BA Stellungnahmeverfahren durch und fasst Beschlüsse über das Ausmaß des Zusatznutzens. Einen Überblick über die Ergebnisse der Nutzenbewertungen des IQWiG geben folgende Kurzfassungen. Auf der vom IQWiG herausgegebenen Website gesundheitsinformation.de finden Sie zudem allgemein verständliche Informationen.


Originalpublikation

 


Quelle: Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG), 01.07.2020 (tB).

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