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Chronischer Hypoparathyreoidismus

Mit Natpar®/rhPTH(1-84) therapeutische Herausforderungen meistern

Göttingen/Berlin (16. November 2017) ‑ Unter den endokrinen Krankheitsbildern nahm der chronische Hypoparathyreoidismus bislang eine Sonderrolle ein, da der chronische Hypoparathyreoidismus bis vor Kurzem die letzte klassische endokrine Erkrankung war, für die keine hormonelle Substitutionstherapie existierte.1-5 Betroffene leiden unter einem komplexen Krankheitsbild ‑ vor allem an Muskelschmerzen, Krämpfen, Parästhesien und kognitiven Einbußen ‑ und sind in ihrer Lebensqualität eingeschränkt. Wie kann die in diesem Jahr zugelassene Substitutionstherapie mit rekombinantem Parathormon (rPhTH 1-84) Patienten und Endokrinologen unterstützen? Diese und weitere Fragen standen im Mittelpunkt eines Pressegesprächs mit Prof. Dr. Heide Siggelkow in Göttingen.

Chronischer Hypoparathyreoidismus: Häufig nach chirurgischen Eingriffen

Der chronische Hypoparathyreoidismus ist durch eine reduzierte oder fehlende PTH-Produktion gekennzeichnet, erklärte Prof. Siggelkow. Ursache ist meist die Entfernung der Nebenschilddrüsen, unter anderem im Rahmen operativer Behandlungen bei Schilddrüsenkarzinomen und bei Struma multinodosa.2-4 Thyreoidektomien bei M. Basedow können ebenso zu einem chronischen Hypoparathyreoidismus führen.2-4 In einigen Fällen liegen der Erkrankung autoimmune Prozesse zugrunde, noch seltener ist ein Fehlen der Drüsen von Geburt an. 6

Der Ausfall des von der Nebenschilddrüse produzierten PTH hat weitreichende Auswirkungen, insbesondere auf den Kalzium-, Calcitriol- und Phosphathaushalt des Körpers .2-5 Hypokalzämie und Hypophosphatämie sind für die Erkrankung charakteristisch.4 Symptome umfassen unter anderem Nierenfunktionsstörungen, Herzrhythmusstörungen, gestörten Knochenstoffwechsel sowie sensorische Defizite wie Missempfindungen, Taubheit und Muskelschmerz.2-5 Betroffene können zudem unter psychischen Symptomen wie leichter Erregbarkeit, Depression und Gedächtnisschwäche leiden. Es besteht ebenfalls ein erhöhtes Risiko für Katarakte. 2-5

Bei Patienten ohne chirurgische Intervention in der Anamnese besteht der Verdacht auf Hypoparathyreoidismus in der Regel aufgrund oben genannter klinischer Auffälligkeiten. Darauf wird eine Analyse des Blutkalziumspiegels vorgenommen. Finden sich reduzierte Konzentrationen, so wird der PTH‑Spiegel im Serum bestimmt.5 Ergänzend dazu lässt sich bei der Erkrankung ein erhöhter Phosphat-Spiegel im Blut nachweisen.7 Bei Patienten mit Schilddrüsenoperation oder einem anderen chirurgischen Eingriff im Halsbereich wird in der Regel bereits während des Eingriffs der PTH- und Kalziumspiegel überwacht.

Aktuelle Therapieansätze mit Limitierungen

Die bisherige Therapie des chronischen Hypoparathyreoidismus wurde insbesondere durch den Umstand bestimmt, dass keine Substitution des fehlenden PTHs erfolgte. Entsprechend wurde und wird in erster Linie mit Kalzium in höheren Dosierungen und mit aktivem Vitamin D behandelt, bei manchen Patienten werden zudem Diuretika eingesetzt.

„Im Praxisalltag sehe ich die Herausforderung, dieses komplexe Krankheitsbild patientengerecht zu behandeln. Dabei geht es an erster Stelle um die Normalisierung der Kalzium-, Phosphat-, Vitamin-D- und Magnesiumwerte", erläuterte Prof. Siggelkow. Gemäß den Empfehlungen der European Society of Endocrinology sollen therapeutische Interventionen bei chronischem Hypoparathyreoidismus in erster Linie durchgeführt werden, um das Wohlbefinden des Patienten zu verbessern.8

In vielen Fällen kann mit Vitamin D, Kalzium und Diuretika geholfen werden, erklärte die Endokrinologin. Bestimmte Limitierungen ergeben sich allerdings auch unter der bisherigen Standardtherapie. So begünstigt der übermäßige Einsatz von Kalzium und Vitamin D langfristig die Bildung von Nierensteinen und die Entstehung von Nephrokalzinosen.4 Sekundäre Verkal­kungen in ZNS und Auge können zu Funktionseinbußen führen.4 Die Substitution mit Kalzium kann gastrointestinale Beschwerden hervorrufen.9

Hohe Symptomlast für die Patienten

Therapeutische Interventionen sind notwendig, denn die Betroffenen leiden unter der Erkrankung, wie die Ergebnisse der PARADOX-Studie verdeutlichen. Dazu wurden 374 Patien­ten zu ihrer Krankheit befragt. Erfasst wurden insgesamt 10 Aspekte zur Lebensqualität sowie zur persönlichen Situation.10 Der Studie zufolge leiden Patienten mit chronischem Hypoparathyreoidismus insbesondere unter Müdigkeit (82 %), Muskelschmerzen (78 %) und Missempfindungen (78 %).10 Lethargie (72 %), Konzentrationsschwäche (65 %) und Gedächtnisverlust (61 %) dominierten die kognitiven und psychischen Symptome.10 Mindestens jeder zweite Patient leidet an Symptomen, die Mehrzahl an mehreren gleichzeitig, schlussfolgerte Prof. Siggelkow ‑ trotz Therapie.

Die hohe Symptomlast schränkt die Patienten im Alltag ein. So stellte sich bei 20 % der Befragten nach der Diagnose eine Änderung des Arbeitsverhältnisses ein, 44 % wurden berufsunfähig.10 Insgesamt 72 % der zum Befragungszeitpunkt arbeitslosen Patienten sahen die Erkrankung als Ursache für ihre Erwerbslosigkeit an.10 Diese Einschränkungen, zumeist unter Therapie, zeigen die große Bedeutung der Erkrankung für die persönliche Entwicklung, aber auch für die Arbeitswelt, unterstrich Prof. Siggelkow. Nach der Therapieentscheidung sei ein regelmäßiges Monitoring von zentraler Bedeutung, um den Erfolg der Behandlung zu überprüfen und diese ggf. anpassen zu können.

Natpar®/rhPTH(1-84) bei Hypoparathyreoidismus ‑Ergebnisse der REPLACE‑Studie

Für Patienten, deren Erkrankung mit Hilfe der bisherigen Therapieoptionen nicht ausreichend kontrolliert werden konnte, steht seit diesem Jahr mit Natpar®/rhPTH(1-84) eine neue Option zur Verfügung.11 In der doppelblinden, Placebo-kontrollierten Zulassungsstudie REPLACE erzielten unter rhPTH(1-84) mehr Patienten eine mindestens 50 %ige Reduktion der täglich benötigten Kalzium- und Vitamin-D-Dosis, verglichen mit Placebo (54,8 % vs. 2,5 %).12 Insgesamt 43 % der Patienten unter rhPTH(1-84) und 6,1 % unter Placebo konnten in der Studie auf eine zusätzliche Vitamin-D-Einnahme verzichten und benötigten gleichzeitig maximal 500 mg Kalzium pro Tag.12 In der rhPTH(1-84) Gruppe wurde zudem eine mittlere prozentuale Abnahme der Kalziumdosis von 51,8 % beobachtet, im Gegensatz zu einer Steigerung um 6,5 % in der Placebo Gruppe.12

Mit der Zulassung von Natpar® steht Endokrinologen erstmals eine Hormontherapie mit dem wirklich fehlenden Hormon bei chronischem Hypoparathyreoidismus zur Verfügung, resümierte Prof. Siggelkow. Damit kann einer Patientengruppe eine neue Behandlungsoption geboten werden, die bislang trotz Standardtherapie nicht ausreichend kontrolliert war, schloss die Endokrinologin.

Über Natpar®

Natpar® ist ein rekombinant hergestelltes Parathormon, dessen Aminosäuresequenz der des endogenen, humanen Parathormons entspricht. Es steht in den Dosierungen 25, 50, 75 und 100 Mikrogramm zur einmal täglichen Injektion für erwachsene Patienten mit chronischem Hypoparathyreoidismus zur Verfügung, deren Erkrankung sich durch die Standardtherapie allein nicht hinreichend kontrollieren lässt. In den USA ist Natpar® unter dem Handelsnamen Natpara® (parathyroid hormone) bereits seit Januar 2015 zugelassen.

Über Shire

Als ein weltweit führendes Biotechnologie‑Unternehmen hat sich Shire dem Ziel verschrieben, Menschen mit seltenen Erkrankungen zu unterstützen. Wir stellen in über 100 Ländern führende Produkte in den therapeutischen Schwerpunktgebieten Hämatologie, Immunologie, Neurowissenschaft, lysosomale Speicherkrankheiten, gastrointestinale / innere / endokrine Erkran­kungen und dem hereditären Angioödem bereit. Zudem verfügen wir über eine wachsende Zahl an Lizenzen im Bereich Onkologie sowie eine wachsende, innovative Pipeline im Bereich Ophthalmologie.

Unsere Mitarbeiter haben sich einer gemeinsamen Mission verschrieben: Die Entwicklung und Herstellung bahnbrechender Therapien für jene Millionen Menschen weltweit, die von seltenen und komplexen Erkrankungen betroffen sind und die über keine wirkungsvollen Therapien verfügen, die ihnen ein besseres Leben ermöglichen. Im Juni 2016 wurde die Fusion von Shire plc und Baxalta Incorporated erfolgreich abgeschlossen.

Quellen

  1. Cusano E et al. Best Pract Res Clin Endocrinol Metab. 2015; 29(1):47-55.
  2. Marx SJ. New Engl J Med. 2000;343:1863-75.
  3. Hannan F. Endocrine Abstracts. 2017;49: S1.2. doi:10.1530/endoabs.49.S1.2
  4. Siggelkow H. Endokrinologie Informationen Sonderheft. 2017:11-14.
  5. Bilezikian J et al. J Bone Mineral Res. 2011;26(10):2317-37.
  6. National Health Service UK. Hypoparathyreoidism and Hyperparathyreoidism. Online verfügbar unter http://www.nhs.uk/Conditions/hypoparathyroidism-hyperparathyroidism/Pages/Introduction.aspx. – Letzter Zugriff am 14. November 2017.
  7. Mayo Clinic: Hypoparathyreoidism. Online verfügbar unter http://www.mayoclinic.org/diseases-conditions/hypoparathyroidism/diagnosis-treatment/diagnosis/dxc-20318188. – Letzter Zugriff am 14. November 2017.
  8. Bollerslev J et al. Eur J Endocrinol. 2015;173(2):1-20.
  9. Blaschke M et al. 60. Deutscher Kongress für Endokrinologie 2017; Abstract P1-07-03.
  10. Hadker N et al. 22nd Annual Meeting of the American Association of Clinical Endocrinologists 2013; Abstract 1081.
  11. European Medicines Agency. Summary of the European public assessment report for Natpar. Online verfügbar unter http://www.ema.europa.eu/ema/index.jsp?curl=pages/medicines/human/medicines/003861/human_med_002093.jsp&mid=WC0b01ac058001d124. Letzter – Zugriff am 14. November 2017.
  12. Zusammenfassung der Merkmale des Arzneimittels Natpar®.

  • Dieses Arzneimittel unterliegt einer zusätzlichen Überwachung. Dies ermöglicht eine schnelle Identifizierung neuer Erkenntnisse über die Sicherheit. Angehörige von Gesundheitsberufen sind aufgefordert, jeden Verdachtsfall einer Nebenwirkung zu melden. Hinweise zur Meldung von Nebenwirkungen siehe Abschnitt 4.8 der Fachinformation.

Natpar® 25/50/75/100 Mikrogramm/Dosis

Pulver und Lösungsmittel zur Herstellung einer Injektionslösung.

Wirkstoff: Parathyroidhormon (rDNA), hergestellt in E. coli mittels DNS-Rekombinationstechnik, identisch mit der 84-Aminosäuresequenz des endogenen menschlichen Parathyroidhormons.
Zusammensetzung: Nach Rekonstitution enthält jede Dosis 25/50/75/100 Mikrogramm Parathyroidhormon (rDNA) in 71,4 Mikroliter Lösung. Jede Patrone enthält 350/700/1050/1400 Mikrogramm Parathyroidhormon (rDNA). Sonstige Bestandteile: Pulver: Natriumchlorid, Mannitol, Citronensäure-Monohydrat, Natriumhydroxid (zur pH-Einstellung). Lösungsmittel: Metacresol, Wasser für Injektionszwecke.
Anwendungsgebiete: Zusatztherapie bei erwachsenen Patienten mit chronischem Hypoparathyreoidismus, deren Erkrankung sich durch die Standardtherapie allein nicht hinreichend kontrollieren lässt.
Gegenanzeigen: Überempfindlichkeit gegen den Wirkstoff oder einen der sonstigen Bestandteile, Strahlentherapie des Skeletts, maligne Skeletterkrankungen oder Knochenmetastasen, zu Therapiebeginn erhöhtes Risiko für Osteosarkome (z.B. bei der Knochenkrankheit Morbus Paget oder bei Erbkrankheiten), unklare Erhöhung der knochenspezifischen alkalischen Phosphatas&, Pseudohypoparathyreoidismus.
Nebenwirkungen: Sehr häufig: Hyperkalzämie, Hypokalzämie, Kopfschmerz, Hypoästhesie, Parästhesie, Diarrhö, Übelkeit, Erbrechen, Arthralgie, Muskelspasmen. Häufig: Hypomagnesiämie, Tetanie, Angst, Schlaflosigkeit, Somnolenz, Palpitationen, Hypertonie, Husten, Schmerzen Oberbauch, Muskelzucken, Schmerzen des Muskel- und Skelettsystems, Myalgie, Nackenschmerzen, Schmerz in einer Extremität, Hyperkalzurie, Pollakisurie, Asthenie, Brustkorbschmerz, Ermüdung, Reaktionen an der Injektionsstelle, Durst, Anti-PTH-Antikörper positiv, 25-Hydroxycholecalciferol im Blut erniedrigt, Vitamin D erniedrigt.
Warnhinweis: Enthält 0,32 mg Natrium/Dosis.
Weitere Angaben: s. Fach- und Gebrauchsinformation.
Verschreibungspflichtig.
Shire Pharmaceuticals Ireland Limited, 5 Riverwalk, Citywest Business Campus, Dublin 24, Irland.
Stand der Information: April 2017.


Quelle: Shire, 16.11.2017 (tB).

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