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CML
BCR-ABL-Mutationsdiagnostik und deren Bedeutung für die tägliche Behandlung
Martinsried (10. April 2018) – Durch den Einsatz von Tyrosinkinaseinhibitoren (TKI) konnte die Therapie der chronischen myeloischen Leukämie (CML) und der Philadelphia-Chromosom positiven akuten lymphatischen Leukämie (Ph+ ALL) entscheidend verbessert werden. Dennoch stellen resistenzvermittelte Rezidive ein klinisch relevantes Problem und eine große Herausforderung in der Behandlung dar. Die häufigste Ursache hierbei sind Mutationen in der BCR-ABL-Kinasedomäne. Trotz ihrer relativ geringen Empfindlichkeit wird die Sanger-Sequenzierung vom European LeukemiaNet (ELN) derzeit noch als Standardmethode für die Mutationsanalyse im Rahmen des molekularen Monitorings der CML und Ph+ ALL empfohlen [1]. Neue, sensitivere Sequenzierungsmethoden (Next Generation Sequencing, NGS) ermöglichen eine qualitativ und quantitativ umfassendere Analyse der Komplexität und Dynamik der mutierten Klone. Prof. Dr. Simona Soverini von der Universität Bologna erläuterte die Entwicklung der diagnostischen Möglichkeiten und das Potenzial der NGS-Verfahren am Beispiel der CML und ALL.
Wichtige Aspekte auf einen Blick:
- Die genetische Instabilität bei Ph+ Leukämien begünstigt die Akkumulation zusätzlicher genetischer Aberrationen und weiterer Mutationen, die das Progressionsrisiko erhöhen.
- Die klonale Selektion zu verhindern, ist besser als aufgetretene TKI-resistente Klone zu behandeln.
- Die BCR-ABL-Mutationsprofile sind von Art und Reihenfolge der TKI-Inhibition abhängig.
- Nach TKI-Versagen in der Erst- oder Zweitlinie ist die optimale Sequenz der weiteren TKIAbfolge wichtig.
- Das BCR-ABL-Mutationsscreening ermöglicht einen rechtzeitigen TKI-Wechsel bei Therapieversagen und liefert wichtige Informationen bezüglich der TKI-Wahl und der Abfolge in der Sequenz.
- NGS-Verfahren ermöglichen eine verbesserte BCR-ABL-Mutationsanalyse und eine frühere Detektion von TKI-Resistenzmutationen.
Das Auftreten einer klinischen Resistenz gegenüber Erst- und Zweitgenerations-TKI ist häufig zurückzuführen auf eine BCR-ABL-Mutation in einem leukämischen Klon. Dies ist mit einem Wiederanstieg der BCR-ABL-Expression und manchmal auch mit dem Verlust des zytogenetischen Ansprechens assoziiert. BCR-ABL-Mutationen werden aber nicht durch TKI ausgelöst, sondern entstehen unabhängig aufgrund einer allgemeinen genomischen Instabilität der Leukämiezellen und werden unter der jeweiligen TKI-Therapie selektioniert [2]. „Die bei CML und ALL entscheidenden Hotspot-Genregionen der BCR-ABL-Kinasedomäne, in denen resistenzvermittelnde Mutationen auftreten, sind mittlerweile umfänglich bekannt“, so Frau Professor Soverini. Je höher die Anzahl dieser von ihr als „Achilles-Fersen“ der TKI bezeichneten Hotspots ist, umso wahrscheinlicher sei die Entwicklung einer Resistenz, erklärte sie weiter. So sind bei Imatinib mehr als 50 Mutations-Hotspots bekannt, während bei Nilotinib, Dasatinib und Bosutinib das Spektrum der Resistenzmutationen mit jeweils drei bis vier Hotspots deutlich enger, aber teilweise überlappend ist. Im Vergleich dazu zeigt der Drittgenerations-TKI Ponatinib (Iclusig®*) keine Lücke in der Wirksamkeit gegenüber den bisher schwer behandelbaren Mutationen inklusive der T315I, die bisher nur von Ponatinib gehemmt wird [3,4].
BCR-ABL-Mutationsprofile von Art und Reihenfolge der TKI-Inhibition abhängig
Daten aus klinischen Studien lassen darauf schließen, dass der sequenzielle Einsatz von TKI mit unvollständigem Wirkspektrum gegenüber BCR-ABL-Mutationen zum Auftreten von bestimmten Mutationsmustern führt, wie z. B. zur Selektion der multiresistenten T315I-Mutation oder zum Erwerb neuer TKI-spezifischer Mutationen. Diese können in Form von zusammengesetzten Mutationen im selben Klon (sog. Compound-Mutationen) oder als multiple Einzelmutationen in unterschiedlichen Zellklonen auftreten [5]. Die Compound-Mutationen sind in ihrer Zusammensetzung abhängig vom eingesetzten TKI und von der TKI-Abfolge und führen oft zur kompletten Resistenz gegenüber Erst- und Zweitgenerations-TKI, vor allem wenn sie in Kombination mit der T315I-Mutation auftreten [3]. Ponatinib hingegen zeigte in vitro auch bei einigen dieser schwer behandelbaren Compound-Mutationen eine Wirksamkeit [3]. Des Weiteren wurde gezeigt, dass die sequenzielle Resistenz gegenüber einem Zweit- oder Drittlinien-TKI in der Mehrheit der Fälle mit dem Auftreten neuer BCR-ABL-Mutationen verbunden ist und dass Patienten, die bereits BCR-ABL-Mutationen aufweisen, für die Entstehung zusätzlicher Mutationen mit sequenzieller TKI-Resistenz prädisponiert sind [6]. All das spricht für die Individualisierung der Zweit- und Drittlinientherapie entsprechend dem Mutationsstatus. „Dies kann auch sensitive Detektionsverfahren involvieren, denn multiple Mutationen können in geringer bzw. niederfrequenter Zahl koexistieren, während der Zweit- oder Drittlinientherapie selektiert werden und dann jederzeit hervortreten und zur Resistenz führen“, erklärte Professor Soverini.
Bedeutung der Mutationsanalyse bei CML
Bei CML-Patienten in chronischer Phase bleibt eine BCR-ABL-Mutationsanalyse der Situation des Therapieversagens oder der Warnung vorbehalten, nachdem andere Ursachen wie schlechte Adhärenz oder Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten ausgeschlossen wurden [1]. Zur Mutationsanalyse wird die konventionelle Sanger-Sequenzierung empfohlen. Deren Sensitivität zum Mutationsnachweis ist jedoch relativ gering und gelingt nur, wenn 15 bis 20 % der Zellen die Mutation tragen. Mit neuen Sequenzierungsverfahren wie NGS lassen sich auch niedrig-frequente Mutationen von bis zu 1% nachweisen. In einer Untersuchung zur NGS konnten Soverini et al. an 33 mehrfach rezidivierten Patienten mit CML oder Ph+ ALL und einer oder mehr TKI-Resistenzmutationen zeigen, dass die Sanger-Sequenzierung den BCR-ABL-Mutationsstatus bei 55 % der untersuchten Proben falsch einschätzte oder unterschätzte [7,8].
Niederfrequente Mutationen (1-15 % der Zellen) wurden nur durch NGS detektiert; die Mehrheit der Proben wies multiple Subklone mit verschiedenen Mutationen auf und zeigte unter TKITherapie eine erhebliche Dynamik [7,8].
Bedeutung der Mutationsanalyse bei Ph+ ALL
Auch bei der Ph+ ALL stellt die Selektion von resistenten BCR-ABL-Mutationen unter aktueller TKI-Therapie die Hauptursache für Rezidive dar. Häufig ist es die T315I-Mutation, gegen die TKI der ersten und zweiten Generation unwirksam sind. Selbst bei Imatinib-resistenten Patienten, die auf einen Zweitgenerations-TKI ansprechen, ist die Response oft nur von kurzer Dauer, wahrscheinlich aufgrund der hohen genomischen Instabilität der ALL-Zellen, die zum Erwerb weiterer Mutationen, häufig in Form von Compound-Mutationen, führt. Die Optimierung der Ph+ ALL-Behandlung könnte daher von einem routinemäßigen, sensitiven BCR-ABLMutationsscreening deutlich profitieren, um hervortretende resistenzvermittelnde Mutationen möglichst früh zu detektieren, bevor diese zu einem hämatologischen Rezidiv führen. Durch den Einsatz von weiteren zur Verfügung stehenden Therapieoptionen wie Ponatinib könnte damit der klonalen Ausbreitung entgegengewirkt und so das Outcome der Patienten verbessert werden.
Zusammenfassung
Die bei CML entscheidenden resistenzvermittelnden BCR-ABL-Mutationen sind mittlerweile weitgehend identifiziert. Tritt bei einem Patienten eine Kombination von z. B. einer Imatinibresistenten CML und einer multiplen Mutation auf, kann das derzeit nur durch eine sensitive Mutationsanalyse wie dem NGS, jedoch nicht durch konventionelle Sequenzierung nachgewiesen werden. Daher könnte sich das NGS besser dazu eignen, um auch potenziell klinisch relevante niederfrequente Mutationen zu detektieren, die bezüglich Auswahl und Reihenfolge der TKI von Bedeutung sein könnten. „Wir müssen uns jetzt auf die Bench-to-Bedside Etablierung konzentrieren, um diese molekularen Erkenntnisse und die sensitiven NGS-Verfahren auch den Patienten zugänglich zu machen. Ich bin überzeugt, dass NGS sicherlich bald eine wichtige Rolle für das Monitoring von CML-Patienten mit Resistenzmutationen in der klinischen Praxis spielen wird“, resümierte die Expertin.
Anmerkung
- * Iclusig® ist indiziert bei erwachsenen Patienten mit
- chronischer myeloischer Leukämie (CML) in der chronischen Phase, akzelerierten Phase oder Blastenkrise, die behandlungsresistent gegenüber Dasatinib bzw. Nilotinib sind, die Dasatinib oder Nilotinib nicht vertragen und bei denen eine anschließende Behandlung mit Imatinib klinisch nicht geeignet ist, oder bei denen eine T315I-Mutation vorliegt.
- Philadelphia-Chromosom-positiver akuter Lymphoblastenleukämie (Ph+ ALL), die behandlungsresistent gegenüber Dasatinib sind, die Dasatinib nicht vertragen und bei denen eine anschließende Behandlung mit Imatinib klinisch nicht geeignet ist, oder bei denen eine T315I-Mutation vorliegt [4].
Referenzen
- Baccarani M et al. Blood 2013; 122:872–884
- Soverini S et al. Mol Cancer 2018; 17:49
- Zabriskie MS et al. Cancer Cell 2014; 26:428–442
- Iclusig® Fachinformation Stand Februar 2018
- Shah NP et al. J Clin Invest 2007; 117:2562–2569
- Soverini S et al. Blood 2009; 114:2168–2171
- Soverini S et al. Blood 2013; 122:1634–1648
- Soverini S et al. BMC Cancer 2016; 16:572.
Quelle: Pressekonferenz der Incyte Biosciences Germany GmbH. CML: BCR-ABL-Mutationsdiagnostik und deren Bedeutung für die tägliche Behandlung. 10.04.2018, Frankfurt/M. (tB).