21. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin

„Der Blick zurück und der Weg nach vorn“ – Neues aus der Welt des Schlafes

 

Wiesbaden (7. Januar 2014) – 1.745 Experten aus Wissenschaft, Klinik und Praxis tauschten auf der 21. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin (DGSM) e. V. vom 17. bis 19. Oktober 2013 neue Forschungsergebnisse in allen schlafmedizinischen Bereichen aus. Unter dem Motto „Der Blick zurück und der Weg nach vorn“ wurden unter Leitung der Tagungspräsidenten Dr. med. Jörg Heitmann, Priv.-Doz. Dr. Dr. med. Tim O. Hirche und Prof. Dr. med. Richard Schulz in wissenschaftlichen Symposien, Freien Vorträgen sowie einem zusätzlichen Fort- und Weiterbildungsangebot für medizinisch-technisches Personal neue Erkenntnisse und praktische Erfahrungen zur Bedeutung des Schlafes für Gesundheit, Leistung und Lebensqualität präsentiert und zur Diskussion gestellt.

 

7,4 Millionen Deutsche leiden an Schlafstörungen – Tendenz steigend. Ein Faktor, der dazu beigetragen hat, sind die Lebensbedingungen in unserer modernen Welt, wie Globalisierung, Hektik und Stress, die ständige Erreichbarkeit, soziale Netzwerke, die beleuchteten Städte, die die Nacht zum Tag machen. Die neuen Forschungsergebnisse auf dem DGSM-Kongress zeigten, welchen entscheidenden Einfluss Schlaf in allen Lebensphasen auf das menschliche Wohlbefinden und die Gesundheit hat – vorgeburtlich bis ins hohe Alter.

 

Die Forschergruppe des Neurologen Prof. Matthias Schwab, Leiter des interdisziplinären Schlaflabors an der Hans-Berger-Klinik für Neurologie des Universitätsklinikums Jena, stellte innovative Untersuchungen zum Schlafen im Mutterleib vor, wonach die Schlafentwicklung beim ungeborenen Kind stark durch Stress und die therapeutische Gabe von Stresshormonen zur Förderung der Lungenreifung bei von Frühgeburt bedrohten Schwangeren beeinflusst wird. Die therapeutische Gabe von Stresshormonen während der Schwangerschaft beeinflusst nach neuen Erkenntnissen der Arbeitsgruppe "Fetale Hirnentwicklung und Programmierung von Erkrankungen im späteren Leben" langfristig die Stressregulation beim Kind und führt zu kognitiven und Verhaltensstörungen, die im Grundschulalter sichtbar waren. Es wurde zudem dargestellt, dass das fetale Gehirn akustische Reize in Abhängigkeit vom Schlafstadium, indem sich das Baby im Mutterleib befindet, verarbeitet. Dies geschieht jedoch erst in den letzten Wochen der Schwangerschaft.

 

Weitere interessante Forschungsergebnisse wurden zu Schlafproblemen bei Kindern und Jugendlichen vorgestellt, so zum Beispiel zu begleitenden Angstsymptomen, zu Fremd- und Autoaggression und zum Zusammenhang von Schlaf, Schlafdauer und Schlafstörungen. Wie entscheidend die interdisziplinäre Zusammenarbeit verschiedener Fachärzte sein kann, wurde am Krankheitsbild der kindlichen Schlaf-Apnoe aus Sicht eines Pädiaters, eines HNO-Arztes und eines Kieferorthopäden verdeutlicht. Wie neue Studien zeigten, sind 3 Prozent aller Kinder davon betroffen und leiden unter angestrengter Atmung, Schnarchen und einem nicht erholsamen Schlaf. Gleichzeitig wurde festgestellt, dass Kinder, die häufig oder fast immer schnarchen, ein höheres Risiko für schlechtere Schulleistungen haben als nicht schnarchende Kinder.

 

Dr. Susanne Diekelmann, Institut für Medizinische Psychologie und Verhaltensneurobiologie der Universität Tübingen, präsentierte zusammen mit Kollegen neue Untersuchungen zu Bedingungen und Einflussfaktoren für die Gedächtnisbildung im Schlaf, für die der erholsame Schlaf eine große Rolle spielt. Die Ergebnisse zeigten, dass äußere Einflüsse wie elektromagnetische Funkwellen den Schlaf und die Lernfähigkeit verändern können.

 

Verschiedene Studien wiesen darauf hin, wie entscheidend der Erholungswert des Schlafes ist. Auch wenn der circadiane Schlaf-Wach-Rhythmus konstitutionell festgelegt ist, ist die Schlafdauer individuell beeinflussbar und kann verändert werden. Bei vorübergehenden Abweichungen sollten keine ernsthaften Folgen für die Gesundheit auftreten. Weitreichende Folgen sind jedoch zu befürchten, wenn der individuelle Schlaf-Wach-Rhythmus und Schlafbedarf langfristig nicht eingehalten werden kann. Neue Forschungen im Bereich der Chronobiologie zeigten, welche Auswirkungen die Anpassung der individuellen Schlaf- und Wachabläufe auf soziales Umfeld und berufliche Anforderungen hat.

 

Die Neurologin und Schlafmedizinerin Prof. Dr. Svenja Happe aus Telgte präsentierte aktuelle Studien zu den komplexen Zusammenhängen von Schlaf und Kopfschmerz. Schlafbezogene Kopfschmerzformen, die den Schlaf und nachfolgend die Tagesbefindlichkeit und Lebensqualität erheblich stören können, könnten meistens gut behandelt werden, wenn sie erst einmal richtig diagnostiziert sind. Manchmal können auch Träume Hinweise auf die Ursache von Schlafstörungen geben. Neue Untersuchungen zeigten, dass Depression, Schizophrenie, Angsterkrankungen und posttraumatische Belastungsstörungen spezifische Auswirkungen auf Träume haben können, so dass sich Träume als Spiegel psychischer Symptome erweisen. Dr. Helmut Frohnhofen, Direktor der Klinik für Geriatrie und des Zentrums für Altersmedizin der Kliniken Essen-Mitte, untersuchte den Schlaf im hohen Lebensalter. Zu Auswirkungen von Schlafstörungen auf Demenzkranke diskutierten die Experten innovative diagnostische und therapeutische Ansätze.

 

Die Ausführungen des Vorsitzenden der DGSM, Dr. Alfred Wiater, Chefarzt der Kinderklinik des Krankenhauses Porz am Rhein in Köln, zur gesellschaftlichen Relevanz von Schlafstörungen und zu wirtschaftlichen Konsequenzen gaben wichtige Impulse zu aktuellen Diskussionen. Mit einer adäquaten, qualitativ hochwertigen Behandlung der Patienten, die unter Schlafstörungen leiden, ließe sich die hohe Zahl der Betroffenen deutlich verringern. Ein wichtiger Schritt wäre die Etablierung einer schlafmedizinischen Zusatzqualifikation für niedergelassene Ärzte – oft die erste Anlaufstelle für Patienten –, deren Diagnostik entscheidend sein kann. Wie wichtig dann die richtige Therapie ist, verdeutlichte Dr. Dipl.-Psych. Hans-Günter Weeß, Leiter des Interdisziplinären Schlafzentrums des Pfalzklinikums Klingenmünster: „Die sprechende Medizin wird eher vernachlässigt in unserem Gesundheitssystem, im Vordergrund steht eher die Instrumentenmedizin.“ Viele Patienten, die von Schlafstörungen betroffen sind, könnten von einer Verhaltenstherapie profitieren. Der Einsatz von Medikamenten sollte eindeutig indiziert sein und regelmäßig überwacht werden.

 

Die weiteren Fortschritte im Bereich der Schlafforschung und Schlafmedizin sowie neue wissenschaftliche Erkenntnisse werden auf der nächsten Jahrestagung der DGSM vom 4. bis 6. Dezember 2014 in Köln vorgestellt, unter der Leitung von Dr. med. Alfred Wiater und Priv.-Doz. Dr. med. Wolfgang Galetke, Köln sowie Prof. Dr. med. Winfried Randerath, Solingen.

 


 

Quelle: Deutsche Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin, 07.01.2014 (tB).

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