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Deutsche Gesellschaft für Nephrologie

Erste repräsentative Erhebung zur Häufigkeit von Nierenschäden in Deutschland

 

  • Prof. Dr. Matthias Girndt, Halle/Saale, Tagungspräsident

 

Berlin (8. September 2014) – In Deutschland werden etwa 80.000 schwer Nierenkranke dauerhaft mit Dialyseverfahren behandelt. Hinzu kommen etwa 23.000 Patienten mit einem funktionierenden Nierentransplantat. Das versorgungspolitische Problem der chronischen Nierenkrankheit ist jedoch weitaus größer als diese Zahlen vermuten lassen. Chronische Nierenkrankheit umfasst nicht nur die Endstadien der Nierenschwäche, in denen das Überleben nur noch mit Hilfe der Organtransplantation oder des künstlichen Ersatzes der Nierenfunktion möglich ist. Vielmehr bedeutet bereits eine mittelgradige Einschränkung der Nierenfunktion, dass das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen drastisch ansteigt. Bereits bei einer Verminderung der Entgiftungsleistung der Nieren um ca. 60% gegenüber dem Gesunden steigt das Risiko eines frühzeitigen Todes auf das Vierfache.


Die von der Zahl der Betroffenen her wichtigsten Ursachen für chronische Nierenschwäche sind der Diabetes mellitus und der Bluthochdruck. Zusammen sind diese Volkskrankheiten für mehr als die Hälfte aller Nierenschäden verantwortlich. Die Entwicklung und das Fortschreiten dieser Nierenschäden sind in den meisten Fällen durch Behandlung vermeidbar. Hier stellt sich eine große versorgungsmedizinische Aufgabe in erster Linie für Hausärzte, unterstützt durch Fachärzte für Nephrologie.

 

Allerdings ist bisher die Größe dieser Aufgabe für Deutschland allenfalls abschätzbar gewesen, exakte Zahlen zur Häufigkeit von Nierenschäden – abgesehen von den Zahlen zur Nierenersatztherapie – fehlten. Gerne bediente man sich US-amerikanischer Erhebungen und rechnete die dort gefundenen Häufigkeiten auf die deutsche Wohnbevölkerung um. Dieser Ansatz war stets von Zweifeln begleitet, unterscheidet sich die US-Bevölkerung doch in vielen Aspekten deutlich von der in Deutschland.

 

Erstmals liegen uns nun repräsentative Daten zur Häufigkeit der Niereninsuffizienz in Deutschland vor. Das Robert-Koch-Institut hat in der „Studie zur Gesundheit Erwachsener in Deutschland (DEGS)“ zwischen 2008 und 2011 insgesamt 7.116 Männern und Frauen im Alter zwischen 18 und 79 Jahren untersucht. Die Auswahl der Probanden an 180 Untersuchungspunkten in Deutschland erlaubt einen repräsentativen Überblick über die gesamte bundesdeutsche Wohnbevölkerung in diesem Altersbereich. Forscher der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg um den Epidemiologen Prof. Andreas Stang und den Nephrologen Prof. Matthias Girndt haben nun anhand dieser Stichprobe erstmals die Häufigkeit der Niereninsuffizienz in Deutschland ermittelt [1].

 

Bedeutsame Nierenschäden (glomeruläre Filtrationsrate < 60 ml/min 1,73m2) finden sich demnach bei ca. 2,3 % aller Menschen zwischen 18 und 79 Jahren. Dies sind bereits mehr als 1,5 Mio. Betroffene, für die eine adäquate Versorgung vorgehalten werden muss. Es fand sich eine sehr starke Altersabhängigkeit, bis etwa zum 50. Lebensjahr sind relevante Nierenschäden selten. In der 6. Lebensdekade sind bereits etwa 3% der Bevölkerung betroffen, bei den über 70jährigen sogar jeder Achte (12,9%). Personen im Lebensalter 80 und darüber wurden in dieser Studie nicht untersucht, bei konservativer Schätzung sind in dieser Altersgruppe mindestens weitere 0,5 Mio. Betroffene zu erwarten. Deutlich zeigte die Untersuchung auch, dass Frauen stärker betroffen sind als Männer. So lag der Anteil der Personen mit eingeschränkter Nierenfunktion in der Altersgruppe 70 Jahre aufwärts bei Frauen bei ca. 15%, während Männer nur zu 10,5% betroffen waren.

 

Auch wenn diese Zahlen erschreckend hoch sind und eine enorme medizinische Herausforderung darstellen, sind sie doch insgesamt etwas günstiger, als die Erhebungen aus den USA befürchten ließen. Aufgrund der demographischen Entwicklung sowie der zunehmenden Patientenzahlen mit Diabetes mellitus und Bluthochdruck müssen sich Hausärzte, Internisten, Diabetologen und Nephrologen auf eine weiter deutlich steigende Häufigkeit chronischer Nierenschäden in der Bevölkerung einstellen.

 

 

Literatur 

  1. Girndt, M, Trocchi, P, Stang, A: Prävalenz und Determinanten der chronischen Nierenerkrankung in Deutschland: eine Auswertung des aktuellen Bundesgesundheitssurveys 2008-2011 (Studie zur Gesundheit Erwachsener in Deutschland (DEGS)). Projektförderung durch die KfH-Stiftung Präventionsmedizin. Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg 2014.

 


Quelle: Deutsche Gesellschaft für Nephrologie, 08.09.2014 (tB).

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