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Deutscher Pflegetag 2014
Die Pflegereform darf kein Flop werden
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Deutscher Pflegetag 2014 in Berlin wird von Bundesgesundheitsminister eröffnet
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Gemeinsames Positionspapier von Deutschem Pflegerat, Pflegekassen und Kommunen
Berlin (23. Januar 2014) – Pflege geht alle an – deshalb fordern auf dem Deutschen Pflegetag erstmalig Pflegekassen und Leistungserbringer gemeinsam, jetzt die richtigen Weichen zu stellen. „Alle, die Verantwortung für die Strukturen der Pflege tragen, müssen einen Beitrag zu ihrer zukunftsfähigen Gestaltung leisten – Gesetzliche Kranken- und Pflegeversicherung, Pflegeberufe, Bund, Länder und Kommunen sowie Einrichtungsträger“, heißt es in einem gemeinsamen Positionspapier von AOK-Bundesverband, Deutschem Städte- und Gemeindebund sowie dem Deutschen Pflegerat (DPR) anlässlich des Deutschen Pflegetages. Sie sind neben dem GKV-Spitzenverband Kooperationspartner des dreitägigen Pflegekongresses, der erstmals vom DPR, dem Dachverband der Pflegeorganisationen und des Hebammenwesens, veranstaltet wird und noch bis Samstag andauert. Die Politik ist durch Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe vertreten, der den Kongress heute eröffnet.
Deutliche Worte kommen vom AOK-Chef Jürgen Graalmann zum Kongressauftakt: „Symbolpolitik reicht längst nicht mehr. Schon 2011 war von einem Jahr der Pflege die Rede. Tatsächlich erwartet uns aber ein Zeitalter der Pflege.“ Pflegebedürftige, Angehörige und Pflegekräfte wünschten sich einfach mehr Tempo bei der Umsetzung einer großen Pflegereform. Das Thema gehöre auf der politischen Agenda ganz nach vorne. „Deshalb haben wir dieses breite Bündnis maßgeblicher Akteure im Pflegebereich gebildet.“ Zentrales Anliegen der Kongresspartner ist die Neudefinition der Pflegebedürftigkeit, im Rahmen einer umfassenden Pflegereform. „Es muss zügig ein Gesetzgebungsverfahren zum neuen Pflegebedürftigkeitsbegriff eingeleitet werden“, betont Andreas Westerfellhaus, Präsident des DPR. „Und es macht mich aus DPR-Sicht nervös, dass die damit einhergehende Bewertungssystematik noch einmal geprüft werden soll – das ist alles schon geschehen.“
Der Pflege-Chef bemängelt, dass sich im Koalitionsvertrag nur eher vage Absichtserklärungen fänden, und warnt: „Jede Reform wird ein Flop, wenn nicht in erster Linie geklärt ist, woher die professionell Pflegenden kommen, wie sie zu qualifizieren sind, wie wir sie im Beruf halten wollen und welche Aufgaben sie übernehmen sollen.“ Er fordert einen Nationalen Aktionsplan für die Pflegenden, der neben einem Berufsgesetz auch die Festlegung von Personalmindestmengen in Krankenhäusern und Pflegeheimen beinhalten sollte. „Nur mit ausreichendem und ausreichend qualifiziertem Personal kann die Umsetzung der erweiterten Leistungen gelingen“, sagt Westerfellhaus. So prognostizierte jüngst die Bertelsmann Stiftung im Pflegereport 2030 eine Versorgungslücke von rund einer halben Million Vollzeitkräfte und fordert vor allem die Kommunen zum Handeln auf. Der Deutsche Städte- und Gemeindebund (DStGB) nimmt die Herausforderung an: „So wie wir jetzt versuchen, in einem Kraftakt ein kinderfreundliches Land zu werden und die Kitaplätze in den letzten Jahren immens ausgebaut haben, werden wir uns auf die alternde Gesellschaft vorbereiten müssen. Bereits bei der Stadtplanung müssen die zukünftig erforderlichen häuslichen Versorgungsdienste, ambulante Pflegeeinrichtungen und ein vernetztes Hilfesystem im Sozialraum bedacht und berücksichtigt werden“, sagt Dr. Gerd Landsberg, Geschäftsführendes Präsidialmitglied im DStGB. DPR-Präsident Westerfellhaus betont, dass alle Akteure gemeinsam ganzheitliche Konzepte entwickeln müssen. „Sonst wird das ganze Versorgungssystem demnächst kollabieren.“
Die Menschen in Deutschland werden älter – das ist eine positive Entwicklung. Sie bringt aber eine Vielzahl von Herausforderungen mit sich, insbesondere einen weiter steigenden Anteil an Pflegebedürftigen. Das Ausmaß dieser Entwicklung kann gut eingeschätzt werden: Im Jahr 2030 werden 3,4 Millionen Menschen in Deutschland Pflege benötigen, im Jahr 2050 schon 4,5 Millionen. Die heutigen Strukturen können dieser Herausforderung nicht gerecht werden. Für das Jahr 2025 wird zum Beispiel ein Mangel von mehr als 150.000 professionell Pflegenden prognostiziert. Die Weichen für eine zukunftsfähige Pflege müssen also jetzt gestellt werden. Dabei müssen vor allem zwei Aspekte im Mittelpunkt stehen: Das Potential der familiar, ehrenamtlich und professionell Pflegenden zu sichern und zu fördern sowie die Infrastruktur vor Ort altersgerecht auszubauen und weiter zu entwickeln.
AOK-Bundesverband, Städte- und Gemeindebund sowie Deutscher Pflegerat fordern gemeinsam:
1. Pflege ins Zentrum der gesellschaftlichen Diskussion rücken
Die beruflich, ehrenamtlich und familiar Pflegenden sowie die Pflegeleistungen müssen stärker in den Fokus der gesellschaftlichen und gesundheitspolitischen Diskussionen gerückt werden. Alle, die Verantwortung für die Strukturen der Pflege tragen, müssen einen Beitrag zu ihrer zukunftsfähigen Gestaltung leisten – Gesetzliche Kranken- und Pflegeversicherung, Pflegeberufe, Bund, Länder und Kommunen sowie Einrichtungsträger. Die zukunftsfeste Ausgestaltung der sozialen Pflegeversicherung muss zentrales Ziel der gesundheitspolitischen Agenda dieser Legislaturperiode sein.
2. Pflege mitten im Leben gestalten
Die künftige Pflegepolitik muss auf die Weiterentwicklung von Strukturen ausgerichtet sein, die den Menschen möglichst lange ein selbstbestimmtes Leben zu Hause ermöglichen. Dafür sind bestehende Wohnangebote bedarfsgerecht auszubauen und wohnortnahe Beratungs- und Dienstleistungsstrukturen so zu gestalten, dass sie ein altersgerechtes Umfeld bieten und soziale Kontakte fördern. Alternativen zur häuslichen Pflege wie Wohngemeinschaften, Generationenwohnen, kleine stationäre Einrichtungen und betreutes Wohnen sind ebenso weiterzuentwickeln wie sinnvolle technische Unterstützungssysteme.
Neue Versorgungskonzepte sind erforderlich, um dem Fachkräftemangel und dem abnehmenden familiaren und ehrenamtlichen Pflegepotential zu begegnen. Notwendig sind lokale gemeinwesenorientierte Wohn- und Assistenzangebote mit einem Hilfe-Mix aus Familien, Nachbarschaft, bürgerschaftlichem Engagement, kommunalen und professionellen Dienstleistern. Auch die Rahmenbedingungen zur besseren Vereinbarkeit von Beruf und Familie (bezogen auf Kindererziehung sowie auf Pflege) sind weiter auszubauen.
3. Pflege als Beruf attraktiver machen
Das Potential der beruflich Pflegenden ist zu stärken: Durch die Steigerung der Attraktivität des Pflegeberufs, besser ausgestaltete Arbeitsrahmenbedingungen sowie durch die Reform der Ausbildung der Pflegeberufe und deren verlässliche Finanzierung. Auch altersgerechte Arbeitsbedingungen gehören dazu. Die Aufgabenfelder professioneller Pflegefachkräfte sind weiterzuentwickeln, insbesondere durch die Verbesserung der Rahmenbedingungen für die Durchführung der Modellprojekte zur Heilkundeübertragung. Sie sind ein geeignetes Mittel, die Kooperation der Berufe im Gesundheitswesen und damit auch die Arbeitszufriedenheit der Beteiligten zu verbessern, Versorgungsqualität zu sichern und Versorgungsengpässe aufzufangen.
4. Pflegebedürftigkeit neu definieren
Der neue Pflegebedürftigkeitsbegriff ist zügig einzuführen, um somatisch und kognitivpsychisch erkrankten Pflegebedürftigen den gleichen Zugang zu den Leistungen der gesetzlichen Pflegeversicherung zu ermöglichen. Das Leistungsangebot ist entsprechend weiterzuentwickeln und soll flexibel in Anspruch genommen werden können.
5. Qualität in der Pflege fördern
Der Weg der Qualitätsorientierung ist uneingeschränkt fortzusetzen. Die Instrumente zur Qualitätssicherung müssen weiterentwickelt werden, sodass sie im internen Qualitätsmanagement zur Stärkung der Pflegefachlichkeit dienen und die Pflegequalität steigern. Darüber hinaus müssen die Qualitätsunterschiede für den Verbraucher transparent gemacht werden. Die Information darüber, wo gut gepflegt und betreut wird, muss für Verbraucher leicht zugänglich und verständlich zur Verfügung stehen. Zugleich müssen beruflich Pflegende von Bürokratie – soweit sie überflüssig ist – entlastet werden. Sie müssen mehr Zeit für die Pflege haben.
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Das Zeitalter der Pflege hat längst begonnen
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Jürgen Graalmann,
Vorstandsvorsitzender des AOK-Bundesverbandes
Auf kein gesellschaftliches Großprojekt hat sich die Koalition so schnell geeinigt wie auf eine umfassende Pflegereform. Im Koalitionsvertrag ist sie detailliert beschrieben. Jetzt müssen den Ankündigungen Taten folgen. Aktionen wie „Das Jahr der Pflege“, die vollmundig verkündet werden und dann verpuffen, sollte es jedenfalls nicht noch einmal geben. Pflegebedürftige, Pflegeangehörige und Pflegekräfte erwarten jetzt, dass Tempo gemacht wird. Das Zeitalter der Pflege hat längst begonnen.
Signal der Vernetzung
Dabei kann eine echte Strukturreform nur gemeinsam gelingen. Notwendig ist ein breites Bündnis aller relevanten Akteure im Pflegebereich. AOK, Deutscher Städte- und Gemeindebund und Deutscher Pflegerat haben sich deshalb zusammengetan und ein Positionspapier zu den größten Baustellen und wichtigsten Bauplänen im Pflegebereich formuliert. Dabei sind Pflegekasse, Kommunen und Pflegeberufe ja keine geborenen Partner. Wir sind uns aber einig darüber, dass Pflege ein Top-Thema ist und auf der politischen Agenda ganz nach vorne gehört.
Das Motiv der AOK ist klar: Bei uns sind rund 50 Prozent aller Pflegebedürftigen versichert. Bereits heute sind wir mit rund 700 Pflegeberatern vor Ort aktiv. Unterstützt werden unsere pflegebedürftigen Versicherten und deren Angehörige mit vielfältigen Angeboten. Das reicht von der qualitätsgesicherten Pflegeberatung, die zu den Pflegebedürftigen nach Hause kommt oder Angehörige von Demenzkranken begleitet, bis zur raschen Hilfe, wenn ein plötzlicher Pflegefall in der Familie eintritt.
Häusliche Pflege attraktiv gestalten
Im Mittelpunkt einer Pflegereform müssen die Interessen der Pflegebedürftigen stehen. Pflegebedürftige Menschen wollen so lange wie möglich selbstbestimmt im häuslichen Umfeld leben, das ergeben zahlreiche Umfragen. Die Statistik zeigt auch, dass immer mehr Menschen durch Pflegedienste betreut werden – vor allem die gemeinsame Pflege durch Angehörige und einen unterstützenden Pflegedienst nimmt zu. Gleichzeitig stagniert der Anteil der Pflegebedürftigen in stationärer Pflege. Diese Wünsche und Trends sollten wir ernst nehmen.
Aber ist „Ambulant vor stationär“ in der Pflege auch zukunftsfähig? Denn das Potential pflegender Angehöriger nimmt tendenziell eher ab. Angesichts von immer mehr Single-Haushalten, alternativen Familienmodellen und mobilen Erwerbsbiographien brauchen wir ganz verschiedene Lösungsansätze für die ganz unterschiedlichen Bedürfnisse der zu Pflegenden. Dazu gehört selbstverständlich auch eine gute stationäre Pflege für diejenigen, die sie benötigen. Und gerade im Übergang entwickeln sich viele innovative Wohnformen, die wir weiter fördern sollten, z.B. WGs, Generationenhäuser, Quartierskonzepte. Sinnvolle technische Assistenzsysteme und intelligente Lösungen für die Heimvernetzung können zusätzliche Unterstützung bieten.
Insgesamt gilt es, die Beratungskapazitäten vor Ort zu bündeln und die Unterstützungsangebote und Dienstleistungsstrukturen wohnortnah zu vernetzen. Außerdem müssen wir hochwertige ambulante Pflege sicherstellen und die Angehörigenpflege sowie ehrenamtliche Arrangements stärken, um das Pflegekräftepotential auszuschöpfen. Hier bietet sich die AOK als natürlicher Partner der Kommunen an, denn wir sind regional stark aufgestellt und quasi in jeder deutschen Kommune präsent.
Qualitätsstempel für gute Pflege
Unser gemeinsames Bekenntnis zur Qualität in der Pflege hat eine Voraussetzung: Qualität darf nicht geheim bleiben, sondern muss transparent werden. Wir setzen darauf, Qualitätsunterschiede bei Ärzten, Krankenhäusern, aber auch Pflegeeinrichtungen in Vergleichsportalen sichtbar zu machen, zum Beispiel im AOK Pflege-Navigator, mit dem man nach passenden Pflegediensten oder Pflegeheimen suchen kann. Das dient in erster Linie dem Verbraucherschutz, hilft aber auch den Pflegeheimen. Klar ist auch, dass die Pflegetransparenz weiterentwickelt werden muss. Dabei sollte vor allem die pflegerische Behandlungsqualität einen höheren Stellenwert erhalten.
Neuer Pflegebegriff unverzichtbar
Um die Pflege grundsätzlich besser und gerechter zu machen, müssen wir Pflegebedürftigkeit endlich neu definieren. Die Mechanismen, nach denen heute festgelegt wird, wie viel Pflege ein Mensch braucht, werden den tatsächlichen Bedürfnissen oft nicht mehr gerecht. Trotz einiger Verbesserungen sind vor allem Demenzerkrankte weiter benachteiligt. Natürlich ist die Umsetzung des neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs nicht trivial, und deshalb bedarf es im Übergang zu einer neuen Definition auch sorgfältiger Regelungen und Abgrenzungen. Wir sollten aber endlich den Mut aufbringen, den neuen Pflegebedürftigkeitsbegriff und das dazugehörige Begutachtungssystem einzuführen. Immerhin handelt es sich hier um das Kernstück der Reform. Eine weitere Pflegereform ohne neuen Pflegebegriff wäre nicht akzeptabel.
Es gibt die politische Zusage, mehr Geld für Pflege bereitzustellen. Der Finanzierungsockel in der sozialen Pflegeversicherung soll um beinah 25 Prozent angehoben werden! Natürlich bedeutet das eine Mehrbelastung für die Beitragszahler – unter diesem Gesichtspunkt muss jede Erhöhung sorgfältig bedacht werden. Doch Verbesserungen in der Pflege sind dringend notwendig – das erleben Pflegebedürftige, ihre Angehörigen, Ehrenamtliche und professionell Pflegende jeden Tag. Diese Verbesserungen kann es nicht zum Nulltarif geben. Gleichzeitig muss die Politik offen ansprechen, was die Menschen für die jetzt vorgesehenen Beitragssatzerhöhungen erwarten dürfen. Es muss klar werden, dass ein großer Teil der vorgesehenen Mittel das derzeitige Versorgungsniveau stabilisieren und den Realwertverlust stoppen soll. Weitere Mittel sollen in die Rücklage für einen Pflegevorsorgefonds fließen. Der geringere Teil steht dann noch für die Einführung des neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs und echte Leistungsverbesserung zur Verfügung.
Neben geldwerten Verbesserungen sollte uns vor allem eines wichtig sein: Die gesellschaftliche Wertschätzung der Pflege muss steigen. Auch dazu wollen wir unseren Beitrag leisten.
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Perspektiven der Versorgungsstrukturen
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Dr. Gerd Landsberg
Geschäftsführendes Präsidialmitglied, Deutscher Städte- und Gemeindebund
Städte und Infrastruktur umbauen
Die Bevölkerung in Deutschland schrumpft und altert. Die Zahl der Menschen, die auf Pflege angewiesen sind, wird dramatisch steigen und schon im Jahre 2050 auf 4,5 Mio. Personen geschätzt. Mit der heutigen Infrastruktur in den Städten und Gemeinden ist diese Aufgabe nicht zu bewältigen. So wie wir jetzt versuchen, in einem Kraftakt ein kinderfreundliches Land zu werden und die Kitaplätze in den letzten Jahren immens ausgebaut haben, werden wir uns auf die alternde Gesellschaft vorbereiten müssen. Jede Stadt und Gemeinde sollte ihre Bauplanung, die Planung ihrer Verkehrswege und die Infrastruktur der Nahversorgung auch daran ausrichten, wie viel ältere und dann auch pflegebedürftige Menschen in den nächsten 20 bis 30 Jahre voraussichtlich in dieser Gemeinde leben werden. Schon bei der Stadtplanung müssen die zukünftig erforderlichen häuslichen Versorgungsdienste, ambulante Pflegeeinrichtungen und ein vernetztes Hilfesystem im Sozialraum bedacht und berücksichtig werden.
Neue Wohn- und Lebensformen schaffen und weiter entwickeln
Die Mehrheit der älteren Menschen hat ein hohes Interesse daran, in ihrem Umfeld zu bleiben, auch wenn sie auf Pflegeleistungen angewiesen sind. Dafür brauchen wir neue Wohn- und Lebensformen. Mehrgenerationenhäuser mit Gemeinschaftseinrichtungen, aber auch mit Pflegeplätzen sollten nicht die Ausnahme, sondern die Regel werden. Auch die Wirtschaft ist gefordert, nicht nur bei der Produktentwicklung, sondern auch bei der Gestaltung von flexiblen Arbeitszeiten Freiräume zu schaffen. In diesen Freiräumen können Angehörige ihre alten Familienmitglieder pflegen oder aber auch sich ehrenamtlich für Dritte engagieren.
Medizinische Versorgung anpassen
Zur Verbesserung der Pflegesituation sollte auch ein neues Berufsbild wie z.B. der Arztassistent oder die Arztassistentin mit dem Schwerpunkt Pflege- bzw. Altersmedizin geschaffen und eingeführt werden. Nicht jede heute von einem ausgebildeten Arzt durchgeführte Maßnahme muss notwendigerweise in ärztlicher Regie erfolgen. Dies in Anlehnung an die früheren so genannten „Gemeindeschwestern“ sollten haushaltsnah medizinische Betreuungsmöglichkeiten zusätzlich eingerichtet werden.
Technisierung der Alterspflege fördern und aufbauen
Von der vollautomatischen Toilette über den Airbag-Gürtel, der beim Sturz den Oberschenkelhalsbruch verhindert, bis zum Umbettungsautomaten, können technische Einrichtungen die Pflege erleichtern und gleichzeitig professionalisieren. Die hier bereits in der Forschung vorhandenen Ansätze müssen zum Allgemeingut werden. Zumal dann auch die entsprechenden Preise für diese Geräte deutlich sinken werden.
Ehrenamt weiter stärken, Bundesfreiwilligendienst ausweiten
Der Bundesfreiwilligendienst hat sich auch für die Pflege im Alter als Erfolgsmodell entwickelt. Viele – auch ältere Menschen – engagieren sich hier. Die Stellenzahl sollte erhöht und die Qualifizierung für das Ehrenamt weiter ausgebaut werden. Auch die Anerkennung und Steigerung der Attraktivität des Pflegeberufes ist eine unverzichtbare Maßnahme, um den Herausforderungen gerecht zu werden.
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Im Koalitionsvertrag eher nur vage Absichtserklärungen
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Andreas Westerfellhaus,
Präsident des Deutschen Pflegerats
Die Anforderungen an eine nachhaltige Pflegepolitik stellen für die nächsten Jahre die gesundheitspolitischen Herausforderungen an eine neue Regierungskoalition dar. Nach Jahren des Analysierens muss nun endlich die Zeit des Handelns kommen. Zu drängend sind die vielen Probleme, die zu lösen sind, um auch zukünftig eine verlässliche und qualifizierte Versorgung der Menschen in unserer Gesellschaft mit professionellen Pflegeleistungen zu gewährleisten.
Im Koalitionsvertrag finden sich eher vage Absichtserklärungen als Schlagzeilen wie „Einführung des Pflegebedürftigkeitsbegriffes so schnell wie möglich…“, „Angleichung der Leistungen im ambulanten und stationären Bereich…“, „Veränderung des Schlüssels von Betreuungskräften und Pflegebedürftigen in stationären Einrichtungen…“, „Auszeit für pflegende Angehörige…“, „Weiterentwicklung der Pflegetransparenzvereinbarung“, „stärkere Einbindung der Kommunen in die Strukturen der Pflege“, „Erhöhung des Beitragssatzes zur Pflegeversicherung, „Aufbau eines Pflegevorsorgefonds“ usw.
Wenn es aber um die Fragestellung geht, mit wem sollen die Leistungen professioneller Pflege in der Zukunft erbracht werden, findet man eher Nebulöses wie „…gute Pflege setzt qualifiziertes und motiviertes Personal voraus…Einsatz für Personalmindeststandards, Reform der Pflegebildung und Prüfung von verbindlichen Verfahren zur Refinanzierung der Ausbildungskosten…..“???
Dabei spitzt sich der Fachkräftemangel aus unterschiedlichsten Gründen dramatisch zu. Jede Reform muss somit schon im Ansatz verpuffen, wenn nicht endlich an erster Stelle die Probleme der Pflegenden selber in den Fokus gerückt werden. Wir benötigen neben vielen konkreten Maßnahmen vor allem einen Aktionsplan zur Ausbildung und Qualifizierung- und zwar sofort. Das lange versprochene Berufegesetz Pflege im Rahmen einer generalistischen Qualifikation ist dringend auf den Weg zu bringen.
Die Rahmenbedingungen, unter denen Pflegende ihre Arbeit erbringen, sind umgehend durch angemessene Personalausstattungen zu entwickeln und erheblich verbesserte tarifliche Entlohnungen aufzuwerten.
Der Deutsche Pflegerat wird seine konstruktive Unterstützung in diesen Prozessen zusichern, er wird aber auch nicht akzeptieren, wenn Lösungen weiterhin verschleppt werden sollten.
Quelle: Pressekonferenz Deutscher Pflegetag 2014, 23.01.2014 (tB).