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DGHO-Jahrestagung 2019

Ein Jahr Lenvima® in der Erstlinientherapie des fortgeschrittenen oder inoperablen hepatozellulären Karzinoms (HCC)

 

  • Studiendaten bestätigen sich in der klinischen Praxis
  • Stellenwert der Systemtherapie nimmt zu

 

Berlin (8. November 2019) — Lenvima® (Lenvatinib) ist als Monotherapie seit einem Jahr für die Behandlung von erwachsenen Patienten mit fortgeschrittenem oder inoperablem HCC zugelassen, die zuvor noch keine systemische Therapie erhalten haben.[1] Im Rahmen der Jahrestagung der Deutschen, Österreichischen und Schweizerischen Gesellschaften für Hämatologie und Medizinische Onkologie (DGHO) in Berlin gab Prof. Dr. Henning Wege, Hamburg, einen aktuellen Überblick über die Therapie des HCC. Sein Fazit: Lenvima® ist auch im klinischen Alltag ein wirksames und gut handhabbares Medikament. Zusätzlich haben sich die Chancen auf eine Tumorkontrolle durch weitere neue Substanzen in der Zweitlinie verbessert. Der Stellenwert der Systemtherapie beim HCC nimmt zu.

Das Staging des HCC erfolgt in Europa nach dem Barcelona-Clinic-Liver-Cancer-System (BCLC).[2] Die Patienten werden anhand von Tumorlast, Leberfunktion (Child-Pugh-Score) und Allgemeinzustand in ein sehr frühes, frühes, intermediäres, fortgeschrittenes und terminales Stadium stratifiziert. Therapie der Wahl im intermediären BCLC Stadium B ist die Transarterielle Chemoembolisation (TACE).[3,4] Das Gesamtüberleben (OS) variiert unter diesem lokoregionären Ansatz zwischen ca. 20 und über 40 Monaten.[4,5] „Das liegt daran, dass es sich im BCLC Stadium B um ein sehr heterogenes Patientenkollektiv handelt“, so Prof. Wege. „Die Therapieentscheidung muss daher immer individuell erfolgen. Im Falle einer TACE sollte die Indikation hierfür immer wieder überprüft werden, um die Leberfunktion zu erhalten. Dies ist wichtig für den Einsatz von Folgetherapien. In der Praxis gilt es, den Zeitpunkt für einen Wechsel von der lokoregionären zur systemischen Therapie nicht zu verpassen. Denn mit modernen Multikinase-Inhibitoren wie Lenvatinib stehen gute Optionen zur Verfügung.“[6]

 

Wichtige Bereicherung der Erstlinientherapie mit Lenvima®

Die Wirksamkeit von Lenvatinib wurde in der randomisierten kontrollierten Phase-III-Studie REFLECT bei Patienten mit nicht resezierbarem, fortgeschrittenem HCC im Vergleich mit der bis dahin einzigen Standardtherapie Sorafenib evaluiert. Der Multikinase-Inhibitor war hinsichtlich des OS Sorafenib statistisch nachweisbar nicht unterlegen. Im Median betrug das OS unter Lenvatinib 13,6 und unter Sorafenib 12,3 Monate (HR: 0,92; 95%-KI: 0,79-1,06; Nicht-Unterlegenheitsgrenze definiert bei 1,08). Darüber hinaus zeigte sich eine statistisch signifikante und klinisch relevante Überlegenheit aller sekundären Wirksamkeitspunkte durch Lenvatinib im Vergleich mit Sorafenib. Das mediane progressionsfreie Überleben verdoppelte sich mit Lenvatinib im Vergleich zu Sorafenib von 3,7 auf 7,4 Monate gemäß Prüfarztbeurteilung mittels mRECIST (HR: 0,66; 95%-KI: 0,57-0,77; p<0,0001). Hinsichtlich der Zeit bis zur Progression (TTP) und der objektiven Ansprechrate (ORR) schnitt Lenvatinib ebenfalls besser ab als Sorafenib: nahezu 2,5-fach längere mediane TTP sowie 2,6-fach höhere ORR unter Lenvima® vs. Sorafenib.[7] In den Leitlinien der European Association for the Study of the Liver (EASL) und European Society of Medical Oncology (ESMO) ist Lenvatinib als Erstlinientherapie bereits verankert.[2,8,9]

„Es gab in den letzten 10 Jahren viele Versuche, die Wirksamkeit von Sorafenib in dieser Indikation zu erreichen. Lenvima® ist der einzige Multikinase-Inhibitor in der systemischen Therapie, mit dem das in einer Phase-III-Studie gelungen ist“, konstatierte Prof. Wege. „Dies zeigt aber auch, wie schwierig es ist, in dieser Indikation neue Therapien zu etablieren. Mit der Zulassung von Lenvatinib und neuen zielgerichteten Zweitlinientherapien können wir unseren Patienten eine erweiterte systemische Sequenztherapie anbieten, wenn die lokalen Maßnahmen ausgeschöpft sind. Das ist eine neue, erfreuliche Entwicklung in dieser schwierigen Indikation.“

Wie Prof. Wege am Beispiel einer von ihm behandelten Patientin zeigen konnte, bestätigt sich die Wirksamkeit von Lenvatinib auch im klinischen Alltag. „Ich setze Lenvatinib seit dem ersten Tag der Zulassung ein und meine Erfahrungen decken sich mit den Daten der REFLECT-Studie. Unsere Patienten sprechen in der Regel gut auf die Therapie an. Dies ist relevant, weil wir aus Post-hoc-Analysen wissen, dass das Ansprechen offenbar mit einem längeren Gesamtüberleben korreliert.“[10]

Häufige Toxizitäten wie zum Beispiel Diarrhö lassen sich Prof. Wege zufolge mit einem proaktiven und therapiebegleitenden Management gut handhaben. Gestützt wird dies durch Subgruppen-Analysen der REFLECT-Studie. Hier verschlechterte sich die Lebensqualität in Hinblick auf Diarrhö im Sorafenib-Arm eher als mit Lenvatinib.[11] Da sich die Therapietreue positiv auf den Therapieerfolg auswirken kann, sollte eine gute Aufklärung der Patienten zu Therapiebeginn über das mögliche Auftreten von Nebenwirkungen sowie das rechtzeitige Einleiten entsprechender Behandlungsmaßnahmen erfolgen. Interessant sind in diesem Zusammenhang auch retrospektive Daten, die darauf hindeuten, dass das Auftreten von Hypertonie, Diarrhö, Proteinurie und Hypothyreose mit einem signifikant längeren OS assoziiert sein kann.[12]

 

Lenvima® in der Sequenztherapie: Gesamtüberleben

Um das bestmögliche Therapieergebnis zu erzielen, müssen Überlegungen zur Sequenztherapie in die Behandlungsplanung mit einfließen, betonte Prof. Wege. Prospektive Daten liegen hierzu nicht vor. Jedoch weisen Ergebnisse einer weiteren Post-hoc-Analyse der REFLECT-Studie darauf hin, dass die Patienten ein längeres OS erreichen können, wenn nach Lenvatinib als erste systemische Therapie eine weitere Therapie gegeben werden kann. Demnach betrug das mediane OS bei Patienten mit initialer Lenvatinib-Therapie gefolgt von jeglicher Anti-Tumormedikation 20,8 Monate vs. 17,0 Monate im Sorafenib-Arm. Am häufigsten handelte es sich bei der Zweitlinientherapie um Sorafenib. Bei Patienten, die auf Lenvatinib in der Erstlinie angesprochen hatten (n=35) und anschließend Sorafenib bekamen, wurde sogar ein medianes OS von 26,2 Monaten erreicht.[13]

„Anhand der Subgruppenanalysen aus der REFLECT-Studie sehen wir, dass eine Sequenztherapie im BCLC Stadium B/C, die mit Lenvatinib beginnt, zu einem Gesamtüberleben von über 20 Monaten führen kann. Das ist in dieser Indikation eine sehr ermutigende Entwicklung, weil sie zeigt, dass sich die Prognose unserer Patienten durch die erweiterten Therapieoptionen verbessert.“[13]

 

Neue Entwicklungen in der Zweitlinientherapie

Durch die Zulassung neuer Wirkstoffe in der Zweitlinientherapie hat sich der Stellenwert der systemischen Behandlung beim fortgeschrittenen HCC zusätzlich erhöht. Zugleich spiegeln sich darin die Fortschritte in der Erstlinientherapie wider, weil zunehmend Patienten für eine Folgetherapie infrage kommen. Die Zulassungen beschränken sich gemäß der aktuellen Datenlage auf die Sequenztherapie nach der Vortherapie mit Sorafenib. Zur Verfügung stehen Regorafenib, Cabozantinib und Ramucirumab, wobei der Einsatz von Ramucirumab an einen hohen Wert des prognostischen Markers Alpha-Fetoprotein (AFP) gekoppelt ist.[14,15,16] Ausblick: Kombinationstherapien

Wie Prof. Wege berichtete, deuten sich auch beim fortgeschrittenen HCC neue Therapieansätze mit immunonkologischen Substanzen an. In den USA sind die PD-1-Antikörper Nivolumab und Pembrolizumab bereits als Zweitlinientherapien nach Sorafenib zugelassen.[17,18] Der Stellenwert von PD-L1 als Biomarker für das Ansprechen auf eine Immuntherapie ist derzeit noch unklar. Darüber hinaus sind insbesondere Kombinationstherapien von Tyrosinkinase-Inhibitoren oder monoklonalen Antikörpern mit Checkpoint-Inhibitoren interessant. Geprüft werden derzeit in Phase-III-Studien u.a. Lenvatinib plus Pembrolizumab (LEAP-002), Cabozantinib mit Atezolizumab (COSMIC-312) sowie Atezolizumab und Bevacizumab (IMbrave-150).[19,20,21] Des Weiteren sind Studien mit Checkpoint-Inhibitor-Kombinationen in der klinischen Entwicklung, wie zum Beispiel Nivolumab und Ipilimumab (CheckMate 9DW) und Durvalumab und Tremelimumab (HIMALAYA).[22,23] Ein weiterer Schwerpunkt der Forschung liegt darauf, prognostische und prädiktive Biomarker zu identifizieren.

 

Referenzen

  1. Fachinformation LENVIMA®; Stand: Juni 2019.
  2. EASL Clinical Practice Guidelines: Management of hepatocellular carcinoma. J Hepatol. 2018 Jul;69(1):182-236.
  3. Villanueva A et al. Hepatocellular Carcinoma. N Engl J Med. 2019 Apr 11;380(15):1450-1462.
  4. Sieghart W et al. Transarterial chemoembolization: modalities, indication, and patient selection. J Hepatol. 2015 May;62(5):1187-95.
  5. Lencioni R et al. Lipiodol transarterial chemoembolization for hepatocellular carcinoma: A systematic review of efficacy and safety data. Hepatology. 2016 Jul;64(1):106-16.
  6. Bolondi L et al. Heterogeneity of patients with intermediate (BCLC B) Hepatocellular Carcinoma: proposal for a subclassification to facilitate treatment decisions. Semin Liver Dis. 2012 Nov;32(4):348-59.
  7. Kudo M. et al. Lenvatinib versus sorafenib in first-line treatment of patients with unresectable hepatocellular carcinoma: a randomised phase 3 non-inferiority trial. Lancet, Februar 2018, Vol. 391, S. 1163-1173.
  8. Vogel A et al. Hepatocellular Carcinoma: ESMO Clinical Practice Guidelines for diagnosis, treatment and follow-up. Ann Oncol. 2019 May 1;30(5):871-873.
  9. Vogel A et al. Hepatocellular carcinoma: ESMO Clinical Practice Guidelines for diagnosis, treatment and follow-up. Ann Oncol. 2018 Oct 1;29(Suppl 4):iv238-iv255.
  10. Kudo M et al. Analysis of survival and objective response (OR) in patients with hepatocellular carcinoma in a phase III study of lenvatinib (REFLECT). J Clin Oncol 37, 2019 (suppl 4; abstr 186).
  11. Vogel A et al. Health-related quality of Life (HRQOL) and disease symptoms in patients with unresectable hepatocellular carcinoma (HCC) treated with lenvatinib (LEN) or sorafenib (SOR). Ann Oncol. 2017;28(suppl_5): v209-68.
  12. Sung MW et al. Association between overall survival and adverse events with lenvatinib treatment in patients with hepatocellular carcinoma (REFLECT). Journal of Clinical Oncology 37, no. 4_suppl (February 01, 2019) 317-317.
  13. Alsina A et al. Subsequent anticancer medication following first-line lenvatinib: A posthoc responder analysis from the phase 3 REFLECT study in unresectable hepatocellular carcinoma. J Clin Oncol 37,
    2019 (suppl 4; abstr 371) & Poster.
  14. Fachinfo Stivarga®; Stand: August 2018.
  15. Fachinfo CabometyxT; Stand: November 2018.
  16. Fachinfo Cyramza®; Stand: September 2019.
  17. FDA grants accelerated approval to nivolumab for HCC previously treated with sorafenib; https://www.fda.gov/drugs/resources-information-approved-drugs/fda-grant s-accelerated-approval-nivolumab-hcc-previously-treated-sorafenib (Abruf am 16.10.2019.)
  18. FDA grants accelerated approval to pembrolizumab for hepatocellular carcinoma; https://www.fda.gov/drugs/fda-grants-accelerated-approval-pembrolizumab– hepatocellular-carcinoma (Abruf am 16.10.2019).
  19. https://clinicaltrials.gov/ct2/show/NCT03713593?term=leap002&rank=1.
  20. https://clinicaltrials.gov/ct2/show/NCT03755791?term=cosmic+cabozantinib &rank=1.
  21. https://clinicaltrials.gov/ct2/show/NCT03434379?term=Imbrave-150&rank=1.
  22. https://clinicaltrials.gov/ct2/show/NCT04039607?term=checkmate+9dw&rank= 1.
  23. https://clinicaltrials.gov/ct2/show/NCT03298451?term=himalaya+tremelimum ab&rank=1.

 


Quelle: Eisai, 08.11.2019 (tB).

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