83. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Neurologie

Mit Tysabri® ehrgeizige Behandlungsziele bei MS erreichen

 

Mannheim (23. September 2010) Mit Tysabri®(A) (Natalizumab) kann das in der Therapie der schubförmigen Multiplen Sklerose (MS) neue Konzept der Freiheit von Krankheitsaktivität als Behandlungsziel bei einem erheblichen Teil der Patienten erreicht werden – sogar bei hochaktiver Erkrankung. Ein umfangreiches Forschungsprogramm ist angelaufen, um das Therapiemanagement in der Praxis zu evaluieren und die Sicherheit der Therapie weiter zu optimieren.

 

Seit einiger Zeit steht mit Tysabri® eine besonders effektive Immuntherapie zur Eskalationsbehandlung der schubförmigen Multiplen Sklerose (MS) zur Verfügung. Wie Prof. Dr. Bernhard Hemmer, München, anlässlich des 83. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Neurologie in Mannheim berichtete, bestätigen die mittlerweile vorliegenden Post-Marketing-Daten, dass die hohe Wirksamkeit hinsichtlich verschiedener Aspekte der Erkrankung über Jahre anhält. Unter der Therapie mit Tysabri® reduzierte sich in der AFFIRM-Studie die Schubrate signifikant und über 2 Jahre anhaltend um 68 % im Vergleich zu Placebo [1]. Das Risiko einer über 24 Wochen anhaltenden Behinderungsprogression wird durch Tysabri® im Vergleich zu Placebo um 54 % reduziert [1]. Auch die Krankheitsaktivität in der Magnetresonanztomographie (MRT) nahm signifikant ab: Neue oder sich vergrößernde Herde im T2-gewichteten MRT traten in dem Tysabri®-Arm über 2 Jahre hinweg um 82 % seltener auf als im Placeboarm, neue Gadolimium-aufnehmende Läsionen um 92 % seltener [1].

 

 

Tysabri® kann Krankheitsaktivität über Jahre stoppen

 

Eine Post-hoc-Analyse der AFFIRM-Studie stellte laut Prof. Hemmer fest, dass unter der Therapie mit Tysabri® der Anteil der Patienten, die über 2 Jahre eine Freiheit von Krankheitsaktivität erreichen, mit 37 % klar gegenüber Placebo (7,2 %) erhöht ist [2]. Dabei umfasst das neue Konzept der Freiheit von Krankheitsaktivität eine fehlende Aktivität im MRT, eine fehlende Behinderungsprogression sowie Schubfreiheit, wie Hemmer erläuterte. Auch Patienten mit initial besonders hoher Krankheitsaktivität definiert als mindestens 2 Schübe pro Jahr und mindestens eine Gadolinum-aufnehmende Läsion zu Studienbeginn profitierten: 27,4 % von ihnen waren über 2 Jahre frei von Krankheitsaktivität, wenn sie mit Tysabri® behandelt wurden, aber nur 1,7 % der Patienten in der Placebogruppe. Mit der Behandlung mit dem monoklonalen Antikörper kann auch eine anhaltende Verbesserung der bereits bestehenden Behinderung erreicht werden: Eine über 12 Wochen und länger anhaltende Verbesserung von mindestens 1,0 Punkten auf der EDSS stellten die Untersucher bei 35,5 % der Patienten mit hoher Krankheitsaktivität, die mit Tysabri® behandelt worden waren, fest, bei Placebogabe waren es nur 15,4 % [3].

 

Eine andere Studie zeigte zudem, dass die Therapie mit Tysabri® die für betroffene Patienten besonders belastende MS-assoziierte Fatigue nach eigener Beurteilung signifikant vermindern kann [4].

 

 

Sicherheitsdaten von Tysabri® bestätigt

 

Basierend auf Daten von mittlerweile weltweit 71.400 Patienten, die mit dem monoklonalen Antikörper Natalizumab behandelt worden sind, lässt sich die Sicherheit der Therapie immer besser abschätzen. Laut Hemmer wurden bis zum 2. September 2010 insgesamt 68 Fälle einer Progressiven Multifokalen Leukenzephalopathie (PML) unter Natalizumab-Behandlung bekannt. Postmarketing-Studien haben dabei gegenüber den Zulassungsstudien keine erhöhte Inzidenz der PML unter Natalizumab-Therapie ergeben, so Hemmer: Das PML-Risiko liegt bei 1 zu 1.000 mit einem erheblich geringeren Risiko zu Therapiebeginn und einem Anstieg des Risikos nach der 24. Infusion. Die Mortalität innerhalb der Gruppe von 68 PML-Patienten betrug (bis zum 2.9.2010) 21 % und ist damit laut Hemmer niedriger als bei einer PML beispielsweise bei Patienten mit HIV-Infektion. In den kommenden Jahren wird es wesentlich darauf ankommen, das individuelle PML-Risiko von Patienten bei Behandlung mit Tysabri® besser abschätzen zu lernen. Diskutiert wird ein Konzept der kumulativen Risikofaktoren, das unter anderem eine bestehende asymptomatische Infektion mit dem JC-Virus, Virusmutationen, individuelle Faktoren wie genetische Disposition und Immunfunktion sowie Medikamenteneffekte als Risiken umfasst. Ein wichtiger Baustein für die Risikoabschätzung ist die Entwicklung eines praxistauglichen Anti-JCV-Antikörpertests [5]. Hemmer ist wissenschaftlicher Leiter einer auch in Deutschland durchgeführten, multizentrische Studie (JEMS = JCV Epidemiology in Multiple Sclerosis), die mithilfe eines zweistufigen Anti-JCV-Antikörperassays die Seroprävalenz bei Patienten mit klinisch isoliertem Syndrom oder MS untersuchen wird. Weitere Untersuchungen gelten der Therapie der PML.

 

 

Umfangreiches Post-Marketing-Programm zur Therapieoptimierung läuft

 

Ein ganzes Paket von Studien untersucht derzeit Aspekte der Langzeittherapie mit Tysabri® – häufig mit deutscher Beteiligung, wie Prof. Dr. Bernd C. Kieseier, Düsseldorf, berichtete. Im Rahmen der prospektiven multinationalen Beobachtungsstudie (Tysabri® Observational Program, TOP) konnten in Deutschland bereits 629 Patienten ausgewertet werden [6]. Sie waren im Vergleich zu Patienten der Zulassungsstudien deutlich länger an MS erkrankt, hatten eine höhere mittlere Schubrate und einen fortgeschritteneren Behinderungsgrad, sprachen aber dennoch sehr gut auf die Behandlung mit Natalizumab an, so Kieseier. Nicht nur sank die Schubrate in allen Subgruppen mit zuvor unterschiedlicher Schubrate drastisch, auch der Behinderungsgrad nahm in einer vorläufigen Analyse signifikant ab.

 

Das Kompetenznetz Multiple Sklerose sucht außerdem derzeit an vier deutschen Zentren nach Biomarkern, die für Wirksamkeit und Sicherheit einer Langzeittherapie von Tysabri® von Bedeutung sind. Weitere nicht-interventionelle Studien sind im Sommer in Deutschland gestartet, so die Studie TYSABRI® 24plus, um systematisch Langzeiterfahrungen mit Tysabri® zu sammeln und auszuwerten, 12-MONITOR zur Dokumentation von Kooperations- und Durchführungsstandards innerhalb von Netzwerken über 12 Monate einer Tysabri®-Therapie sowie TYSABRI® TYSTART zum Monitoring der Behandlung vom Beginn der Therapie an. Weiter berichtete Kieseier über die Studie RESTORE, die den Zeitverlauf der Immunrekonstitution während einer 24-wöchigen Behandlungspause evaluieren soll, sowie über SURPASS, die die Wirksamkeit verschiedener Immuntherapien (Tysabri®, Rebif® und Copaxone®) bei schubförmiger MS mit hoher Krankheitsaktivität direkt vergleichen wird.

 

 

Neue Behandlungsoptionen: Ein Ausblick

 

Bei in den kommenden Monaten und Jahren wachsenden Therapiemöglichkeiten der schubförmigen MS wird es in besonderem Maße darauf ankommen, Nutzen und Risiken der verschiedenen Optionen sorgfältig gegeneinander abzuwägen, betonte Kieseier. Aktuell diskutiert werden zwei neue immunsuppressive Wirkstoffe: Fingolimod (FTY-720) sowie Cladribin, dessen EU-Zulassung am 24. September von der EMA abgelehnt wurde. Kieseier betonte das Spannungsfeld von Wirksamkeit, Verträglichkeit und Sicherheit, da sowohl Fingolimod als auch Cladribin ein Spektrum an potentiellen Nebenwirkungen besitzen. Dies macht ein intensives Patientenmonitoring sowie die Erhebung von Langzeitdaten zur Sicherheit und Wirksamkeit notwendig. Die Bewertung des Nutzen-Risiko-Profils von Tysabri® stützt sich aktuell auf über 100.000 Patientenjahre. In naher Zukunft werden weitere prospektive Untersuchungen nützliche Daten für das Risikomanagement der Therapie mit Tysabri® liefern.

 

 

Anmerkung

 

[1] Tysabri® ist als Monotherapie zugelassen für Patienten mit hoher Krankheitsaktivität trotz Behandlung mit einem Interferon beta mit mindestens einem Schub innerhalb der vergangenen 12 Monate und mind. 9 T2-Läsionen oder mind. 1 Gadolinium aufnehmender Läsion im kraniellen MRT oder bisher unbehandelte Patienten mit rasch fortschreitender schubförmiger MS mit mindestens zwei Schüben mit Behinderungsprogression innerhalb der vergangenen 12 Monate und Gadolinium aufnehmende Läsion oder signifikante Zunahme der T2-Läsionen.

 

  

Quellen

 

  1. Polman CH et al. N Engl J Med. 2006; 354: 899-910
  2. Havrdova E et al. Lancet Neurol 2009; 8: 254-260
  3. Munschauer F et al. ECTRIMS 2008, Poster P 474
  4. Wilken J et al. 62. Jahrestagung AAN, Toronto 2010, Poster P 6142
  5. Gorelik L et al. Ann Neurol 2010; 68: 295-303
  6. Wiendl H et al. 83. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Neurologie, Mannheim  2010, Poster P 780

 


 

Quelle: Pressekonferenz der Firma Biogen Idec zum Thema „TYSABRI® aktuell: Neue Behandlungsziele, optimiertes Sicherheitsmanagement – ein Ausblick ins neue Jahrzehnt“ am 23.09.2010 anlässlich des 83. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Neurologie  in Mannheim (Ogilvy Healthworld Düsseldorf) (tB).

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