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Schwerstkranke bei psychotherapeutischer Versorgung benachteiligt
Geeignete Behandlungsprogramme sind notwendig
Berlin (5. Mai 2010) – Auf Einladung der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde (DGPPN) diskutieren Experten am heutigen Mittwoch, den 5. Mai 2010, in Berlin über aktuelle Fragen der Psychotherapieversorgung in Deutschland. Die Fachgesellschaft macht auf die soziale Benachteiligung von schwer psychisch Kranken bei der psychotherapeutischen Versorgung aufmerksam und fordert spezielle Behandlungsprogramme für chronisch Kranke zu entwickeln.
Die Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde (DGPPN) kritisiert anlässlich ihres 8. Hauptstadtsymposiums zum Thema „Ärztliche Psychotherapie: Warum, wie und für wen? Aktuelle Fragen der Psychotherapieversorgung in Deutschland“, dass gerade Menschen mit schweren psychischen Erkrankungen in der psychotherapeutischen Versorgung benachteiligt sind. Ursache dafür ist, dass die von Fachärzten für Psychiatrie und Psychotherapie oder für Psychosomatik und Psychotherapie bzw. von den Psychologischen Psychotherapeuten im Rahmen der Richtlinienpsychotherapie erbrachten Leistungen stark reglementiert sind und den Bedürfnissen von Menschen mit schweren oder chronisch psychischen Erkrankungen nicht gerecht werden. Im Rahmen der Richtlinienpsychotherapie bezahlen die gesetzlichen Krankenkassen psychotherapeutische Behandlungen für einen zeitlich begrenzten Zeitraum. Chronisch Kranke sind aber auf eine längerfristige Behandlung angewiesen. Die Betreuung dieser Patientengruppe ist für die behandelnden Ärzte und Therapeuten sehr zeitintensiv. Oftmals sind eine begleitende Medikamentengabe oder sozialunterstützenden Maßnahmen notwendig.
Die DGPPN setzt sich daher mit Nachdruck dafür ein, mehr geeignete psychotherapeutische Programme speziell für Menschen mit schweren oder chronischen psychischen Erkrankungen bereit zu stellen, weiterzuentwickeln sowie auch Forschungsinvestitionen für deren Evaluation zu tätigen. Diese müssen sich mit medikamentösen und sozialtherapeutischen Maßnahmen im Rahmen eines Gesamtbehandlungsplans kombinieren lassen. Zudem fordert die Fachgesellschaft, dass der von Psychiatern geleistete Beitrag an der psychotherapeutischen Versorgung der Bevölkerung auch in der Finanzierung den ihr zustehenden Stellenwert erfährt. Während Psychiater/Nervenärzte 72 Prozent der psychiatrischen Fälle behandeln, erhalten sie dafür nur ein Viertel der Gesamtausgaben, dies nicht zuletzt deshalb, weil sich ihre psychotherapeutischen Leistungen im Entgelt nicht hinreichend abbilden lassen.
Hintergrund: Psychotherapieversorgung in Deutschland
Derzeit versorgen in Deutschland pro Quartal ungefähr 4.800 niedergelassene Psychiater und Nervenärzte knapp 1,9 Millionen psychisch kranke Patienten. Neben den Fachärzten für Psychiatrie und Psychotherapie bzw. für Nervenheilkunde ist eine ähnlich hohe Anzahl an ärztlichen Psychotherapeuten, das sind vor allem Fachärzte für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, und knapp 13.000 Psychologische Psychotherapeuten an der Behandlung psychisch kranker Menschen beteiligt. Ein wesentlicher Teil psychisch Kranker – fallbezogen ungefähr 40 Prozent – wird zudem durch den Hausarzt bzw. den Arzt für Allgemeinmedizin behandelt, der im eingehenden therapeutischen Gespräch die psychiatrische und psychosomatische Grundversorgung durchführt, den Patienten zu einer erfolgreichen Krankheitsbewältigung anleitet einschließlich der Behandlung solcher Probleme, die aus Interaktionen von körperlichen und seelischen Erkrankungen entstehen. Schließlich gibt es auch die fachgebundene Psychotherapie beispielsweise von Frauenärzten oder Hautärzten, die sich vor allem mit dem Auftreten psychischer Beschwerden bei körperlichen Erkrankungen beschäftigen.
Die psychotherapeutische Versorgung wird also von einer Vielzahl unterschiedlichster Berufsgruppen wahrgenommen. Dies führt zu einer gewissen Unübersichtlichkeit des Versorgungsangebots für die Betroffenen und deren Angehörigen. Neben der Vielfalt der in die Versorgung eingebunden Berufsgruppen und der unterschiedlichen Honorierung ihrer Tätigkeit, bestehen auch Unterschiede in der regionalen Versorgung von psychisch Kranken. Während in Großstädten sowie in Universitätsstädten die Versorgung gesichert ist, sind ländliche Regionen von einer massiven Unterversorgung betroffen. Ähnliches gilt für flankierende Angebote wie beispielsweise sozialpsychiatrische Dienste oder betreute Wohn- und Beschäftigungsangebote. Auch soziale Ungleichheiten sind zu verzeichnen. Besonders Patienten, die chronisch krank und sozial benachteiligt sind, haben das Nachsehen.
Quelle: Pressemitteilung der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde (DGPPN) vom 05.05.2010 (tB).