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Diabetesforschung
100.000 Babys auf erhöhtes Risiko für Typ-1-Diabetes in der Freder1k-Studie untersucht
München (31. Juli 2019) – Es ist ein erster Meilenstein für eine der größten Kooperationen der Typ-1-Diabetes-Forschung in Europa: Die internationale Plattform GPPAD („Die Globale Plattform zur Prävention des Autoimmunen Diabetes“) hat länderübergreifend 100.000 Neugeborene auf ein erhöhtes genetisches Risiko für Typ-1-Diabetes getestet. Teilnehmer 100.000 ist der zwei Wochen alte Arthur aus Eilenburg in Sachsen.
Wird bei einem Säugling ein erhöhtes Risiko festgestellt, werden die Eltern eingeladen, mit ihrem Kind an der Präventionsstudie „POInT“ mit oralem Insulin teilzunehmen. Das Ziel: die Autoimmunerkrankung Typ-1-Diabetes zu verzögern oder gar zu verhindern. Studienzentren in fünf europäischen Ländern (Deutschland, Belgien, Polen, Schweden und Großbritannien) begannen im November 2017 mit der innovativen Studie, darunter das Forschungsteam um Prof. Dr. Anette-Gabriele Ziegler, Direktorin des Instituts für Diabetesforschung am Helmholtz Zentrum München.
„Wir sind sehr glücklich, dass wir bereits 100.000 Kinder über GPPAD screenen konnten und sind vor allem den beteiligten Kliniken und Ärzt*innen sehr dankbar“, sagt Prof. Ziegler. „Diese Zahlen zeigen uns, dass die Familien ein starkes Interesse daran haben, den Risikostatus ihrer Kinder zu erfahren. Zudem sind wir somit auf einem sehr guten Weg in Richtung unserer Zielsetzung von europaweit 330.000 gescreenten Neugeborenen bis 2022. Und natürlich hoffen wir, dass unser Behandlungsansatz im Rahmen der Präventionsstudie ‚POInT‘ funktioniert. Dies wäre ein großer Schritt hin zu unserer Vision einer Welt ohne Typ-1-Diabetes. Doch bereits heute profitieren die Familien von der Früherkennung – durch Beratung und die exzellente medizinische Betreuung an all unseren Studienstandorten. Selbst wenn einige der Kinder Typ-1-Diabetes entwickeln sollten, werden die Familien durch die engmaschige Betreuung und rechtzeitige Schulung mögliche schwerwiegende Komplikationen vermeiden und so auch den allgemeinen Krankheitsverlauf verbessern.“
Familie Meiringer, deren Zwillinge Ben und Daniel an der ‚POInT‘-Studie teilnehmen, fügt hinzu: „Als wir von der Möglichkeit erfuhren, unsere Kinder auf ein erhöhtes genetisches Risiko für Typ-1-Diabetes testen zu lassen, waren wir schnell überzeugt. Es gibt uns ein gutes Gefühl zu wissen, dass wir alles tun, damit die Zwillinge möglichst nicht mit dieser Krankheit leben müssen – und natürlich unterstützen wir gerne die Forschung. Selbst wenn wir persönlich nicht davon profitieren sollten, so helfen wir auf jeden Fall anderen Familien für die Zukunft, wenn sie in derselben Lage sind wie wir jetzt.“
Das Screening wird mithilfe weniger Tropfen Blut durchgeführt, die aus der Nabelschnur direkt bei der Geburt oder später aus der Hand oder der Ferse des Kindes gewonnen werden. Die Teilnahme ist kostenlos und für Neugeborene bis zu vier Monaten möglich.
„Wir sind den Forscher*innen, Studienbetreuer*innen und allen anderen Beteiligten sehr dankbar, die sich der Erforschung von Typ-1-Diabetes widmen und für ein Leben ohne diese Erkrankung arbeiten“, sagt Dr. Gina Agiostratidou, Programmdirektorin für Typ-1-Diabetes des Leona M. und Harry B. Helmsley Charitable Trust, der GPPAD maßgeblich fördert. „Im Jahr 2014 hat das GPPAD-Team zusammen mit Helmsley begonnen, eine neue Plattform für Studien zur Prävention von Typ-1-Diabetes aufzubauen. Wir freuen uns auf die Fortsetzung unserer Zusammenarbeit, um unsere gemeinsame Vision einer Welt ohne Typ-1-Diabetes in die Realität umzusetzen.“
- Mehr zu GPPAD: www.gppad.org
Weitere Informationen
Typ-1-Diabetes: Typ-1-Diabetes ist eine Autoimmunkrankheit. Das bedeutet, dass sich das Immunsystem, das in erster Linie krankmachende Keime abwehrt, gegen körpereigene Strukturen richtet. Im Fall von Typ-1-Diabetes greift das Immunsystem die Insulin-produzierenden Zellen der Bauchspeicheldrüse an und zerstört sie. Insulin ist ein lebenswichtiges Hormon, das den mit der Nahrung aufgenommenen Zucker aus dem Blut in die Zellen schleust. Kann der Körper nur noch wenig oder gar kein Insulin mehr selbst herstellen, sammelt sich der Zucker im Blut an. Das kann zu lebensbedrohlichen Stoffwechselentgleisungen führen, weshalb an Typ-1-Diabetes Erkrankte deshalb lebenslang Insulin spritzen müssen. Doch auch gut eingestellte Patienten können an diversen Gesundheitsproblemen leiden. Die durchschnittliche Lebenserwartung von Kindern mit Typ-1-Diabetes ist noch immer um 14 bis 18 Jahre reduziert.
POInT: In der Studie ‚POInT‘ (Primary Oral Insulin Trial) wird versucht, das Immunsystem so zu trainieren, dass keine fehlerhafte Immunreaktion auftritt. Das soll durch die tägliche Gabe von Insulinpulver zusammen mit einer Mahlzeit gelingen. Denn das körpereigene Insulin ist oftmals das erste Ziel der Immunreaktion, die zu Typ-1-Diabetes führt. Über die Schleimhäute des Mundes und des Verdauungstraktes aufgenommen, soll das Insulinpulver dem Immunsystem eine Toleranz gegenüber dem körpereigenen Insulin antrainieren und dadurch die krankmachende Immunreaktion verhindern. Es dient nicht zur Senkung des Blutzuckers. Aktuell nehmen 317 kleine Probandinnen und Probanden an ‚POInT‘ teil – das ist ein Drittel aller getesteten Kinder, bei denen ein erhöhtes genetisches Risiko festgestellt wurde.
Die Globale Plattform zur Prävention des autoimmunen Diabetes (GPPAD) wurde 2015 gegründet. GPPAD hat sich zum Ziel gesetzt, eine internationale Infrastruktur für Studien zur Primärprävention von Typ-1-Diabetes zu etablieren. Die Studien zur primären Prävention von Typ-1-Diabetes sollen die Inzidenz der Betazell-Autoimmunität reduzieren und dadurch Typ-1-Diabetes verhindern. Voraussetzung dafür sind Screening-Programme, welche diejenigen Kinder erkennen, die auf Grund einer genetischen Prädisposition ein erhöhtes Erkrankungsrisiko haben. Zu den Mitgliedern von GPPAD zählen das Helmholtz Zentrum München, die Technische Universität München (TUM), das DFG-Forschungszentrum für Regenerative Therapien der Technischen Universität Dresden, die Hannoversche Kinderheilanstalt (Kinder- und Jugendkrankenhaus auf der Bult), die Universitäten von Oxford (Großbritannien), Lund (Schweden), Leuven (Belgien) sowie Instytut Matki i Dziecka und Medizinische Universität Warschau (beiden Polen).
Das Helmholtz Zentrum München verfolgt als Deutsches Forschungszentrum für Gesundheit und Umwelt das Ziel, personalisierte Medizin für die Diagnose, Therapie und Prävention weit verbreiteter Volkskrankheiten wie Diabetes mellitus, Allergien und Lungenerkrankungen zu entwickeln. Dafür untersucht es das Zusammenwirken von Genetik, Umweltfaktoren und Lebensstil. Der Hauptsitz des Zentrums liegt in Neuherberg im Norden Münchens. Das Helmholtz Zentrum München beschäftigt rund 2.300 Mitarbeiter und ist Mitglied der Helmholtz-Gemeinschaft, der 19 naturwissenschaftlich-technische und medizinisch-biologische Forschungszentren mit rund 37.000 Beschäftigten angehören.
Quelle: Helmholtz Zentrum München, 31.07.2019 (tB).