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„Die Verschreibungshoheit bei immunsuppressiven Therapien muss in ärztlicher Hand bleiben“

Berlin (20. Oktober 2022) — Apothekerinnen und Apotheker dürfen nun transplantierte Menschen beraten und ihre Medikation umstellen. Die Deutsche Transplantationsgesellschaft (DTG) und die Deutsche Gesellschaft für Nephrologie (DGfN) warnen ausdrücklich davor und befürchten, dass es zu Komplikationen und Transplantatverlusten kommen kann. Nur die behandelnden Ärztinnen und Ärzte kennen die persönliche Krankengeschichte, erwartbare Komplikationen, individuelle Therapieresistenzen oder Gegenanzeigen aufgrund von Komorbiditäten. Auch immunologische Untersuchungen des Blutserums, die vor jeder Dosisänderung oder Medikamentenumstellung erfolgen sollten, können in Apotheken nicht gemacht werden.

Transplantierte Patientinnen und Patienten dürfen seit Kurzem eine erweiterte Medikationsberatung in Apotheken bei Immunsuppression in Anspruch nehmen. Sinn ist die detaillierte Prüfung der gesamten Medikation, bei der im Rahmen der Beratung der Hintergrund der immunsuppressiven Therapie sowie Handhabungs- und Anwendungsprobleme erörtert werden sollen. Ebenso sollen Bedenken und Sorgen bezüglich der Therapie mit den versicherten Personen besprochen und einer Lösung zugeführt werden.

Die Deutsche Transplantationsgesellschaft und die Deutsche Gesellschaft für Nephrologie nehmen die Aufnahme dieser Dienstleistungen in den Katalog der pharmazeutischen Dienstleistungen mit der Möglichkeit, die Leistung zu Lasten der Krankenversicherung abzurechnen, mit Unverständnis und großer Sorge zur Kenntnis.

Medikationsberatung im Rahmen der Therapie und Nachsorge von Organtransplantierten gehört aus Sicht beider Fachgesellschaften alleinig in die Verantwortung der betreuenden ärztlichen Kolleginnen und Kollegen. Die immunsuppressive Therapie nach Organtransplantation ist hochkomplex und erfordert neben der profunden Kenntnis der Krankengeschichte der Betroffenen, ihrer Komorbiditäten und der individuellen Transplantationshistorie fachärztliche Kenntnis im Rahmen der Nachsorge. „Es gibt einen eklatanten Mangel an Spenderorganen, die Betroffenen warten oft viele Jahre auf eine Transplantation. Daher sollte keine Abstoßungsreaktion riskiert werden. Diese kann aber bereits durch kleinere Wirkstoffschwankungen entstehen, erst recht durch eine leichtfertige Umstellung der Immunsuppression. Die optimale Einstellung von transplantierten Patientinnen und Patienten ist höchst individuell, um die Balance zwischen ausreichender Immunsuppression und Nebenwirkungen perfekt auszutarieren, bedarf es immunologischer, laborchemischer Untersuchungen, die in Apotheken nicht geleistet werden können“, erklärt Prof. Julia Weinmann-Menke, Pressesprecherin der DGfN.

„Aus unserer Sicht kann daher eine Medikationsberatung in diesem sensiblen Patientenkollektiv nicht von einer Apothekerin oder einem Apotheker erbracht werden, selbst wenn die dafür erforderlichen Kenntnisse auf Basis des Curriculums der Bundesapothekerkammer erworben wurden“, ergänzt Prof. Dr. Mario Schiffer, Generalsekretär der DTG. „Eine Veränderung des therapeutischen Regimes, das von den Transplantationszentren festgelegt wurde, ist gefährdend für den erfolgreichen Transplantaterhalt. Abgesehen von einer unnötigen Verunsicherung der Betroffenen, wenn Arzt und Apotheker unterschiedliche Empfehlungen geben, erwarten wir durch diese Neuregelung in den Transplantationszentren erhöhte Komplikationsraten durch die nicht ärztliche Umstellung der Medikation transplantierter Menschen.“

Erschwerend komme hinzu, dass es keine digitalen Schnittstellen zwischen Transplantationszentren und Apotheken gibt wie in anderen europäischen Ländern, die ähnliche Mitberatungsmodelle durch Apotheken etabliert haben. Diese wäre aber aus Sicht der DTG und DGfN eine zwingend erforderliche Grundvoraussetzung. „Eine Veränderung der medikamentösen Therapie darf nicht ohne Einbindung des Transplantationszentrums und ohne Absprache mit den behandelnden Ärztinnen und Ärzten erfolgen. Nur sie kennen die persönliche Krankengeschichte, erwartbare Komplikationen, individuelle Therapieresistenzen oder Gegenanzeigen aufgrund von Komorbiditäten. Wir schätzen unsere pharmakologischen Kolleginnen und Kollegen und wünschen uns eine verstärkte Zusammenarbeit, z.B. im Bereich der Ahärenzschulung oder bei der Beratung von Arneimittelinteraktionen. Eine Einbindung und Vergütung qualifizierter Pharmazeutinnen und Pharmazeuten in den jeweiligen Transplantationszentren ist daher absolut wünschenswert. Die Verschreibungshoheit bei immunsuppressiven Therapien muss aber in ärztlicher Hand bleiben, wir riskieren sonst Transplantatverluste“, so Schiffer.

 

 


Quelle: Deutsche Gesellschaft für Nephrologie e.V. (DGfN), 20.10.2022 (tB).

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