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Lysosomale Speichererkrankungen – Wie kann ich die Krankheit erkennen?

Von Dr. med. Eugen Mengel

München (12. September 2008) – Lysosomen haben die Aufgabe, komplexe Makromoleküle in ihre einfachen Bausteine zu zerle­gen. Dieser Abbau erfolgt mit Hilfe einer Vielzahl von Hydrolasen, die jeweils auf ein bestimmtes Substrat spezialisiert sind. Bei einem genetisch bedingten Defekt eines lysosomalen Enzyms rei­chern sich die Substanzen an, die nicht abgebaut werden können, es kommt zur Funktionsstörung verschiedener Organsysteme. Allen lysosomalen Speicherkrankheiten gemeinsam haben den chronisch-progredienten Krank­heits­verlauf. Nach zunächst normaler Entwicklung treten allmählich charakteristische Symptome auf wie eine Hepatosplenomegalie, Kardiomyopathie, Deformitäten des Skeletts oder eine mentale Retar­dierung. Ein weiteres Charakteristikum ist die Beteiligung von mehreren Organsystemen am Krankheitsgeschehen. Unter dem Begriff lysosomale Speicherkrankheiten werden ca. 50 angeborene Stoffwechsel­­erkrankungen zusammen­gefasst.

Morbus Gaucher ist die häufigste lysosomale Speicher­krankheit, bei der eine genetisch bedingte Störung im Gluko­zerebrosidabbau vorliegt. Verursacht wird die Erkrankung durch einen Mangel des En­zyms Gluko­zere­brosidase. Nicht abgebautes Glukozerebrosid wird von Makrophagen ge­speichert, die im weiteren Krankheits­verlauf zu so genannten Gaucher-Zellen anschwel­len können. Diese Gaucher-Zellen lassen sich in Milz, Leber, Knochenmark, Nerven­system, Lunge und Lymphknoten nachweisen. Fehlfunktionen der betroffenen Organe führen zu den typischen klinischen Symptomen des M. Gaucher.

Man unterscheidet heute zwei Verlaufsformen des M. Gaucher. Klinisch ist der nicht-neu­ropathische M. Gaucher (alte Nomenklatur: M. Gaucher Typ 1) charakterisiert durch Ab­geschlagenheit, Hepatosplenomegalie, Knochenbefall sowie hämatologische (vor allem Anämie, Thrombo­zytopenie) und laborchemische Veränderungen. Krankheitsbeginn und Ausprägung der klinischen Symptome variieren beträchtlich. Der sehr viel seltener auftre­tende neuropathische M. Gaucher ist durch eine zusätzliche Beteiligung des Zentralner­vensystems gekenn­zeichnet.

Es gibt heute zwei spezifische Therapieansätze zur Behandlung des M. Gaucher. Bei der Enzymersatztherapie, die seit Anfang der 90er Jahre zur Verfügung steht, wird im Rah­men von 14-tägigen Infusionen das fehlende Enzym Glukozerebrosidase zugeführt, so dass Glukozerebroside wieder abgebaut werden können. Das Wirkprinzip der Substratregulationstherapie mit Zavesca Ò (Miglustat) besteht in der Hemmung des Enzyms Gluko­sylzeramid­synthase. Dadurch wird die Biosynthese der Speicher­substanz Glukosylzeramid verhindert und die Akkumulation dieses Substrats re­duziert. Im Gegensatz zur Enzym­ersatztherapie kann das Me­dikament oral verabreicht werden.

M. Niemann-Pick Typ C (NPC) gehört auch zur Gruppe der lysosomalen Speicherkrankheiten und ist durch ein großes Spektrum klinischer Erscheinungsbilder charakterisiert ist.

Entsprechend der heterogenen klinischen Symptomatik zeigen auch der Schweregrad und die Ausdehnung pathologischer viszeraler Veränderungen eine beträcht­liche Variabilität. Eine Splenomegalie mit oder ohne begleitende Hepatomegalie ist der am häufigsten anzutreffende makroskopische Befund. Manche Kinder zeigen sehr früh eine verzögerte motorische Entwicklung bei gleichzeitig minimalen oder fehlenden hepatischen Funktionsstörungen; diese Kinder weisen zum Zeitpunkt der Erstmanifestation in der Regel auch keine vertikale supranukleäre Blickparese (VSGP) auf. Eine VSGP tritt bei diesen Patienten jedoch häufig in späteren Erkrankungs­stadien auf.

Die klassische Form der NPC manifestiert sich im mittleren bis späten Kindesalter unter dem Bild von Unbeholfenheit und Gangstörungen, die zum Vollbild einer Ataxie fortschreiten.

GM2-Gangliosidosen sind degenerative Erkrankungen, die durch eine Speicherung von Lipiden vorwiegend im Zentralnervensystem charakterisiert sind. Morbus Tay-Sachs (Va­riante B der GM2-Gangliosidose) wird durch einen genetischen Defekt der Hexosaminida­se A hervorgerufen, ein Enzym, das für den Abbau von Gangliosiden verantwortlich ist. Bei der Variante 0 (Morbus Sandhoff) liegt ein Defizit der beiden Enzyme Hexosaminida­se A und B vor. Die Variante AB ist durch eine normale Aktivität der Hexosaminidase A und B charakterisiert; es fehlt jedoch ein Aktivator-Protein, das für eine normale Degrada­tion des GM2-Gangliosids erforderlich ist. GM2-Gangliosidosen ähneln sich in ihrem Ver­lauf mit raschem psychomotorischem Abbau, muskulärer Hypotonie bis zur generalisier­ten Lähmung, später auch mit Spastik, Blindheit, Taubheit, Krämpfen.

Mycopolysaccharidosen (MPS) werden durch einen genetischen Defekt im Abbau von Mycopolysacchariden bedingt. Nach klinischen und biochemischen Kriterien werden insgesamt 11 Typen/Subtypen von Mycopoly­saccharidosen unterschieden. Betroffen sind vor allem Gewebe des Skelettsystems, des Zentralnerven­systems, viszeraler Organe, der Haut und des Endokards.

Viele lysosomale Speicherkrankheiten konnten bisher nur symptomatisch behandelt werden. Präparate zur Enzymersatztherapie stehen jetzt für einige Erkrankungen zur Verfügung. Die Subs­tratreduktion stellt eine weitere Therapieoption dar, sie hat das Potential auch eine Wirkung am zentralen Nervensystem zu erzielen, da die Substanzen die Bluthirnschranke überwinden können.

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 Abb. 1:  Klassifikation.

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 Abb. 2: Chitotriosidase bei Kindern mit Splenomegalie.

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 Abb.3: Früherkennung: M. Niemann-Pick Typ C – juvenile Verlaufsform.

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 Abb. 4: Leitsymptome bei MPS.

 

Referent

Dr. med. Eugen Mengel
Kinderklinik der Universität Mainz
Zentrum für Stoffwechselkrankheiten
Langenbeckstraße 1
55131 Mainz


Quelle: Satelliten-Symposium der Firma Actelion zum Thema „Lyosomale Speichererkrankungen: selten gesehen – oft übersehen“ am 12.09.2008 in München, anlässlich der 104. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin (CGC Cramer-Gesundheits-Consulting) (tB).

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