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Dyspnoe – woran muss man bei Patienten mit systemischer Sklerose (SSc) denken?
Dr. med. J. Winkler
Wiesbaden (11. April 2010) – Die systemische Sklerose (oder auch progressive systemische Sklerodermie, SSc) ist eine Autoimmunerkrankung mit primärem Befall der Haut und Blutgefäße, jedoch kommt häufig und oft prognostisch relevant eine Mitbeteiligung von Lunge (Lungenfibrose und assoziierte pulmonal arterielle Hypertonie, APAH-SSc, bei 8 bis 15 Prozent der Patienten), Niere, Herz und Magen-Darm-Trakt vor.1
Dyspnoe ist ein subjektives Missempfinden im Zusammenhang mit der Atmung. Der Begriff charakterisiert die Anstrengung beim Atmen bzw. die Notwendigkeit einer gegenüber der Ruhe deutlich vermehrten Atmung. Als Ursachen einer chronischen Dyspnoe kommen zahlreiche Grunderkrankungen in Betracht. Um bei dieser Vielzahl möglicher Ursachen möglichst effizient zu einer Diagnose zu gelangen, wird frühzeitig versucht, pulmonale von kardialen Störungen zu unterscheiden. Bei einer Prävalenz der systemischen Sklerose zwischen 80 und 280/Mio. ist bei mindestens 30 Prozent der Patienten mit einer Dyspnoe aufgrund internistischer Ursachen zu rechnen. So wurde eine pulmonale Hypertonie in einer multizentrischen Erhebung an 50 Zentren in den USA bei 26,7 Prozent von 669 Patienten mit systemischer Sklerose oder Mischkollagenose nachgewiesen. Diese stellt unbehandelt auch heute mit einer 2‑Jahres-Überlebensrate von weniger als 50 Prozent die prognostisch schwerwiegendste Komplikation der systemischen Sklerose dar. Diese Prognose kann mit einer modernen spezifischen PAH-Therapie auf > 70 Prozent verbessert werden.2–6
Eines der ersten Anzeichen für das Auftreten einer pulmonalen Hypertonie als Komplikation einer systemischen Sklerose ist in der Regel das Auftreten einer Dyspnoe. Die Wahrnehmung der Belastungsdyspnoe und die Validität von Belastungstests können jedoch bei Patienten mit systemischer Sklerose durch eine allgemeine körperliche Limitierung durch Dekonditionierung, Kontrakturen und Ulzerationen an den Extremitäten (digitale Ulzerationen) herabgesetzt sein. Dies spricht auch bei offensichtlich asymptomatischen Patienten für ein regelmäßiges Screening auf pulmonale Hypertonie.7
Eine weitere Komplikation der systemischen Sklerose, die mit Dyspnoe einhergeht, ist die pulmonale Fibrose. Die pulmonale Fibrose entwickelt sich oft allmählich und ist besonders bei der diffus kutanen Form mit Nachweis von Topoisomerase‑I-Antikörpern (Anti-Scl-70, Fibrose bei ca. 25 Prozent der Patienten) verbunden. Die pulmonale Fibrose ist klinisch (basale fibrotische NG) und anhand von Lungenfunktionsprüfung und Computertomographie zu diagnostizieren. In schweren Fällen mit Hypoxie tritt als weitere Komplikation eine meist leichte pulmonale Hypertonie (WHO-Gruppe III.2) hinzu. In einer Studie an 125 Patienten mit systemischer Sklerose betrug der pulmonal arterielle Druck (PAP) bei 16 Prozent der Patienten über 40 mmHg. Die Erhöhung des PAP war jedoch bei nur 4,8 Prozent dieser Patienten fibroseassoziiert.
Die Bedeutung des echokardiographischen Screenings für die Frühdiagnostik der PH bei systemischer Sklerose ist vielfach belegt und in zahlreichen Empfehlungen verankert (Abb. 1).5 Je nach eingesetzten Grenzwerten für die geschätzten systolischen pulmonal arteriellen Drucke weisen 18 bis 27 Prozent der Patienten pathologische Befunde im Echokardiogramm auf, die auf eine pulmonale Hypertonie hinweisen (Abb. 2).1 Falsch positive Befunde und Diskrepanzen zu Katheterbefunden sind beschrieben und zu beachten. Das echokardiographische Screening kann durch Bestimmung von NT-pro-BNP und die Messung der Diffusionskapazität wirksam unterstützt werden. Risikofaktoren für die Entwicklung einer pulmonalen Hypertonie im Verlauf zeigt die Abb. 3. Eine pulmonale Hypertonie bei Patienten mit systemischer Sklerose kann, sofern sie nicht durch eine Lungenfibrose oder eine Ventilationsstörung erklärbar ist, auf eine assoziierte PAH (WHO-Gruppe I.4.1) hinweisen. 7
Besonders bei der limitierten kutanen Form der systemischen Sklerose ist mit einer assoziierten PAH häufiger zu rechnen. Kombinationen von Lungenfibrose und inadäquat schwerer assoziierter PAH werden auch bei Nachweis von nukleolären URNP-Antikörpern berichtet. Die Manifestation einer assoziierten PAH kann der Manifestation der systemischen Sklerose an der Haut auch zeitlich vorausgehen, weswegen bei neu diagnostizierter pulmonaler Hypertonie immer an eine ggf. bereits subklinisch vorhandene Kollagenose gedacht werden muss. Im französischen Register waren ca. 15 Prozent der PAH-Erkrankungen kollagenoseassoziiert.3
Vor einer Therapieentscheidung ist im Regelfall eine Rechtsherzkatheteruntersuchung zur Bestätigung, zur Schweregradeinstufung und zur Abgrenzung linkskardial bedingter Formen (PH der WHO-Gruppe II, oft bei diastolischer Dysfunktion und Myokardfibrose) erforderlich. Bei ca. 40 Prozent der SSc Patienten werden echokardiographisch linksventrikuläre Relaxationsstörungen gefunden; bei bis zu 14 Prozent signifikante Perikardergüsse. Rhythmusstörungen und Insuffizienzen an Mitral- und Aortenklappe kommen bei systemischer Sklerose ebenfalls häufiger vor.8
Nicht selten finden sich kombinierte Ursachen für eine PH bei gleichzeitigem Vorliegen einer diastolischen Dysfunktion, einer mäßigen Lungenfibrose mit Belastungshypoxämie und einer zusätzlichen PAH. Spiroergometrie und Rechtsherzkatheter mit Belastung können in solchen Fällen zur Gewichtung der einzelnen Faktoren und zur fundierten Therapieentscheidung beitragen. Die moderne Magnetresonanztomographie weist hierfür ebenfalls ein interessantes Potenzial bei aktuell noch fehlender Datenlage auf.
Wegen der Häufigkeit und der prognostischen Bedeutung der pulmonalen Hypertonie (PH) und besonders der pulmonal arteriellen Hypertonie (PAH) ist ein systematisches Screening bei Erstdiagnose und im Verlauf gerechtfertigt, denn Patienten mit systemischer Sklerose nehmen eine Dyspnoe nicht selten nur eingeschränkt wahr. Grenzwertige und ätiologisch nicht eindeutige Befunde in der Echokardiographie müssen in erfahrener Hand unter Hinzuziehung weiterer Parameter (Diffusionskapazität, NT-proBNP, Spiroergometrie) eingeordnet und weiter abgeklärt werden, wobei der Rechtsherzkatheter weiterhin den Goldstandard für die endgültige Diagnose einer PAH darstellt.6–8
Wichtige Aufgabenstellungen und zugleich Chancen für die Diagnostik von Patienten mit systemischer Sklerose in der Facharztpraxis sind daher:
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Die richtige Deutung von Leitsymptomen und körperlichen bzw. apparativen Untersuchungsbefunden ist Grundlage der Verdachtsdiagnose „Pulmonale Hypertonie“.
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Eine effektive Differenzialdiagnostik zur Abgrenzung einer PAH gegenüber sonstigen möglichen Ursachen von Dyspnoe und der Einsatz geeigneter Methoden zur Verifizierung und Schweregradeinstufung einer Verdachtsdiagnose PAH bei vorliegenden Symptomen/Befunden ist erforderlich;
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Das Management von Diagnose und Therapie durch die Organisation eines interdisziplinären regionalen Managements unter Einbeziehung von Rheumatologie, Dermatologie, Kardiologie und Radiologie ist zu optimieren.
Kernaussagen
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Dyspnoe ist häufig erstes Zeichen einer pulmonalen Hypertonie bei Patienten mit systemischer Sklerose.
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Eine unbehandelte assoziierte pulmonal arterielle Hypertonie stellt heute mit einer 2‑Jahres-Überlebensrate von ca. 50 Prozent die prognostisch schwerwiegendste Komplikation der systemischen Sklerose dar.
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Die klinische Herausforderung besteht darin, Patienten mit pulmonaler Hypertonie rechtzeitig zu erkennen, um möglichst in einem frühen Stadium den Krankheitsprozess positiv beeinflussen zu können.
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Die Rechtsherzkatheterisierung mit Vasoreagibilitätstestung ist zur hämodynamischen Charakterisierung bei der Differenzialdiagnose der pulmonalen Hypertonie international der „Goldstandard“.
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Das Management von Diagnose und Therapie kann durch die Organisation eines interdisziplinären regionalen Managements unter Einbeziehung von Rheumatologie, Dermatologie, Kardiologie und Radiologie optimiert werden.
Literatur
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Kowal-Bielecka O et al. EULAR recommendations for the treatment of systemic sclerosis: a report from the EULAR Scleroderma Trials and Research group (EUSTAR). Ann Rheum Dis 2009; 68: 620–628.
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Hachulla E et al. Early detection of pulmonary arterial hypertension in systemic sclerosis: a French nationwide prospective multicenter study. Arthritis Rheum 2005; 52: 3792–3800.
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Humbert M et al. Pulmonary Arterial Hypertension in France: Results from a National Registry. Am J Respir Crit Care Med 2006; 173: 1023–1030.
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Sánchez-Román J et al. Screening for PAH in patients with systemic sclerosis: focus on Doppler echocardiography. Rheumatology 2008; 47: v33–v35.
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Koh ET et al. Pulmonary hypertension in systemic sclerosis: An analysis of 17 patients. Brit J Rheumatol 1996; 35: 989–993.
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Galiè N et al. Guidelines for the diagnosis and treatment of pulmonary hypertension: The Task Force for the Diagnosis and Treatment of Pulmonary Hypertension of the European Society of Cardiology (ESC) and the European Respiratory Society (ERS), endorsed by the International Society of Heart and Lung Transplantation (ISHLT). Eur Heart J 2009; 30: 2493–2537.
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Chang B et al. Natural history of mild-moderate pulmonary hypertension and the risk factors for severe pulmonary hypertension in scleroderma. J Rheumatol 2006; 33: 269–274.
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Yamane K et al. Clinical and laboratory features of scleroderma patients with pulmonary hypertension. Rheumatology 2000; 39: 1269–1271.
Abbildungen
Abb. 1: Screeningempfehlungen bei SSc.
Abb. 2: Grenzwerte für echokardiographisches Screening auf PH bei SSc.
Abb. 3: Risikofaktoren für Entwicklung einer assoziierten PAH bei SSc.
Abb. 4: Häufigkeit der PAH bei Sklerodermie.
Abb. 5: Mortalität bei Sklerodermie.
Abb. 6: ESC/ERS-Leitlinien pulmonale Hypertonie.
Quelle: Satellitensymposium der Firma Actelion zum Thema “Pulmonal arterielle Hypertonie und digitale Ulzerationen: zwei Diagnosen – eine Therapie” am 11.04.2010 in Wiesbaden (DGIM Kongress 2010) (Cramer-Gesundheits-Consulting) (tB).