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Körperkunst – Positive Auswirkung von Sport auf die Psyche

 

Dr. med. Ralf Künzel

 

Berlin (13. September 2011) – Mens sana in corpore sano – der Jahrtausende alte Glaube an den Zusammenhang zwischen einem gesunden Geist und einem gesunden Körper basiert auf der Fehlinterpretation eines Zitats des römischen Satiredichters Juvenalis. Wer jetzt meint mit No Sports liege er richtig, zitiert ebenfalls falsch, denn es gibt keinen Beleg dafür, dass Winston Churchill dies je gesagt hat – und in seiner Jugend trieb er viel Sport.

 

Sporttherapie ist neben der Psychotherapie und Pharmakotherapie eine wichtige Behandlungsmaßnahme neuropsychiatrischer Erkrankungen. Ausdauersportarten wie Joggen, Nordic Walking, Radfahren und Aqua-Gymnastik wirken positiv bei Affektstörungen wie Stressreaktionen, Ängsten und Depressionen. Viele Untersuchungen belegen die Effektivität des Joggens sowohl im präventiven als auch im therapeutischen Bereich (Sachs & Buffone, Aaken, Weber, Bartmann).

 

Besonders gut belegt ist der Effekt von Sport bei der Depression und bei der Demenz (Ströhle). Mehrere randomisiert-kontrollierte Studien zeigen eine Linderung der depressiven Symptome sowie eine Verminderung des kognitiven Abbaus durch regelmäßigen Sport. Schon eine einmalige aerobe körperliche Betätigung kann Panikattacken verhindern, hat also einen akut angstlösenden Effekt.

 

Nachgewiesen ist auch die Erhöhung der Katecholamine Serotonin, Noradrenalin und Dopamin im Gehirn durch Ausdauerbelastung. Durch sportliche Belastung kommt es zur Ausschüttung von Stresshormonen und dem atrialen natriuretischen Peptid (ANP), das im Herzen als Reaktion auf körperliche Belastung freigesetzt wird und anxiolytisch wirkt, was dem Mechanismus von Antidepressiva ähnelt.

 

Bei Depressionen und Demenzen findet sich ein Mangel an Neurotrophinen wie BDNF (Brain-derived neurotrophic factor) im Gehirn. Sportliche Aktivität erhöht die Menge der Neurotrophine. Diese tragen zur Gedächtnisbildung bei und spielen beim Aufbau von Nervennetzen eine große Rolle. Das ist eine mögliche Erklärung für die Zunahme des Gehirnvolumens vor allem im Hippocampus und frontalen Cortex durch Ausdauersport (Small & Gage, Kramer).

 

Durch sportliche Aktivität erreicht man im psychologischen Sinne auch eine Aufmerksamkeits-Lenkung weg vom depressiven Selbstbezug (Gedankenkreisen, Grübeln) auf Außen- oder physische Innenreize. Zum Sport muss man sich immer wieder überwinden. Dieses Erfolgserlebnis wirkt sich positiv auf Selbstkonzept, Stimmung und interne Kontrollüberzeugung aus.

 

Empfehlenswert sind auch Sportarten, die in der Gruppe ausgeführt werden. Gemeinsam fällt es leichter, sich zu regelmäßiger körperlicher Aktivität zu motivieren. Sport in der Gemeinschaft fördert das Gruppenerlebnis und das Gefühl, gemeinsam etwas zu erreichen, schafft Gelegenheit zu nonverbaler Kommunikation und zur sozialen Anerkennung aufgrund der gezeigten Eigeninitiative bei der Bewältigung der Störung und des gesellschaftlichen Werts von Sport.

 

Sporttherapie kann bei allen psychischen Störungen durchgeführt werden. Sie führt zu einer Verbesserung der Grundsymptomatik, Prävention kardiovaskulärer Erkrankungen, Behebung von Bewegungsmangel und Konsumverringerung von psychotropen Substanzen wie z.B. Alkohol.

 

Wer unter starken psychischen Störungen leidet, hat oft das Gefühl als säße er in der Falle und zieht sich zurück. Die Sporttherapie durchbricht diesen Kreis sehr wirkungsvoll. Wer allerdings unter starken Depressionen leidet, benötigt auch Antidepressiva.

 

Auch bei der Rückfallprophylaxe schneiden Sporttreibende besser ab. Vielleicht hätten diese überzeugenden Ergebnisse schließlich auch Sir Winston wieder zum Sport animiert. Der britische Staatsmann litt nämlich in seinen späteren Jahren und bei weniger gesundem Lebenswandel unter Depressionen (Churchill’s Black Dog).

 

 

Autor

 

Dr. med. Ralf Künzel

Neurologie & Psychiatrie, Psychotherapie

Römerstraße 31

63486 Bruchköbel

 

 


Quelle: 10. Lundbeck Dialog ZNS am 13.09.2011 in Berlin (antwerpes) (tB).

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