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Endoluminale Chirurgie (NOTES – Natural Orifice Translumenal Surgery):
Wer profitiert von Operationen durch natürliche Körperöffnungen?
Von Prof. Dr. Anthony N. Kalloo
Düsseldorf (7. Februar 2008) – Die gastrointestinale Endoskopie hat in den vergangenen fünfzig Jahren wesentliche Fortschritte gemacht. Von der flexiblen Endoskopie in den 1950er Jahren über die ERCP in den 1970er Jahren bis zur Endosonographie in den 1980er Jahren hat sich die Endoskopie von einem rein diagnostischen Verfahren zu einem Verfahren mit therapeutischen Anwendungen gewandelt. Eine neue Weiterentwicklung ist die Vorstellung, das flexible Endoskop über die Grenzen des gastrointestinalen Lumens hinaus für Operationen außerhalb des Magen-Darm-Trakts anzuwenden. Die endoluminale Chirurgie durch natürliche Körperöffnungen könnte sicherer, weniger invasiv und kosteneffektiver als der herkömmliche offene oder laparoskopische Zugang sein.
Seit der Erstbeschreibung der Einlage einer Ernährungssonde per Gastrostomie ohne Laparotomie durch Gauderer et al. 1980 wurden auch andere endoskopische Verfahren über einen transgastrischen Zugang beschrieben. Die Zielorgane lagen bei diesen Verfahren jedoch immer in enger anatomischer Beziehung zur Magenwand. Von den vielen Veränderungen, die derzeit in der Endoskopie stattfinden, hebt sich die endoluminale Chirurgie (NOTES) ab. Sie stellt einen Paradigmenwechsel dar. Das seit jeher vertretene Konzept, dass Gastroenterologen die Magen-Darm-Wand nicht verletzen sollten, wird durch NOTES in Frage gestellt.
Der erste veröffentlichte Bericht über NOTES erschien 2004 und stammte von Kalloo et al. vom Johns Hopkins Hospital. Nach einer üblichen Endoskopie des oberen Gastrointestinaltrakts haben wir die Magenwand mit dem Nadelmesser inzidiert, die Inzision mittels Ballondilatation oder Pull-Sphinkterotom erweitert und ein Standard-Duodenoskop in die Peritonealhöhle eingeführt. Es wurde eine Inspektion der Peritonealhöhle und eine Leberbiopsie durchgeführt. Anschließend erfolgte der Verschluss der Magenwandinzision mit handelsüblichen Clips. Wir haben erstmals festgestellt, dass der orale transgastrische Zugang zur Peritonealhöhle technisch machbar ist und zahlreiche neue Möglichkeiten für diagnostische und therapeutische Eingriffe in der Peritonealhöhle eröffnet.
Derzeit entwickelt sich NOTES schnell weiter. Die erste NOTES-Appendektomie beim Menschen durch die indischen Professoren Rao und Reddy eröffnete weitere Anwendungsmöglichkeiten beim Menschen. In Europa, Lateinamerika und den Vereinigten Staaten wurden bereits transvaginale und transgastrische Cholezystektomien erfolgreich durchgeführt. Bislang wurden diese Eingriffe komplikationslos nach Genehmigung und unter Aufsicht durch eine Ethikkommission durchgeführt. Die Ergebnisse sind Erfolg versprechend und stimmen für eine zukünftige breite Anwendung von NOTES optimistisch.
Mögliche Vorteile von NOTES gegenüber derzeitigen Operationsverfahren?
NOTES ermöglicht intraperitoneale chirurgische Eingriffe ohne Inzision der Bauchwand. Hierdurch bleiben keine sichtbaren Narben zurück und es kommt zu keinen Bauchwandinfektionen und -hernien. Diese Art Operation verursacht potentiell weniger Schmerzen und weniger Adhäsionen als derzeitige chirurgische Zugänge.
Mehrere Studien, bei denen laparoskopische mit offenen Operationen verglichen wurden, haben gezeigt, dass die neuroendokrine Stressreaktion und die Entzündungsreaktion (Zytokin-Konzentration im Blut) bei der Laparoskopie bei gewahrter Immunreaktion (Überempfindlichkeit vom verzögerten Typ) geringer war. Die Größe der Inzision, das Ausmaß der Manipulation an der Bauchwand und das Trauma tragen zur Immunsuppression bei. Diese Daten lassen darauf schließen, dass kleinere Inzisionen und weniger Manipulationen zu einem besseren postoperativen Ergebnis führen. Unter dem Aspekt der minimalen Invasivität spricht einiges für NOTES, da die Bauchwand nicht inzidiert und weniger manipuliert wird.
Offene Operationen verursachen einen größeren Schaden am Peritoneum und somit mehr Adhäsionen als die Laparoskopie. Die anschließende Anlagerung der Peritonealflächen bei inadäquater fibrinolytischer Aktivität (tritt bekanntermaßen postoperativ auf) führt zur Bildung von Adhäsionen. Schwerwiegende Folgen von Adhäsionen wie Infertilität, chronische Bauchschmerzen und Darmverschluss erhöhen die Morbidität und das Risiko sowie den Schwierigkeitsgrad einer erneuten Operation. Da bei NOTES das Peritoneum wenig oder gar nicht geschädigt würde, könnte sie zu weniger Adhäsionen führen als die offene Chirurgie und theoretisch sogar als die laparoskopische Chirurgie. Diese Hypothese müsste durch Studien belegt werden.
Laparoskopische Verfahren wurden von Patienten schnell akzeptiert, da sie weniger Narben verursachen, die Genesung beschleunigen und weniger Kosten verursachen. Die fehlende Bauchwandinzision müsste nach gleicher Argumentation theoretisch weniger Schmerzen, eine niedrigere Morbidität sowie eine schnellere Genesung mit kürzeren Krankenhausaufenthalten bewirken. Der finanzielle Nutzen durch die kürzere Arbeitsunfähigkeit ist für Patienten möglicherweise ebenfalls attraktiv. Derzeit lassen sich erweiterte endoskopische Verfahren in tiefer Sedierung durchführen. Dies ermöglicht im Gegensatz zu laparoskopischen und offenen Operationen die Durchführung von endoluminalen Eingriffen ohne Allgemeinanästhesie und endotracheale Intubation.
Neben den oben erwähnten Faktoren hat NOTES den Vorteil, dass viele Organe transluminal besser zugänglich sind. Seit der Erstbeschreibung der transgastrischen Peritoneoskopie haben mehrere Untersucher die gute intraabdominelle Sicht und Manipulationsmöglichkeit von Organen mit Hilfe von derzeit verfügbarem endoskopischem Zubehör bestätigt.
NOTES: Aktuelle Situation
Führende Mitglieder der American Society of Gastrointestinal Endoscopy (ASGE) und der Society of American Gastrointestinal and Endoscopic Surgeons (SAGES) haben sich im Juli 2005 in New York City zur Bildung einer Arbeitsgruppe getroffen (Natural Orifice Surgery Consortium for Assessment and Research – NOSCAR). Bei diesem Treffen hat die Gruppe Themen zur Weiterentwicklung der endoluminalen Chirurgie angesprochen, die notwendigen Schritte aufgeführt und Leitlinien erstellt. Eine Zusammenfassung dieses Treffens wurde im Februar 2006 als Weißbuch gemeinsam von ASGE und SAGES veröffentlicht. Im März 2006 fand eine internationale NOTES-Konferenz statt, an der weitere Experten der interventionellen Endoskopie und laparoskopischen Chirurgie aus aller Welt teilnahmen, um die Herausforderungen im Zusammenhang mit der endoluminalen Chirurgie zu erörtern. Diese globale Gruppe hat zusammen mit Vertretern der Industrie die zukünftige Richtung und mögliche Hindernisse von NOTES erörtert, die überwunden werden müssen, damit diese Behandlung sicher und effektiv ist. Nähere Informationen über den Ablauf der Konferenz finden Sie unter www.noscar.org.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der transluminale Zugang zur Peritonealhöhle den Vorteil einer „schnittlosen“ Operation bieten könnte, die zu einer schnelleren Genesung führt, weniger postoperative Schmerzen verursacht, keine Narben oder Hernien an der Bauchwand hinterlässt und zu weniger Adhäsionen führt. Er ist sicher vorteilhaft in Situationen, bei denen der transabdominale Weg nicht optimal ist (z. B. stark adipöse Patienten, bei denen eine erhöhte Gefahr von postoperativen Wundkomplikationen gegeben ist, und bei Patienten mit einer Infektion der vorderen Bauchwand oder starken Vernarbungen). NOTES ist eine interessante Möglichkeit zur Verbesserung von chirurgischen Eingriffen unter Ausnutzung der Kenntnisse, Vorstellungen und Erfindungsgabe von Endoskopikern und endoskopischen Chirurgen.
Verfasser
Anthony N. Kalloo, MD
Professor für Medizin
Leiter der Abteilung Gastroenterologie und Hepatologie,
The Johns Hopkins Hospital
Room 1m12
Cancer Research Building II
1550 Orleans Street,
Baltimore, MD 21231
Quelle: Pressekonferenz der Firma Olympus anlässlich des 10. Internationalen Symposiums „Diagnostische und Therapeutische Endoskopie“ am 07.02.2008 in Düsseldorf (John Warning Corporate Communications) (tB).