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Erste kausale Therapie der Opioid-induzierten Obstipation
Erster selektiver m-Opioid-Rezeptor-Antagonist Methylnaltrexon (Relistor®) erhält Zulassung für Europa
Münster /Berlin (08. Juli 2008). Heute wurde der peripher wirkende m-Opioid-Rezeptor-Antagonist Methylnaltrexon (MNTX, Relistor®) zur Therapie der Opioid-induzierten Obstipation (opioid-induced constipation, OIC) von der EMEA zugelassen. Der erste Vertreter eines neuen, kausalen Wirkprinzips ist bei Patienten mit fortgeschrittener Erkrankung, die palliative Pflege erhalten und die unzureichend auf die üblichen Laxanzien ansprechen, indiziert. Grundlage für die Zulassung sind zwei Phase-III-Studien, in denen Relistor® eine schnelle und planbare Aufhebung der Opioid-induzierten Obstipation bewirkt. Experten sprachen auf der Einführungs-Presse-veranstaltung in Berlin über die OIC als häufige und besonders schwerwiegende Nebenwirkung der Opioidtherapie, da sie in vielen Fällen den Erfolg der Schmerzbehandlung gefährdet. Darüber hinaus wurden die Auswirkungen auf die Pflege der Patienten, sowie der neue kausale Therapieansatz der OIC mit Relistor® aufgezeigt.
Die Opioid-induzierte Obstipation stellt eine der häufigsten Nebenwirkungen einer Opioidtherapie dar. Bis zu 90 Prozent der Patienten, die ein WHO Stufe-III-Opioid zur adäquaten Schmerzbekämpfung erhalten, sind davon betroffen.[i] „Die OIC kann den Erfolg der Schmerztherapie stark gefährden, da viele Patienten die Obstipation als so belastend empfinden, dass sie eher ihre Opioiddosis senken würden als weiter unter der stark einschränkenden Obstipation leiden zu müssen“, sagte Dr. Reinhard Sittl, Erlangen zu Beginn seines Vortrags. „Ein besonderes Problem der OIC ist, dass sich im Vergleich zu anderen Nebenwirkungen der Opioidtherapie, wie beispielsweise Übelkeit und Erbrechen, keine Toleranz entwickelt“, so Sittl weiter. Bislang erhalten die Patienten zur Milderung der Beschwerden Laxanzien, die jedoch bei nur 52 Prozent[ii] der Betroffenen die Obstipation hinreichend verbessern. Zudem wirken Laxanzien nur unspezifisch und symptomorientiert. Darüber hinaus haben einige Präparate eine lange Wirkeintrittsdauer von initial bis zu 72 Stunden. Nebenwirkungen der Laxanzien, zu denen unter anderem unkontrollierter Stuhlabgang und Inkontinenz gehören, belasten die Lebensqualität der Patienten enorm und erschweren auch die Aufgabe des Pflegepersonals.
Relistor® – Erste kausale Therapie der OIC
Mit der Zulassung von Relistor® steht jetzt ein neuer, kausaler Therapieansatz zur Verfügung: Der periphere m-Opioid-Rezeptor-Antagonist ist der erste in Europa zugelassene Vertreter eines neuen Wirkprinzips, der selektiv die Bindung der Opioid-Rezeptoren im Darm kompetitiv hemmt. „Das quartäre Derivat des Morphin-Antagonisten Naltrexon zeichnet sich durch eine höhere Polarität sowie eine geringere Fettlöslichkeit aus, weshalb Methylnaltrexon die Blut-Hirn-Schranke nicht überwindet. Insofern bleibt der analgetische Effekt der Opioide im ZNS bestehen“, erklärte Prof. Peter Conzen, München.
Relistor® – Erster zugelassener Vertreter eines neuen Wirkprinzips zur kausalen Therapie der
Opioid-induzierten Obstipation: Methylnaltrexon (Relistor®) ist der erste m-Opioid-Rezeptor-Ant-
agonist, der die Bindung der Opioide an die peripheren Rezeptoren im Darm selektiv blockt. Auf-
grund seiner Struktur ist Relistor® nicht liquorgängig, so dass der analgetische Effekt der Opi-
oide im ZNS bestehen bleibt. Relistor® ist damit der erste zugelassene Vertreter eines neuen
Wirkprinzips zur kausalen Therapie der Opioid-induzierten Obstipation. Photo: Wyeth Pharma.
Quellen: Yuan C.-S.: Methylnaltrexone Mechanisms of Action and Effects on Opioid Bowel Dysfunction and Other
Opioid Adverse Effects. The Annals of Pharmacotherapy 2007; 41: 984-993.
Choi Y.S., Billings J.A.: Opioid Antagonists: A Review of Their Role in Palliative Care, Focusing on Use in
Opioid-Related Constipation. J Pain Symptom Manage. 2002 Jul; 24(1):71-90.
Shaiova L., Rim F., Friedman D., Jahdi M.: A review of methylnaltrexone, a peripheral opioid receptor
antagonist, and its role in opioid-induced constipation. Palliat Support Care. 2007 Jun;5(2):161-6.
Die Wirksamkeit und Sicherheit von Relistor® wurde in zwei doppelblinden, randomisierten Phase-III-Studien[iii],[iv] überprüft. In beiden Untersuchungen litten die Patienten unter einer fortgeschrittenen Erkrankung, erhielten eine konstante Opioid-Applikation und hatten entweder in den vorangegangenen 48 Stunden keinen oder weniger als dreimal in der vergangenen Woche Stuhlgang. „Die Ergebnisse der Studie 301 zeigten, dass 62 Prozent der Patienten, die 0,15 mg/kg Methylnaltrexon erhielten, innerhalb von vier Stunden nach der Gabe Stuhlgang hatten. Im Plazebo-Arm waren es nur 13 Prozent“ so der Experte.
Schneller und planbarer Wirkeintritt bei guter Verträglichkeit
Auch die Ergebnisse der zweiten Studie, die einen Beobachtungszeitraum von zwei Wochen umfasste, sind viel versprechend. Die Untersuchung wurde noch vor der Zulassung bereits im Mai dieses Jahres im New England Journal of Medicine publiziert. „79 Prozent der Patienten hatten nach mindestens einer der sieben Relistor®-Gaben innerhalb von vier Stunden Stuhlgang“ informierte Conzen. „Der Wirkeintritt von MNTX war sehr schnell. Bei der Hälfte der Patienten, die innerhalb von vier Stunden auf den Wirkstoff ansprachen, lag die mittlere Zeit bis zum Stuhlgang bei nur 30 Minuten.“ Die Unterschiede zwischen den beiden Studienarmen blieben über den gesamten Beobachtungszeitraum bestehen: Mit Relistor® hatten nach jeder der sieben Verabreichungen signifikant mehr Patienten innerhalb von vier Stunden Stuhlgang als mit Plazebo.
Im Anschluss an die doppelblinde Phase konnten sich die Patienten an einer offenen Behandlungsphase mit Relistor® über drei Monate beteiligen. Auch über diese Zeitspanne zeigte sich die gute und langanhaltende Wirksamkeit von Methylnaltrexon. Sowohl bei Patienten, die in der zweiwöchigen doppelblinden Phase dem MNTX-Studienarm zugeordnet waren als auch bei denen, die Plazebo erhalten hatten und erst jetzt Relistor® bekamen.
MNTX wurde in beiden Untersuchungen gut vertragen, wobei flüchtige Bauchkrämpfe und Flatulenz zu den häufigsten Beschwerden gehörten. Die Symptome wurden von den Patienten jeweils als mild oder moderat beschrieben. „Die übrigen Nebenwirkungen lagen auf Plazebo-Niveau und die der Grade 3 und 4 standen in keinem Zusammenhang mit Methylnaltrexon“, berichtete der Experte. Während der Behandlung blieb der analgetische Effekt der Opioide im ZNS bestehen. In keiner der beiden Studien zeigten sich signifikante Änderungen im Schmerz-Score (VAS). Zudem traten keine Entzugssymptome oder klinisch relevante Hautirritationen an der Injektionsstelle auf.4
Abschließend wies Conzen auf das Potenzial in weiteren Indikationsgebieten hin. So liegt es nahe, dass auch andere Nebenwirkungen, die durch Bindung der Opioide an periphere Rezeptoren vermittelt werden, mit dem neuen Wirkstoff verbessert werden. Hierzu gehört beispielsweise Harnretention, Juckreiz, Übelkeit und Erbrechen.
OIC aus Sicht der Pflege
Die Symptome der OIC belasten betroffene Patienten enorm. „Deshalb ist es wichtig, dass die Obstipation frühzeitig erkannt wird, denn nur so kann sie verhindert und die Lebensqualität der Patienten gesteigert werden“, so Professor Jürgen Osterbrink, Salzburg. Für die Einschätzung der Obstipation stehen verschiedene Fragebögen zur Verfügung. Mit diesen können entweder der Schweregrad, oder auch die Belastung der Obstipation für die Alltagsbewältigung und die Symptome genau beschrieben werden. Ein großes Problem ist jedoch, dass diese Einschätzung in der klinischen Praxis häufig nur unzureichend durchgeführt wird. „Ein Grund hierfür kann zum einen das Unvermögen der Patienten sein, die Kennzeichen der Obstipation zu benennen, zum anderen aber auch, dass Ärzte andere Krankheitszeichen der Grunderkrankung stärker wahrnehmen“, erläuterte Osterbrink, weiterhin. Hinzu kommt, dass bei vielen Patienten neben einer Opioidgabe auch weitere obstipationsfördernde Faktoren vorliegen können, unter anderem ein reduzierte ballaststoffreiche Nahrung sowie metabolische Störungen oder Immobilität.
Bei Verstopfung können jedoch auch Komplikationen auftreten, wie beispielsweise Urinretention, die durch Stuhlansammlung im Becken hervorgerufen wird. Dies stellt eine Prädisposition für eine Infektion des ableitenden Harnsystems dar.
Unbehandelt kann die Opioid-induzierte Obstipation zudem hohe Therapiekosten verursachen, da sich nach-folgende Krankheitsbilder ergeben können. Ein Beispiel hierfür ist die Ausbildung einer Kopro-stase, eine Stauung von Kot im Dickdarm. „Insofern ist es auch für die Pflege der Palliativpatienten besonders bedeutsam, dass nun ein Wirkstoff verfügbar ist, der eine schnelle und planbare Lösung der OIC bewirken kann“, so Osterbrink abschließend.
Studie 301: Ansprechen auf Relistor® bei einer einmaligen Gabe: In der Studie
mit 154 eingeschlossenen Patienten wurde die Wirksamkeit von Relistor® in
zwei verschiedenen Dosierungen gegenüber Plazebo geprüft. Die Ergebnisse
zeigen, dass mit Methylnaltrexon bei 62 bzw. 58 Prozent (0,15 mg/kg bzw.
0,3 mg/kg) innerhalb von vier Stunden nach Verabreichung eine Defäkation zu
beobachten war gegenüber 13 Prozent in der Plazebo-Gruppe. Relistor® führte
innerhalb von 24 Stunden nach der Gabe bei 68 bzw. 64 Prozent (0,15 mg/kg
bzw. 0,3 mg/kg) der Patienten zu einer Defäkation vs. 33 Prozent unter Plazebo.
Photo: Wyeth Pharma
Quelle: Yuan C.-S.: Methylnaltrexone Mechanisms of Action and Effects on Opioid Bowel Dysfunction
and Other Opioid Adverse Effects. The Annals of Pharmacotherapy 2007; 41: 984-993.
Studie 302: Ansprechen auf Relistor® innerhalb von vier Stunden über zwei Wochen: In der
Studie mit 134 Patienten mit fortgeschrittener Erkrankung wurde die Wirksamkeit von Methyl-
naltrexon (MNTX) über einen Zeitraum von zwei Wochen geprüft. Nach der ersten Gabe von
Relistor® bzw. Plazebo hatten 48 Prozent der Patienten des MNTX-Arms innerhalb von vier
Stunden Stuhlgang vs. 15 Prozent im Plazebo-Arm. Dieser Unterschied blieb über den Beob-
achtungszeitraum von zwei Wochen bestehen: Nach jeder der sieben Verabreichungen hatten
unter Relistor® signifikant mehr Patienten innerhalb von vier Stunden Stuhlgang als unter
Plazebo. Photo: Wyeth Pharma GmbH
Quelle: Thomas, J. et al.: Methylnaltrexone for Opioid-Induced Constipation in Advanced Illness. N Engl J Med 2008;
358: 2332-43
Studie 302: Schneller und planbarer Wirkeintritt der Defäkation mit Relistor®: Methylnaltrexon
bewirkt eine schnelle und planbare Lösung der Opioid-induzierten Obstipation. Bei der Hälfte
der Patienten, die innerhalb von vier Stunden auf Relistor® ansprachen, lag die mediane Zeit
bis zur Defäkation bei 30 Minuten. Fast alle dieser Patienten hatten innerhalb von einer Stunde
Stuhlgang. Photo: Wyeth Pharma GmbH
Quelle: Thomas, J. et al.: Methylnaltrexone for Opioid-Induced Constipation in Advanced Illness. N Engl J Med 2008;
358: 2332-43
[i] Deutsche Gesellschaft für Schmerztherapie: Schmerztherapie, Sonderheft 2006.
[ii] Pappagallo M.: Incidence, Prevalence and Management of Opioid Bowel Dysfunction. The American Journal of Surgery 2001; 182:.S11-S18.
[iii] Yuan C.-S.: Methylnaltrexone Mechanisms of Action and Effects on Opioid Bowel Dysfunction and Other Opioid Adverse Effects. The Annals of Pharmacotherapy 2007; 41: 984-993.
[iv] Thomas, J. et al.: Methylnaltrexone for Opioid-Induced Constipation in Advanced Illness. N Engl J Med 2008; 358: 2332-43.