Ethikkommission

Medizinische Forschung in Einklang mit Patientenrechten und Datenschutz bringen

 

Witten/Herdecke (10.Juli 2012) – „Im Rahmen einer Arzneimittelprüfung soll ein neues Medikament getestet werden, das möglicherweise bei einem Schlaganfall hilft. Das Präparat muss innerhalb von drei Stunden nach dem Anfall gespritzt werden. Schlaganfall-Patienten können aufgrund ihres Zustands aber nicht aufgeklärt werden und in die Teilnahme an dieser Studie einwilligen. Oder: In seiner Doktorarbeit möchte ein Student Gewebeproben von Tumorpatienten untersuchen, wobei deren Einwilligung nicht vorliegt und aus naheliegenden Gründen auch nicht nachträglich eingeholt werden kann. Sind solche Studien rechtlich zulässig und ethisch vertretbar oder nicht?“ Prof. Dr. Peter Gaidzik nennt zwei Beispiele für die Arbeit der Ethikkommission an der Universität Witten/Herdecke. Er bildet mit Prof. Dr. Petra Thürmann und Prof. Dr. Hagen Tronnier dessen Vorstand.

Anderes Beispiel: „Medikamente sind in ihrer Dosierung für Erwachsene erforscht und zugelassen. Aber Kinder haben einen anderen Stoffwechsel, die Medikamente wirken anders und nur so über den Daumen eine halbe Tablette verabreichen ist auch keine gute Lösung. Also müssen selbst zugelassene Medikamente für Kinder und auch für ältere Menschen quasi neu erforscht werden. Wer soll aber die notwendige Einwilligung für die Versuchsreihen unterschreiben?“ Für Gaidzik und die Mitglieder der Ethikkommission ein Dilemma, denn welches Gut sollen sie mehr schützen – die gesetzlich vorgeschriebene informierte Einwilligung des Patienten oder die Gesundheit vieler Kinder, die durch eine falsche Dosierung gefährdet sein könnten.

Für Gaidzik, der approbierter Arzt und gleichzeitig Rechtsanwalt ist, ein Traumjob: „Der Probandenschutz steht für uns im Vordergrund. So kümmern wir uns auch um deren datenschutzrechtlichen Belange und sorgen z. B. dafür, dass die personenbezogenen Daten möglichst früh in der Auswertung verschlüsselt werden.“ Ein tragendes Element der Arbeit ist der „informed consent“ der Teilnehmer, die schriftlich und mündlich über Zielsetzung, Ablauf und Risiken einer Studie informiert werden und ebenfalls schriftlich ihrer Teilnahme sowie der Verwendung ihrer Daten zustimmen müssen. „Eine laienverständliche Informationsschrift gelingt dabei den Forschern nicht immer auf Anhieb. Ist eine Aufklärung der Betroffenen nicht möglich, wie in dem oben angeführten Beispiel, müssen Nutzen und Risiken besonders sorgfältig abgewogen werden. Gegebenenfalls sind Aufklärung und Einwilligung nachzuholen, entweder durch den Betroffenen oder – z.B. bei längerfristiger Bewusstlosigkeit – seinen dann gerichtlich zu bestellenden Betreuer“, schildert er die Aufgaben.

An der Universität Witten/Herdecke existiert seit 1996 eine Ethikkommission, die insgesamt derzeit aus rund 30 Mitgliedern besteht. Es sind Apotheker darunter, Juristen, Pflegewissenschaftler, Biomathematiker bzw. Statistiker und Zahn- bzw. Humanmediziner, aber auch Patientenvertreter, Theologen und Philosophen. Dem manchmal gegenüber universitären Ethikkommissionen geäußerte Verdacht einer weniger kritischen Haltung („dort prüfen sich die Kollegen derselben Universität wechselseitig“) ist man in Witten dadurch begegnet, dass die Ethikkommission rechtlich selbstständig als privatrechtlicher Verein verfasst ist und auch ihre Mitglieder nur zum Teil aus der UW/H stammen. Z.B. gehört Prof. Dr. phil. Jan Beckmann dazu, Philosoph mit dem Arbeitsschwerpunkt Medizinethik an der Fernuni in Hagen, dessen Sachkunde als Mitglied der Zentralen Ethikkommission für Stammzellenforschung sowie der Ständigen Kommission Organtransplantation bei der Bundesärztekammer auch bundesweit gefragt ist.

Gaidzik zieht für sich ein positives Fazit: „Für mich persönlich war es eine Herausforderung, als ich vor mehr als 10 Jahren nebenamtlich die Geschäftsführung der Kommission übernahm. Es stehen eben die rechtlichen Rahmenbedingungen medizinischer Forschung eher selten im wissenschaftlich-fachlichen Fokus. Hier das Gleichgewicht zwischen Probandenschutz und Lobbyinteressen, zwischen Forschungsfreiheit und allzu starker bürokratischer Gängelung zu finden, ist ein mehr als lohnendes Ziel.“


Über uns


Die Universität Witten/Herdecke (UW/H) nimmt seit ihrer Gründung 1982 eine Vorreiterrolle in der deutschen Bildungslandschaft ein: Als Modelluniversität mit rund 1.450 Studierenden in den Bereichen Gesundheit, Wirtschaft und Kultur steht die UW/H für eine Reform der klassischen Alma Mater. Wissensvermittlung geht an der UW/H immer Hand in Hand mit Werteorientierung und Persönlichkeitsentwicklung.

 

 


Quelle: Universität Witten/Herdecke, 10.07.2012 (tB).

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