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„European Society of Hypertension“ rät
Blutdrucksenker nicht aus Angst vor Covid-19 absetzen!
Heidelberg (21. April 2020) — Spekulationen zu Sars-Cov-2 verunsichern viele Patienten: Blutdrucksenker könnten demzufolge anfälliger für Coronavirus-Infektionen machen. Doch die „European Society of Hypertension“ widerspricht: Es gibt bislang keinen Beweis, dass blutdrucksenkende Medikamente mit einem höheren Infektionsrisiko einhergehen. Daher gibt es auch keinen Grund, diese Medikamente aus Angst vor Covid-19 abzusetzen – so die Kernaussage einer Stellungnahme der europäischen Fachgesellschaft. Die Deutsche Hochdruckliga DHL® schließt sich dieser Empfehlung an.
Das SARS-CoV2 Virus nutzt zum Eintritt in die Zellen das Enzym ACE2. Dieses wird von Zellen der Lunge produziert, wo es auf der Zell-Oberfläche präsentiert wird und als „Eintrittspforte“ für das Virus dienen kann. Dieser krankheitsauslösende Mechanismus von Sars-Cov-2 hat viele Patienten mit Bluthochdruck verunsichert, denn die blutdrucksenkende Therapie kann zu einer leichten Erhöhung von ACE2 führen – und mehr „Eintrittspforten“, so die Befürchtung, könnten Betroffene anfälliger für die Infektion mit dem neuartigen Virus machen. Dieses Risiko stuft die europäische Bluthochdruckgesellschaft („European Society of Hypertension“/ESH) [1] jedoch als sehr gering ein und rät Bluthochdruckpatientinnen und -patienten, weiterhin ihre blutdrucksenkenden Medikamente wie verschrieben einzunehmen.
Zwar baut ACE2 Blutdruckhormone des Renin-Angiotensin-Systems ab, welche von dem verwandten Enzym ACE gebildet werden und gängige Blutdrucksenker, wie ACE-Hemmer und die so genannten Sartane, blockieren die Blutdruckhormoneffekte, was in Studien zu einer leichten Erhöhung des ACE2 geführt hat. Doch: Es gibt bislang keinen Beweis, dass blutdrucksenkende Medikamente mit einem höheren Infektionsrisiko einhergehen. Daher gibt es auch keinen Grund, diese Medikamente aus Angst vor Covid-19 abzusetzen. Die ESH empfiehlt Patienten mit Bluthochdruck stattdessen, die gleichen Vorsichtsmaßnahmen zu treffen wie andere Menschen der gleichen Altersklasse (und gleichem Risikoprofil durch Begleiterkrankungen).
Sich vor der Virusinfektion möglichst gut zu schützen, ist das Gebot der Stunde, und zwar insbesondere für alle älteren Menschen, die in der Regel auch eine höhere Krankheitslast als jüngere Menschen, also mehr Begleiterkrankungen, aufweisen. Es ist bekannt, dass eine Covid-19-Erkrankung besonders bei älteren Menschen schwerere Verläufe nehmen kann. Datenauswertungen, die zeigen, dass ein Großteil der Coronavirus-infizierten Patienten, die auf der Intensivstation behandelt werden mussten, Bluthochdruck hatten, sorgen immer wieder für Aufregung. Bei der Interpretation solcher Daten ist aber Vorsicht geboten: Auch in der gesunden Allgemeinbevölkerung hat jeder Zweite im Alter von über 60 Jahren Bluthochdruck, in höheren Altersstufen liegt dieser Anteil noch höher. Somit ist es nicht verwunderlich, dass unter Covid-19-Patienten mit sehr schweren Verläufen, auch jenen, die an der Virusinfektion versterben, der Anteil an Bluthochdruck entsprechend hoch ist. Schließlich waren laut Angaben des Robert Koch-Instituts [2] 86% der Menschen, die in Deutschland am derzeit grassierenden Coronavirus verstarben, 70 Jahre oder älter. „Der stärkste Risikofaktor für eine schweren Covid-19-Verlauf sind das Alter und die Zahl der Begleiterkrankungen, dazu zählt auch Bluthochdruck. Aber wie sehr Bluthochdruck allein für sich betrachtet das Risiko erhöht, kritisch zu erkranken, ist derzeit nicht bezifferbar“, erklärt Professor Florian Limbourg, Hannover, Vorstandsmitglied der Deutschen Hochdruckliga DHL®. „Es liegt aber auf der Hand, dass Menschen mit gut eingestelltem Blutdruck ein geringeres Risiko haben, schwer an Covid-19 zu erkranken, als Menschen, bei denen eine über Jahre eine unbehandelte Bluthochdruckerkrankung bereits zu Organschädigungen geführt hat. Letztlich sollte auch das Patienten bestärken, in dieser Situation keinen Abbruch der Blutdrucktherapie zu erwägen.“
„Selbst, wenn Menschen mit Bluthochdruck an Covid-19 erkranken, ist das nach derzeitigem Stand der Forschung kein Argument, die Blutdrucksenker abzusetzen, schon gar nicht ohne Rücksprache mit dem behandelnden Arzt. Zu diesem Schluss kommt auch unsere europäische Fachgesellschaft“, ergänzt Professor Ulrich Wenzel, Hamburg, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Hochdruckliga DHL®.
Was also sollten Patientinnen und Patienten mit Bluthochdruck beherzigen?
- Sich vor der Virusinfektion möglichst gut zu schützen, ist das Gebot der Stunde, und zwar insbesondere für alle älteren Menschen.
- Es gibt bislang keinen Beweis, dass blutdrucksenkende Medikamente mit einem höheren Infektionsrisiko einhergehen. Daher gibt es auch keinen Grund, diese Medikamente aus Angst vor Covid-19 abzusetzen
- Selbst, wenn eine Covid-19-Erkrankung vorliegt, gibt es keinen zwingenden Grund, die Medikamente abzusetzen oder umzustellen.
Bei Verunsicherung empfiehlt die Deutsche Hochdruckliga, den behandelnden Arzt anzurufen – keinesfalls sollte die Medikamenteneinnahme ohne Wissen des Arztes verändert werden. Auskunft erhalten Patientinnen und Patienten darüber hinaus bei der DHL®-Telefonsprechstunde jeden Mittwoch, 18-20 Uhr unter der Telefonnummer 06221/588 55 55 (siehe https://www.hochdruckliga.de/experten-geben-antwort.html )
Literatur
- Statement of the European Society of Hypertension (ESH) on hypertension, Renin-Angiotensin System (RAS) blockers and COVID-19. April 15th 2020. https://www.eshonline.org/spotlights/esh-statement-covid-19 ; in dt. Übersetzung: https://www.hochdruckliga.de/stellungnahme/items/statement-esh-coronavirus.html
- https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Situationsberichte/…
Originalpublikation
Quelle: Deutsche Hochdruckliga, 21.04.2020 (tB).
Schlagwörter: COVID-19, Hypertonie, Kardiologie