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Evangelisches Krankenhaus Königin Elisabeth Herzberge
Zentrum mit Alleinstellungsmerkmal
Berlin (3. September 2010) – Am 3. September feierte das Berliner Behandlungszentrum für Menschen mit geistiger Behinderung und psychischer Erkrankung sein zehnjähriges Bestehen. Gesundheitssenatorin Katrin Lompscher bestätigte die Vorreiterrolle, die das Zentrum in Berlin und darüber hinaus übernommen hätte.
Menschen mit geistiger Behinderung leiden häufiger als die Normalbevölkerung an psychischen und somatischen Erkrankungen – oft unerkannt und medizinisch nicht behandelt. Bei den Patienten, die sich häufig nur eingeschränkt oder gar nicht verbal äußern können, sind dabei die Symptome häufig unspezifisch und mehrdeutig. Werden sie nicht erkannt und behandelt, verstärken sie selbstverletzendes oder aggressives Verhalten. Seit dem Jahr 2000 bietet das Behandlungszentrum für psychisch kranke Menschen mit geistiger Behinderung (BHZ) auf dem Gelände des Evangelischen Krankenhauses Königin Elisabeth Herzberge (KEH) in Berlin-Lichtenberg diesen Patienten eine qualifizierte Versorgung. Am 3. September 2010 feierte es sein zehnjähriges Bestehen.
Versorgungsauftrag für ganz Berlin
Psychische Erkrankungen bei Menschen mit geistiger Behinderung erfordern eine umfassende Diagnostik sowie ein spezifisches Therapie- und Behandlungsangebot. Neben der klinisch-psychiatrischen und psychotherapeutischen Behandlung stehen heiltherapeutische Betreuungs- und Förderangebote für diese Patienten zur Verfügung. Das Therapieangebot des BHZ umfasst – neben der Pharmakotherapie – heilpädagogische Einzel- und Gruppenarbeit, verhaltens- und störungsspezifische therapeutische Verfahren, soziales Kompetenztraining, körperorientierte Entspannungsverfahren, Ergo-, Kunst- und Musiktherapie, Belastungstraining und Außenaktivitäten im Tagesförderbereich sowie verschiedene Methoden zur Verbesserung der sensitiven Wahrnehmung und Entspannung wie im Snoezelen-Raum. „Das Behandlungszentrum hat einen Versorgungsauftrag für ganz Berlin“, erläutert Oberarzt Dr. Christoph Schade, Leiter des BHZ. „Unsere Patienten kommen nach Voranmeldung oder durch Zuweisung zu uns. Die ambulanten Einrichtungen und Wohngemeinschaften kennen das BHZ und auch die Krankenhäuser, aus denen Patienten als Notfälle überwiesen werden.“ Vor zehn Jahren hatte der Berliner Senat den Vollversorgungsauftrag zur psychiatrischen Behandlung von Menschen mit geistiger Behinderung im Land Berlin erteilt. Durch die Eröffnung der Psychiatrischen Institutsambulanz im Jahr 2005 wurde der Bekanntheitsgrad höher, so dass inzwischen sogar Patienten aus Brandenburg und anderen Bundesländern zur Behandlung angemeldet werden.
Sensibilisierung und Aufklärung sind nötig
„Die somatische Abklärung vor Beginn der Behandlung ist besonders wichtig“, sagt Dr. Schade. „Vielfach sind Krankheiten die Ursache von Verhaltensauffälligkeiten. Das häufige Schlagen ans Ohr kann auf eine Mittelohrentzündung hinweisen. Rheuma, Magenprobleme, Frakturen, Zahnschmerzen – das sind nur einige der somatischen Probleme, die mitbehandelt werden müssen. Körperliche Erkrankungen werden in enger konsiliarischer Zusammenarbeit mit den jeweiligen Abteilungen unseres Hauses behandelt.“ Der Grad der Aufklärung diesbezüglich ist verbesserungsbedürftig. Die Auffälligkeiten werden häufig der Behinderung zugeordnet. Wahnvorstellungen oder Aggressionen sind aber keine Kennzeichen einer Behinderung. „Seit einiger Zeit lässt sich eine Sensibilisierung erkennen“, fügt Sozialarbeiter Dr. Michael Böhm hinzu. „Es wird erkannt, dass psychische Krankheitssymptome neben der Behinderung vorhanden sind, und die Behandlung wird nicht erst dann aufgenommen, wenn die Symptome zu stark werden.“ Es gibt aber noch zu wenig Biografiearbeit. Häufig wird nicht genug über die Genese der Patienten gewusst, über Herkunft, Umfeld und Krankheitsverläufe. Die ambulanten Einrichtungen haben erst damit angefangen. Auch die Zusammenhänge von Biografie und somatischen Problemen sind kaum bekannt.
Ganzheitlicher sozialpsychiatrischer Ansatz
Beim Festakt am 3. September verwies Gesundheitssenatorin Katrin Lompscher auf das Alleinstellungsmerkmal des Behandlungszentrums: Menschen mit Behinderung hätten ein drei- bis vierfaches Risiko, psychisch krank zu werden. Für diesen Personenkreis müsse eine spezielle Behandlung angeboten werden. Es sei gut gewesen, vor zehn Jahren diese Strukturentscheidung für Berlin getroffen zu haben. Das Behandlungszentrum hätte eine Wirkung über Berlin hinaus erarbeitet und zeige, dass es nötig sei, Behandlungsmodelle zu entwickeln, die den rein stationären Therapiebereich übersteigen. Deshalb solle die Kapazität im neuen Krankenhausplan für Berlin, der im Herbst verabschiedet würde. wesentlich erhöht werden. Bezirksbürgermeisterin Christina Emmrich verwies auf das gute Verhältnis zwischen Bezirk und Krankenhaus und brachte ihre hohe Wertschätzung zum Ausdruck. Prof. Diefenbacher und seinen Mitarbeitern sei es gelungen, das Thema „Psyche“ durch Vorträge, Filme, Veranstaltungen in den Bezirk zu tragen und zur Sensibilisierung in Behörden und bei Mitbürgern beigetragen zu haben. „Aus unserer klinischen Erfahrung haben wir die Überzeugung gewonnen, dass es gerade psychotherapeutische Verfahren sind, die bei psychisch kranken Menschen mit geistiger Behinderung und Verhaltensauffälligkeiten zum Einsatz kommen sollten“, sagt Prof. Dr. Albert Diefenbacher, Chefarzt der Abteilung. „Leider spielt der Einsatz von Medikamenten auch im ärztlich-psychotherapeutischen Bereich immer noch eine zu große Rolle. Deshalb sind wir bestrebt, durch Kursveranstaltungen und Publikationen, Teilnahme an Konferenzen und Kongressen sowie im Zusammenwirken mit unseren Kooperationspartnern – Kenntnis und Sensibilisierung zu erhöhen.“
In diesem Jahr ist das Behandlungszentrum für psychisch kranke Menschen mit geistiger Behinderung zehn Jahre alt geworden. In seinem vollstationären Bereich, bestehend aus zwei Stationen mit 32 Betten, hat es im Jahr 2009 378 Patienten versorgt – die Zahl ist steigend. Entsprechend dem ganzheitlichen Behandlungskonzept wird die Therapie interdisziplinär erarbeitet und durch gezielte Verhaltensbeobachtung ständig überprüft. Ein erfahrenes multiprofessionelles Team nutzt dabei modernste Diagnostik- und Therapieverfahren.
Verfasser: Johannes Lehmann
Abbildungen
Abb. 1: Das Team des Behandlungszentrums mit Chefarzt Prof. Dr. Albert Diefenbacher (Mitte) und seinem Leiter Oberarzt Dr. Christoph Schade (vorn links). Photos: Evangelisches Krankenhaus Königin Elisabeth Herzberge
Abb. 2: Blick in den neuen Snoezelenraum.
Quelle: Evangelisches Krankenhaus Königin Elisabeth Herzberge, 08.09.2010 (tB).