MEDIZIN
AWARDS
Forschergeist gefragt: 14. Novartis Oppenheim-Förderpreis für MS-Forschung ausgelobt
FernstudiumCheck Award: Deutschlands beliebteste Fernhochschule bleibt die SRH Fernhochschule
Vergabe der Wissenschaftspreise der Deutschen Hochdruckliga und der Deutschen Hypertoniestiftung
Den Patientenwillen auf der Intensivstation im Blick: Dr. Anna-Henrikje Seidlein…
Wissenschaft mit Auszeichnung: Herausragende Nachwuchsforscher auf der Jahrestagung der Deutschen…
VERANSTALTUNGEN
Wichtigster Kongress für Lungen- und Beatmungsmedizin ist erfolgreich gestartet
Virtuelle DGHO-Frühjahrstagungsreihe am 22.03. / 29.03. / 26.04.2023: Herausforderungen in…
Pneumologie-Kongress vom 29. März bis 1. April im Congress Center…
Die Hot Topics der Hirnforschung auf dem DGKN-Kongress für Klinische…
Deutscher Schmerz- und Palliativtag 2023 startet am 14.3.
DOC-CHECK LOGIN
Schizophrenie
Familienangehörige von Schizophreniepatienten:
Als Betreuer oft an der eigenen Belastungsgrenze
Berlin (9. Oktober 2014) – Fast drei Viertel der Angehörigen von Schizophreniepatienten/innen in Deutschland sind hauptsächlich oder alleine für deren Betreuung zuständig und dadurch einer enormen emotionalen, physischen und auch finanziellen Belastung ausgesetzt. Das geht aus den ersten Ergebnissen einer großen internationalen Studie hervor, die von der European Federation of Associations of Families of People with Mental Illness (EUFAMI) in Zusammenarbeit mit der Universität Leuven/Belgien durchgeführt wird. Im Rahmen einer Pressekonferenz zum World Mental Health Day, der dieses Jahr am 10. Oktober stattfand und das „Leben mit Schizophrenie“ zum Thema hatte, stellte die deutsche EUFAMI-Repräsentantin Janine Berg-Peer fest: „Viele der betreuenden Angehörigen sind oft jahrelang nicht in der Lage, eine Auszeit zu nehmen und erreichen häufig ihre persönliche Belastungsgrenze.“
Die ersten Forschungsergebnisse des noch andauernden „EUFAMI Carers‘ Survey“ liegen jetzt vor und basieren auf Befragungen in Frankreich, Deutschland, Italien, Spanien, Großbritannien, Australien und Kanada. Die Studie wurde von EUFAMI in Zusammenarbeit mit der interdisziplinären Forschungsstelle LUCAS der belgischen Universität Leuven durchgeführt und ausgewertet. Aus Deutschland liegen die Ergebnisse von 60 befragten Angehörigen von Schizophreniepatienten/innen vor. „Die aktuellen Studienergebnisse offenbaren nicht nur den unglaublichen Einsatz, den die Betreuer schizophrener Patienten/innen zeigen. Sie verdeutlichen uns auch, wie belastend die Pflege für das Leben der Angehörigen ist“, erklärte Hilde Lauwers, Forschungskoordinatorin am Zentrum für Versorgungsforschung und Beratung (LUCAS) an der belgischen Universität Leuven, in Berlin.*
Abb. 1: Deutsche Daten der Umfrage "Hilfe für Angehörige"
Sorgen um die eigene Zukunft – und um die der erkrankten Angehörigen
Angehörige kümmern sich durchschnittlich 19 Stunden (Deutschland) bzw. 23 Stunden pro Woche (international) um ein Familienmitglied mit Schizophrenie – das entspricht einem Teilzeitjob. Im Schnitt üben sie diese Funktion bereits seit 16 Jahren aus und müssen dies sehr wahrscheinlich für den Rest ihres Lebens weiterhin tun, da die Schizophrenie-Erkrankung meist lebenslang ist und ohne viel Spielraum für Atempausen verläuft. Da meist die eigenen Kinder betreut werden (Deutschland: 87%, international: 84%), sind viele Studienteilnehmer/innen tief besorgt darüber, wie es weitergehen soll, wenn sie sich selbst nicht mehr kümmern können. Hinzu kommen die finanziellen Belastungen durch die Betreuungsaufgabe.
Mehr Unterstützung durch Fachpersonal erwünscht
Der Ländervergleich zeigte, dass Angehörige in Deutschland insgesamt unzufriedener mit der professionellen Unterstützung durch Ärzte und Pflegepersonal sind, dafür aber zufriedener mit Patienten- und Angehörigen-Verbänden als die Gesamtheit der Befragten. „Das Fachpersonal im Gesundheitswesen sollte stärker dafür sensibilisiert werden, die Funktion und Leistung von Angehörigen anzuerkennen. Optimal wäre es, wenn sie die Familienmitglieder als Partner/innen sehen und mit ihnen zusammenarbeiten würden, um langfristig bessere Ergebnisse für die Patienten/innen zu erzielen“, betonte Berg-Peer. Sie wies in ihrem Fazit zum World Mental Health Day 2014 auf die Dimension des Betreuungsaufwands hin: „In der EU kümmern sich täglich schätzungsweise zehn Millionen Menschen um ihre schwer psychisch erkrankten Angehörigen. Sie sind engagiert und durch die familiäre Nähe zum/zur Patienten/in in hohem Maße emotional selbst betroffen.“ Die Arbeitskraft all dieser Menschen sei ein Rettungsanker für die Gesellschaft. „Wir müssen sicherstellen, dass ihr Beitrag anerkannt wird, sie geschützt und unterstützt werden und dass ihre Stimmen gehört werden.“
-
Diskussionen über die aktuelle Studie und den World Mental Health Day können Sie auf der Facebook-Seite der EUFAMI verfolgen: https://www.facebook.com/pages/EUFAMI/127281550633653 und über Twitter unter Verwendung der Hashtags #WMHD14 und #livingwithschizophrenia.
Über Schizophrenie
Schizophrenie ist eine schwere, zu Einschränkungen führende psychische Erkrankung, die sich ebenso auf das Leben der Betroffenen wie auf das Leben der betreuenden Angehörigen auswirkt. Etwa 24 Millionen Menschen sind weltweit betroffen, vor allem Menschen im Alter von 15 bis 35 Jahren [1]. Schizophrenie gehört zu den zehn führenden Ursachen für den krankheitsbedingten Verlust von Lebensjahren [2]. In erster Linie sind es die Familienangehörigen, welche die primäre Betreuung der Schizophreniepatienten/innen übernehmen. Bei einer durchschnittlichen Betreuungsdauer von 6-9 Stunden pro Tag empfinden die Betreuer eine entsprechend starke Beanspruchung, durch die sie langfristig ihr eigenes Wohlbefinden riskieren. Psychische Erkrankungen wie Schizophrenie verursachen allein in Europa jährlich Kosten von 93,9 Milliarden Euro und gehören somit zu den teuersten Erkrankungen [3].
Quellen
-
WHO 2011.
-
WHO 2004.
-
Gustavsson A et al. Eur Neuropsychopharmacol 2011; 21(10): 718-79.
Über die Studie
Die Studie wurde durch EUFAMI zusammen mit einem Team des interdisziplinären Forschungszentrums LUCAS, einem der führenden akademischen Institute der Universität Leuven/Belgien, entwickelt und analysiert. Die Studie fokussiert Familienangehörige von Menschen mit schweren psychischen Erkrankungen (eingeschlossen wurden sowohl Personen, die Akutpflege durchführen als auch Langzeitbetreuer); rund 90% dieser Studienteilnehmer/innen kümmerten sich um eine/n Schizophreniepatienten/in. Lundbeck GmbH und Otsuka Pharma GmbH stellten Forschungsgelder für die Studie bereit.
Über die European Federation of Associations of Families of People with Mental Illness (EUFAMI)
Die EUFAMI ist eine in Belgien registrierte europäische Non-Profit-Organisation, die sich in erster Linie als Fürsprecher von Familien und betreuenden Familienangehörigen einsetzt. Sie wurde 1992 gegründet, nach einem Treffen von Mitgliedern aus ganz Europa, die sich zu ihren Erfahrungen von Hilflosigkeit und Frustration durch das Zusammenleben mit schwer psychisch Kranken austauschten. Die Organisation betreibt im Interesse ihrer Mitgliedsorganisationen aktiv Lobbyarbeit innerhalb der europäischen Union. Die Mitglieder stammen aus 22 europäischen und einem nicht-europäischen Land. EUFAMI ist eine Vereinigung von 41 Familienorganisationen (einschließlich zweier nicht-europäischer) und fünf weiterer Vereinigungen im Bereich der psychischen Gesundheit. EUFAMI hat sich zum Ziel gesetzt, alle Familienangehörigen von schwer psychisch Erkrankten auf europäischer Ebene zu vertreten, um sich für ihre Rechte und Interessen einzusetzen und diese zu schützen. Durch das über 20-jährige Bestehen hat die EUFAMI langjährige Erfahrung und Kompetenz darin, die Bedürfnisse und die Rolle der betreuenden Familienangehörigen in Europa zu vertreten. Eine der ganz großen Stärken von EUFAMI ist das große Kapital an gelebter Kompetenz und Erfahrung, das aus dem enorm großen Mitglieder-Netzwerk gespeist wird. Im Laufe der Jahre hat EUFAMI viele Studien und Forschungsarbeiten über die Rolle durchgeführt, die Familienangehörige in der Betreuung, Therapie und Genesung ihrer erkrankten Verwandten spielen können, aber auch über die individuellen Bedürfnisse von Familienmitgliedern in Bezug auf sich selbst.
-
Weitere Informationen über EUFAMI finden Sie unter: www.eufami.org
Über die Universität Leuven
Das Zentrum für Versorgungsforschung und Beratung (LUCAS) der KU Leuven ist ein interdisziplinäres Forschungszentrum der Universität Leuven, das sich mit Fragen der (Gesundheits-) Pflege und Wohlfahrt befasst. Forschung, Training und Beratung – das sind die drei Aufgabenfelder des Zentrums. LUCAS trägt Erkenntnisse aus Politik, Praxis und Forschung durch einen ständigen Dialog mit den relevanten Interessensgruppen zusammen. Im Laufe der letzten 20 Jahre hat sich LUCAS auf einige herausragende Themengebiete spezialisiert: soziale Trends in der Pflege, Pflege älterer Menschen, psychische Gesundheitsfürsorge, Kommunikation in Pflege-Beziehungen sowie Wohlfahrt, Armut/Bedürftigkeit und sozialer Ausschluss. Das Hauptanliegen von LUCAS ist die Verbesserung der Lebensqualität durch die Einführung und Unterstützung von Innovationen in der Betreuungspraxis und -politik.
-
Weitere Informationen über LUCAS finden Sie unter: www.kuleuven.be/lucas
Über den World Mental Health Day (WMHD)
Der World Mental Health Day ist eine Initiative der World Federation for Mental Health (WFMH) und wird als jährlich stattfindende Aktion durchgeführt. In diesem Jahr lautet das Thema „Leben mit Schizophrenie“.
Quelle: EUFAMI Carers‘ Survey, 09.10.2014, Berlin (tB).