Fettsäureprofil der roten Blutkörperchen steht im Zusammenhang mit dem Diabetes-Risiko

 

Potsdam-Rehbrücke (28. Oktober 2010) – Zellmembranen sind zum Großteil aus Fettsäuremolekülen unterschiedlichster Art aufgebaut. Dies gilt auch für die Membranen der roten Blutkörperchen. Wie ein Wissenschaftlerteam um den Epidemiologen Matthias Schulze vom Deutschen Institut für Ernährungsforschung (DIfE) nun zeigt, lässt sich anhand des Fettsäureprofils der roten Blutzellen das Typ-2-Diabetes-Risiko einer Person bestimmen. Derzeit ist noch unklar, ob eine solche Untersuchung im Rahmen von Vorsorgeuntersuchungen einsetzbar ist. Das Studienergebnis trägt aber schon jetzt dazu bei, die Zusammenhänge zwischen dem Fettsäurestoffwechsel und der Typ-2-Diabetes- Entstehung besser zu verstehen.

 

Grundlage der Untersuchung bildeten die Blutproben und Daten einer großen Langzeitstudie* mit mehr als 27.500 männlichen und weiblichen Studienteilnehmern im Erwachsenenalter.

 

Neben Wissenschaftlern des DIfE waren auch Forscher der Technischen Universität München, der Christian-Albrechts-Universität in Kiel sowie des National Institute for Public Health and the Environment in Bilthoven (NL) an der Studie beteiligt. Die Wissenschaftler publizierten ihre Ergebnisse jetzt in der Fachzeitschrift American Journal of Clinical Nutrition (DOI: 10.3945/ajcn.110.005447).

 

Seit längerer Zeit ist bekannt, dass Nahrungsfette das Herz-Kreislauf- System beeinflussen. Welche Rolle die verschiedenen Fettsäuren bei der Typ-2-Diabetes-Entstehung spielen, ist jedoch noch unzureichend erforscht. Daher hat sich das Team um Matthias Schulze zum Ziel gesetzt, die Zusammenhänge zwischen der Fettsäureaufnahme, dem Fettsäureprofil der roten Blutkörperchen und dem Typ-2-Diabetes (auch als Alterszucker

bekannt) genauer zu untersuchen.

 

Das Fettsäureprofil der Blutzellen ist ein guter Indikator für den Fettsäurestoffwechsel. Denn der Körper nutzt die über die Nahrung aufgenommenen Fettsäuren nicht nur zur Energiegewinnung, sondern wandelt sie auch in andere Fettsäuren um und baut sie in Zellmembranen ein. Dabei beeinflusst die Fettsäurezusammensetzung die biophysikalischen Eigenschaften der Membranen. Ebenso ist der Körper selbst in der Lage, Fettsäuren aus den Abbauprodukten von Kohlenhydraten zu synthetisieren. Für diese vielfältigen Umwandlungs- und Syntheseprozesse sind Schlüsselenzyme wie die Delta-5- und die Delta-6-Desaturase** entscheidend, die daher neben den Fettsäuren ebenso im Fokus der vorliegenden Studie standen.

 

 

Die Wissenschaftler kamen zu folgenden Resultaten

 

Wies das Fettsäureprofil der roten Blutkörperchen bei Studienteilnehmern auf eine hohe Delta-6-Desaturase-Aktivität hin, so hatten die Teilnehmer ein mehr als doppelt so hohes Diabetes-Risiko als andere Studienteilnehmer, deren Delta-6-Desaturase nur wenig aktiv war. Dagegen war ein Fettsäureprofil, das auf eine hohe Delta-5-Desaturase-Aktivität schließen lässt, mit einem um etwa die Hälfte verminderten Risiko assoziiert. Diese Ergebnisse konnten die Forscher zudem erstmals anhand zusätzlich durchgeführter Analysen der Desaturase-Gene bestätigen. Einen Zusammenhang zwischen der Aufnahme von Nahrungsfetten und dem Diabetes-Risiko beobachteten sie jedoch nicht.

 

„Die körpereigene Umwandlung und Synthese von ungesättigten Fettsäuren scheint nach unseren Daten eine größere Rolle zu spielen als ursprünglich angenommen“, sagt Janine Kröger, Erstautorin der Studie. „Ein interessantes Resultat, das wir weiter verfolgen werden. Unsere Ergebnisse ergänzen zudem die Daten anderer Untersuchungen, die darauf hinweisen, dass veränderte Desaturase-Aktivitäten und die daraus resultierende Veränderung des Fettsäureprofils eine Rolle für die Insulinempfindlichkeit der Körperzellen spielen. Werden die Körperzellen unempfindlich gegenüber Insulin, ist dies die Vorstufe zum Typ-2-Diabetes“.

 

„Die neuen Daten bestätigen darüber hinaus unsere tierexperimentellen Befunde, nach denen Veränderungen im endogenen*** Fettstoffwechsel eine Hauptursache des Typ-2-Diabetes sind“, ergänzt Hans-Georg Joost, wissenschaftlicher Direktor des DIfE.

 

 

Anmerkungen

 

* Potsdamer EPIC(European Prospective Investigation into Cancer and Nutrition)-Studie. Sie ist Teil der Gesamt-EPIC-Studie. Die EPIC-Studie ist eine prospektive Studie, die Zusammenhänge zwischen Ernährung, Krebs und anderen chronischen Erkrankungen wie Typ-2-Diabetes untersucht. An der EPIC-Studie sind 23 administrative Zentren in zehn europäischen Ländern mit insgesamt 519.000 Studienteilnehmern beteiligt. Bei der Auswertung einer prospektiven Studie ist es wichtig, dass die Teilnehmer/innen zu Beginn der Studie noch nicht an der zu untersuchenden Krankheit leiden. Die Risikofaktoren für eine bestimmte Erkrankung lassen sich so vor ihrem Entstehen erfassen, wodurch eine Verfälschung der Daten durch die Erkrankung weitestgehend verhindert werden kann – ein entscheidender Vorteil gegenüber retrospektiven Studien.

 

** Die Delta-5-Desaturase und die Delta-6-Desaturase sind wichtige Schlüsselenzyme des Fettsäurestoffwechsels und spielen für die Umwandlung essentieller, mehrfach ungesättigter Omega-3- und Omega-6-Fettsäuren eine entscheidende Rolle.

 

*** endogen: im Körper selbst entstehend, aus dem Körper selbst kommend

 

 

Deutsches Institut für Ernährungsforschung Potsdam-Rehbrücke (DIfE)

 

Das Deutsche Institut für Ernährungsforschung Potsdam-Rehbrücke (DIfE) ist Mitglied der Leibniz-Gemeinschaft. Es erforscht die Ursachen ernährungsbedingter Erkrankungen, um neue Strategien für Prävention, Therapie und Ernährungsempfehlungen zu entwickeln. Forschungsschwerpunkte sind dabei Adipositas (Fettsucht), Diabetes und Krebs.

 

Zur Leibniz-Gemeinschaft gehören zurzeit 86 Forschungsinstitute und Serviceeinrichtungen für die Forschung sowie vier assoziierte Mitglieder. Die Ausrichtung der Leibniz-Institute reicht von den Natur-, Ingenieur- und Umweltwissenschaften über die Wirtschafts-, Sozial- und Raumwissenschaften bis hin zu den Geisteswissenschaften. Leibniz-Institute arbeiten strategisch und themenorientiert an Fragestellungen von gesamtgesellschaftlicher Bedeutung. Bund und Länder fördern die Institute der Leibniz-Gemeinschaft daher gemeinsam. Die Leibniz-Institute beschäftigen etwa 16.100 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, davon sind ca. 7.100 Wissenschaftler, davon wiederum 2.800 Nachwuchswissenschaftler. Näheres unter www.leibniz-gemeinschaft.de  

 


Quelle: Deutsches Institut für Ernährungsforschung, 28.10.2010 (fB).

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