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Fortschritte bei multiplem Myelom und myelodysplastischem Syndrom
Optimierung der Standardtherapie durch Thalidomid und Azacitidin
Berlin (23. Februar 2008) – Melphalan/Prednison (MP), bisher Standard in der Erstlinientherapie des multiplen Myeloms bei älteren Patienten, hat ausgedient. In drei großen randomisierten Studien wurde bei zusätzlicher Gabe von Thalidomid zum MP-Regime eine signifikante Verlängerung des ereignisfreien und Gesamt-Überlebens erreicht. In einer dieser Studien war die Thalidomid-haltige Therapie sogar der Hochdosis-Chemotherapie signifikant überlegen.
Die EMEA hat die Zulassung von Thalidomid bereits empfohlen, sodass in Kürze eine neue Referenztherapie für nicht vorbehandelte Myelom-Patienten in höherem Lebensalter oder bei Kontraindikationen für eine Hochdosistherapie vorhanden ist, erklärten die Experten anlässlich des Symposiums „Innovative Behandlungsansätze bei multiplem Myelom (MM) und myelodysplastischen Syndromen (MDS)“, das im Rahmen des diesjährigen Deutschen Krebs Kongresses in Berlin stattfand.
Rund zwei Drittel der Patienten mit multiplem Myelom (MM) sind bei Diagnosestellung 60 Jahre und älter. Sie kommen daher für eine intensive Chemotherapie und Stammzelltransplantation meist nicht infrage. „Als Erstlinientherapie werden hier bislang Kombinationen aus Bendamustin oder Mephalan mit Prednison oder Dexamethason allein gewählt“, informierte Prof. Dr. Wolfgang Knauf, Frankfurt, auf einem Symposium von Pharmion anlässlich des Deutschen Krebskongresses.
Therapieoptimierung durch Thalidomid
Doch lässt sich die Erstlinientherapie durch Integration von Thalidomid in die bislang üblichen Therapieschemata erheblich verbessern. Das belegt einmal die italienische GIMEMA-Studie, in der 225 60- bis 85-jährige Patienten mit neudiagnostiziertem Multiplen Myelom randomisiert 6 Zyklen des bisherigen Standardregimes MP oder des MP-Regimes plus Thalidomid-Erhaltungstherapie (MPT) erhielten (Palumbo et al.; Lancet 2006;367:825-831). „Die Thalidomid-haltige Therapie war dem klassischen Regime bei ereignisfreiem und Gesamt-Überleben klar überlegen“, betonte Knauf. So wurde das ereignisfreie Überleben durch Integration von Thalidomid in die Behandlung um 49 % verbessert, das Mortalitätsrisiko sogar um 65 % reduziert.
Die hohe Effektivität von Thalidomid wird durch die französische Stu-die IFM 99-06 mit rund 450 neu diagnostizierten MM-Patienten nachdrücklich bestätigt (Facon et al.[1]: The Lancet, 06.10.2007, Vol 370; 1209-1218.). Sie verglich den Standard MP über 12 Zyklen mit der Thalidomid-haltigen Tripeltherapie MPT über den gleichen Zeit-raum mit einer dosisintensiven Chemotherapie mit dem Mel100-Schema. Knauf charakterisierte diese Studie als sehr ambitioniert, zumal als primärer Endpunkt das Gesamt-Überleben gewählt wurde. Nach medianen 32 Monaten Follow-up stellte sich der MPT-Arm als eindeutig überlegen heraus: Mit 53,6 Monaten überlebten Patienten in diesem Arm signifikant länger als Patienten im Standardarm, aber auch als die intensiv zytostatisch behandelten Patienten (32,2 bzw. 38,6 Monate). Das progressionsfreie Überleben war unter der Thali-domid-haltigen Kombination mit 27,6 Monaten ebenfalls verlängert im Vergleich zum MP-und Hochdosis-Arm (17,1 bzw. 19,4 Monate). Der signifikante Überlebensvorteil des MPT-Regimes blieb bei länge-rer Nachbeobachtung erhalten.
Drei Studien belegen Überlebensvorteil
Der hohe Stellenwert von Thalidomid in der Erstlinientherapie wird noch durch eine dritte Studie bei über 75-jährigen MM-Patienten belegt, in der sich MPT-Regime im Vergleich zum Standard MP bei Gesamt- und progressionsfreiem Überleben erneut als signifikant überlegen herausstellte (Hulin et al. ASH 2007:Abstr. 75). „Wir haben also jetzt 3 große Studien, die unabhängig voneinander zeigen, dass die Addition von Thalidomid die Progression verzögert und zudem das Überleben verlängert“, betonte Knauf. Für über 65-jährige und solche, die für eine Hochdosistherapie nicht infrage kommen, könnte das MPT-Regime daher zur bevorzugten Erstlinientherapie avancieren. Die EMEA hat bereits eine positive Bewertung zu Thalidomid abgegeben, sodass mit der baldigen Zulassung zu rechnen ist.
Wichtigste Nebenwirkung von Thalidomid ist laut Dr. Martin Kropff, Münster, die Neurotoxizität. Bei mäßiger Neuropathie (Grad 2) empfahl er eine Dosisreduktion um 50%. Bei zusätzlichen Schmerzen oder Grad-3-Neurotoxizität sollte die Therapie bis zur Rückbildung unterbrochen und dann in halber Dosierung wieder aufgenommen werden. Bei einer Grad-4-Toxizität muss Thalidomid abgesetzt werden. Zur Prävention venöser Thromboembolien im Verlauf einer Thalidomid-Therapie hat sich die Gabe eines niedermolekularen Heparins bewährt, das bei Patienten mit zusätzlichen Risikofaktoren (z.B. positive Anamnese, Immobilisation oder Begleiterkrankungen) zumindest in den ersten 4 Monaten indiziert ist. Grundsätzlich sollten mit Thalidomid behandelte Patienten einmal monatlich durch einen erfahrenen Hämatologen untersucht werden, um Nebenwirkungen früh zu entdecken und behandeln zu können, empfahl Kropff.
Azacitidin verlängert Überleben beim MDS
Fortschritte gibt es auch für Patienten mit myelodysplastischen Syndromen (MDS): Bereits vor rund 5 Jahren wurde erstmals ein Überlebensvorteil (Silberman et al.; J Clin Oncol 2002;18:2414-26) berichtet, wenn MDS-Patienten anstelle einer rein supportiven Behandlung Azacitidin erhielten. Die Substanz verhindert die schädliche Hypermethylierung der DNA und wirkt so der Stilllegung von Tumorsuppressorgenen entgegen, erläuterte Prof. Dr. Norbert Gattermann, Düsseldorf.
Die Ergebnisse wurden in einer Ende 2007 auf der ASH-Jahrestagung von Prof. Fenaux (Frankreich) vorgestellten Phase-III-Studie überzeugend bestätigt. 358 Hochrisikopatienten erhielten randomisiert Azacitidin oder eine vom jeweiligen Zentrum gewählte Standardtherapie. Azacitidin führte zu einer signifikanten Verbesserung des primären Endpunktes: Von nur 15 Monaten im Kontrollarm verlängerte sich die Überlebenszeit mit Azacitidin auf insgesamt 24,4 Monate Die 2-Jahres-Überlebensrate wurde gegenüber den Kontrollen fast verdoppelt (50,8 % vs. 26,2 %). Auch beim zweiten Studienziel, dem Entgegenwirken einer Progression zur akuten myeloischen Leukämie oder Tod, war Azacitidin signifikant überlegen. Zudem wurden mehr Patienten transfusionsunabhängig (45 % vs. 11 %); die Rate schwerer Infektionen sank um 33 %. Da die Substanz selbst in diesem älteren Studienkollektiv gut verträglich war, könnte Azazitidin zukünftig bei MDS-Patienten mit ungünstigem Risikoprofil als neuer Therapiestandard gelten, resümierte Gattermann.
Literatur
[1] Melphalan and prednisone plus thalidomide versus melphalan and prednisone alone or reduced-intensity autologous stem cell transplantation in elderly patients with multiple myeloma (IFM 99-06): a randomised trial