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Frauen mit Brustkrebs könnten von einer autologen Stammzelltransplantation profitieren
IQWiG findet Belege für längeres ereignisfreies Überleben – aber auch Hinweise auf schwerwiegende Komplikationen
Berlin (16. Dezember 2009) – Im Vergleich zu einer konventionellen Chemotherapie kann eine sogenannte autologe Stammzelltransplantation das sogenannte ereignisfreie Überleben von Brustkrebs-Patientinnen verlängern. Klinische Studien liefern entsprechende Belege für Mammakarzinome mit und ohne Fernmetastasen. Es gibt aber auch Hinweise, dass bei einer solchen Stammzelltransplantation schwerwiegende, nahezu alle Organsysteme betreffende Komplikationen häufiger auftreten können. Zu diesem Ergebnis kommt der am 16. Dezember 2009 veröffentlichte Abschlussbericht des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG).
Bei der autologen Stammzelltransplantation (ASZT) werden den Erkrankten zu einem geeigneten Zeitpunkt während der Therapie autologe (eigene) Blutstammzellen entnommen und nach einer Hochdosis-Chemotherapie zurück übertragen. Zunächst mit großen Erwartungen verbunden und in den 80er Jahren breit eingesetzt, wird der Nutzen dieser Therapie für Patientinnen mit fortgeschrittenem Brustkrebs (Mammakarzinom) in der Wissenschaft seit Jahren kontrovers diskutiert. Im Auftrag des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) hat das IQWiG deshalb anhand der verfügbaren Literatur untersucht, ob Brustkrebs-Patientinnen im Vergleich zur konventionellen Chemotherapie Vorteile von einer ASZT haben können.
Therapien sind vielfältig
Mit einem Anteil von über 25% an den Krebsneuerkrankungen ist das Mammakarzinom die häufigste Krebsart bei Frauen. In sehr seltenen Fällen sind auch Männer betroffen. Die Wahl der Therapie hängt davon ab, in welchem Stadium der Tumor diagnostiziert wird. Dabei spielen unter anderem seine Größe und Ausbreitung eine wichtige Rolle. Maßgeblich ist aber auch, ob Fernmetastasen, also Tochtergeschwülste in anderen Körperregionen vorliegen.
In der Regel wird der Tumor operativ entfernt. Ergänzend werden – je nach Therapieschema – Bestrahlung, Hormon- oder Chemotherapie durchgeführt. Insbesondere Hormon- und Chemotherapie werden dabei häufig auch kombiniert.
Bei bestimmten Patienten in einem lokal fortgeschrittenen oder metastasierten Stadium setzen Ärzte eine Hochdosis-Chemotherapie ein. Durch die erhöhte Dosis hofft man, die Resistenz von verbleibenden Tumorzellen zu überwinden.
Autologe Transplantation: Stammzellen stammen vom Patienten selbst
Durch eine Hochdosis-Chemotherapie werden in der Regel neben den Tumorzellen auch die lebenswichtigen blutbildenden Stammzellen geschädigt. Deshalb werden den Patienten zuvor Blutstammzellen entnommen, um sie ihnen nach der Behandlung wieder zurück zu übertragen. Diese Stammzellen siedeln sich zumeist im Knochenmark wieder an und bringen dort die Blutbildung erneut in Gang. Stammen die übertragenen Stammzellen vom Patienten selbst, spricht man von einer autologen Transplantation (ASZT). Eine extreme Intensivierung der Therapie stellt die autologe Tandem-Transplantation dar (Tandem-ASZT): Dabei wird der Patient nach einer Erholungsphase ein zweites Mal transplantiert.
Studienlage vergleichsweise gut
Dem Auftrag des G-BA entsprechend recherchierte das IQWiG Studien, welche die ASZT mit Chemotherapie ohne Stammzelltransplantation oder verschiedene Formen der ASZT untereinander verglichen. Insgesamt konnten sie 19 randomisierte kontrollierte Studien (RCT) in die Nutzenbewertung einbeziehen. Davon untersuchten 13 Studien Patientinnen mit Brustkrebs ohne Fernmetastasen, 6 Studien Patientinnen mit metastasiertem Mammakarzinom. Insgesamt war die Studienlage damit deutlich besser als bei allen bisherigen IQWiG-Berichten zum Thema Stammzelltransplantation ( akute Leukämie N05-03A ; schwere aplastische Anämie N05-03B ; Weichteilsarkom N05-03D ).
Studien zeigen sowohl Vorteile als auch Nachteile
Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler kommen zu dem Ergebnis, dass die autologe Stammzelltransplantation im Vergleich zur konventionellen Chemotherapie für Patientinnen mit Brustkrebs einen Vorteil hat, in dem sie das "ereignisfreie Überleben" verlängert. Darunter versteht man den Zeitraum zwischen der Zuteilung der Patienten zu einer der Behandlungsgruppen bis zum erneuten Auftreten der Erkrankung, bis zum Fortschreiten der Erkrankung oder bis zum Tod. Entsprechende Belege fanden sie für Patientinnen mit Mammakarzinomen mit und ohne Fernmetastasen.
Diesem Beleg für einen Nutzen steht allerdings ein Hinweis auf einen möglichen Schaden gegenüber: Denn bei der ASZT traten schwerwiegende, nahezu alle Organsysteme betreffende Komplikationen, die insbesondere das blutbildende System sowie den Magen- und Darmtrakt betrafen, häufiger auf als unter den Kontrolltherapien. Allerdings war der Unterschied nicht genau quantifizierbar, weil in den Studien nur unzureichend über Komplikationen berichtet wurde. Hinweise auf entsprechende Unterschiede fanden sich sowohl bei metastasierten als auch bei nicht metastasierten Tumoren.
Längeres Gesamtüberleben nur in einer einzigen Studie
Nur beim Vergleich der Tandem-ASZT mit einer intensivierten Chemotherapie blieben Patientinnen mit nicht metastasiertem Mammakarzinom nicht nur länger ohne erneuten Brustkrebsbefund ("ereignisfreies Überleben"), sondern lebten auch länger ("Gesamtüberleben"). Allerdings stammen diese Hinweise nur aus einer einzigen Studie und gelten nur für ein spezielles Therapieregime (WSG AM-01-Studie), so dass sie nicht verallgemeinerungsfähig sind.
Generell geben die IQWiG-Expertinnen und Experten zu bedenken, dass die verfügbaren Studien zum Teil recht alt waren. Insbesondere bei den Patientinnen mit nicht metastasiertem fortgeschrittenem Mammakarzinom werden heute üblicherweise andere Chemotherapie-Schemata angewendet.
Weitere Erprobung nur im Rahmen klinischer Studien
Die Hochdosis-Chemotherapie in Verbindung mit einer ASZT erschien in den 80er Jahren als vielversprechende Therapie und wurde ohne angemessene klinische Prüfung in die Versorgung eingeführt – ein aus Sicht des IQWiG ethisch bedenkliches Vorgehen. Als Ende der 90er Jahre die Ergebnisse der ersten reproduzierbaren RCT vorlagen, machte sich Ernüchterung breit und die Zahl der Transplantationen beim Mammakarzinom sank rapide: 2002 wurden europaweit nur noch 316 Patientinnen transplantiert, 1997 waren es europaweit noch 2626 gewesen.
Insbesondere für Patientinnen mit einem metastasierten Mammakarzinom, für die es nach wie vor keine kurative Therapie gibt, müssen Alternativen erprobt werden. Das gilt auch für Therapien in Verbindung mit einer ASZT. Angesichts der Risiken, die mit der ASZT verbunden sind, sollte dies nach Auffassung der Autorinnen und Autoren des Abschlussberichts jedoch ausschließlich im Rahmen von klinischen Studien geschehen. Um Schaden und Nutzen besser einschätzen zu können, wäre es insbesondere sinnvoll, in weiteren klinischen Studien zu untersuchen, ob bei Patientinnen mit metastasiertem Mammakarzinom eine Therapie, gegebenenfalls in Verbindung mit ASZT das Leben verlängern kann. Experten sprechen hier von einer Studie mit dem primären Endpunkt Gesamtüberleben.
Zum Ablauf der Berichtserstellung
Die vorläufigen Ergebnisse, den sogenannten Vorbericht, hatte das IQWiG Mitte Juni 2008 veröffentlicht und zur Diskussion gestellt. Nach dem Ende des Stellungnahmeverfahrens wurde der Vorbericht überarbeitet und als Abschlussbericht Ende April 2009 an den Auftraggeber versandt. Eine mündliche Erörterung fand nicht statt, da die einzige eingereichte Stellungnahme keine Fragen offen ließ, die diskutiert werden mussten. Die Würdigung dieser schriftlichen Stellungnahme wurde in den Diskussionsteil des Abschlussberichts integriert. Die Stellungnahme selbst wird getrennt dokumentiert und – zeitgleich mit dem Abschlussbericht – veröffentlicht. Der Bericht wurde gemeinsam mit externen Sachverständigen erstellt.
Quelle: Pressemitteilung des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) vom 16.12.2009 (tB).