MEDIZIN

DOC-CHECK LOGIN

Frauen und Männer weinen anders

Emotionale Tränen bleiben ein Rätsel

 

München (14. Oktober 2009) – Frauen weinen bis zu 64-mal im Jahr, Männer höchstens 17-mal. Allerdings nicht von klein auf – dieser Unterschied bildet sich erst mit den Jahren heraus. Dies belegt, dass Weinen vor Freude, Trauer oder Zorn erlernt ist, stellen Augenärzte der Deutschen Ophthalmologischen Gesellschaft (DOG) fest. In der Wissenschaft kursieren verschiedene Theorien, warum gefühlsmäßig bedingte Tränen fallen und was Menschen emotional weinen lässt. Eine Übersichtsarbeit vergleicht jetzt diese "Tränen-Thesen".

 

Bis zum 13. Lebensjahr weinen Jungen und Mädchen etwa gleich häufig. Später ändert sich das Bild: Männer weinen 6- bis 17-mal pro Jahr, Frauen 30- bis 64-mal. Männer lassen zwei bis vier Minuten lang die Tränen kullern, Frauen dagegen sechs Minuten. Weinen geht bei 65 Prozent der Frauen in Schluchzen über, aber nur bei sechs Prozent der Männer. "Weibliches Weinen wirkt länger, dramatischer und herzzerreißender", sagt Privatdozentin Dr. med. Elisabeth Messmer von der Augenklinik der Ludwig-Maximilians-Universität, München.

Auch die Anlässe sind verschieden: Frauen weinen am ehesten, wenn sie sich unzulänglich fühlen oder vor schwer lösbaren Konflikten stehen. Aber auch, wenn sie sich vergangener Lebensepisoden erinnern. Männer hingegen weinen häufig aus Mitgefühl oder wenn die eigene Beziehung gescheitert ist. Dennoch bleibt emotionales Weinen rätselhaft: "Der Nutzen und die Besonderheit emotionaler Tränen sind weitgehend unerforscht und spekulativ", sagt Professor Dr. med. Christian Ohrloff, Pressesprecher der DOG und Direktor der Universitäts-Augenklinik in Frankfurt am Main. Wissenschaftliche Untersuchungen zum Weinen seien meist beschreibend und unsystematisch. Deshalb hat Messmer die Thesen nun in einer Überblicksarbeit geprüft.

Dazu zählt die Annahme, es reinige und tue gut, sich auszuheulen. Psychologen sprechen hier vom "Katharsis-Effekt". Doch nach dem Weinen geht es den Menschen nicht besser, zeigen Studien. Es sei denn, der Anlass für ihre Tränen ist vorüber. Dass Tränen dazu dienen, giftige Stoffe aus dem Körper auszuschwemmen, hält empirischen Befunden ebenfalls nicht stand. Zwar ist es möglich, über Tränen bestimmte Substanzen auszuscheiden. Doch die Menge ist vernachlässigbar. Zudem nimmt der Körper das Gros der Tränenflüssigkeit wieder auf. Auch dass Weinen körperlich entspannt, ist nicht haltbar: Während des Weinens sind Menschen körperlich erregt – vom Anfang bis zum Ende.

Zwar lassen sich Tränen manipulativ einsetzen. Angeblich machen Frauen von diesem Mittel eher Gebrauch als Männer. Beweise für diese These fehlen jedoch bislang. "Menschen weinen auch nicht allein, um Aufsehen zu erregen", widerspricht Messmer einer verbreiteten Meinung. Denn Weinen ist zwar ein wirksames kommunikatives Signal: Es ruft Helfer und Tröster auf den Plan. Dafür spräche, dass Menschen vor allem in der Gruppe heulen. Doch wie eine Studie belegt, weinen wir eher im stillen Kämmerlein als auf der sozialen Bühne. Menschen in "Weiner" und "Nicht-Weiner" zu unterteilen, scheint ebenfalls wenig hilfreich. Danach gelten Weiner als sentimental, hysterisch, manipulativ. Nicht-Weiner stehen im Ruf, diszipliniert zu sein. Ihnen wird häufig ein "Gefühl der Leere" nachgesagt, ohne dass es dafür jedoch Belege gibt. Um "emotionale Tränen" ranken sich viele Thesen, fasst Messmer zusammen: "Viele dieser vermeintlich wissenschaftlichen Theorien sind bis heute leider nicht belegt."

Weinen Schwangere, so könnte dies tatsächlich an den Hormonen liegen. Sie schütten vermehrt das Milchbildungshormon "Prolactin" aus. Doch Menschen, deren Prolactin-Rate dauerhaft erhöht ist, weinen genauso oft oder selten wie Menschen mit normalen Werten. Auch das weibliche Geschlechtshormon Östrogen beeinflusst emotionales Weinen nicht nachweisbar. "Wie der Mensch weint, lässt sich zwar physiologisch genau erklären, doch warum, das wissen wir bislang immer noch nicht", ergänzt Professor Ohrloff.

Quelle: Der Ophthalmologe, 2009, 106, 593-602


Die DOG (Deutsche Ophthalmologische Gesellschaft) ist die medizinisch-wissenschaftliche Fachgesellschaft für Augenheilkunde in Deutschland. Sie vereint unter ihrem Dach mehr als 5600 Ärzte und Wissenschaftler, die augenheilkundlich forschen, untersuchen und behandeln. Wesentliches Anliegen der DOG ist es, die Forschung in der Augenheilkunde zu fördern: Sie unterstützt wissenschaftliche Projekte und Studien, veranstaltet Kongresse und gibt wissenschaftliche Fachzeitschriften heraus. Darüber hinaus setzt sich die DOG für den wissenschaftlichen Nachwuchs in der Augenheilkunde ein, indem sie zum Beispiel Stipendien vor allem für junge Forscher vergibt. Gegründet im Jahr 1857 in Heidelberg, ist die DOG die älteste medizinisch-wissenschaftliche Fachgesellschaft der Welt.


Quelle: Pressemitteilung der Deutschen Ophthalmologischen Gesellschaft (DOG) vom 14.10.2009.

MEDICAL NEWS

IU School of Medicine researchers develop blood test for anxiety
COVID-19 pandemic increased rates and severity of depression, whether people…
COVID-19: Bacterial co-infection is a major risk factor for death,…
Regenstrief-led study shows enhanced spiritual care improves well-being of ICU…
Hidden bacteria presents a substantial risk of antimicrobial resistance in…

SCHMERZ PAINCARE

Hydromorphon Aristo® long ist das führende Präferenzpräparat bei Tumorschmerz
Sorgen und Versorgen – Schmerzmedizin konkret: „Sorge als identitätsstiftendes Element…
Problem Schmerzmittelkonsum
Post-Covid und Muskelschmerz
Kopfschmerz bei Übergebrauch von Schmerz- oder Migränemitteln

DIABETES

Wie das Dexom G7 abstrakte Zahlen mit Farben greifbar macht…
Diabetes mellitus: eine der großen Volkskrankheiten im Blickpunkt der Schmerzmedizin
Suliqua®: Einfacher hin zu einer guten glykämischen Kontrolle
Menschen mit Diabetes während der Corona-Pandemie unterversorgt? Studie zeigt auffällige…
Suliqua® zur Therapieoptimierung bei unzureichender BOT

ERNÄHRUNG

Positiver Effekt der grünen Mittelmeerdiät auf die Aorta
Natriumaufnahme und Herz-Kreislaufrisiko
Tierwohl-Fleisch aus Deutschland nur mäßig attraktiv in anderen Ländern
Diät: Gehirn verstärkt Signal an Hungersynapsen
Süßigkeiten verändern unser Gehirn

ONKOLOGIE

Strahlentherapie ist oft ebenso effizient wie die OP: Neues vom…
Zanubrutinib bei chronischer lymphatischer Leukämie: Zusatznutzen für bestimmte Betroffene
Eileiter-Entfernung als Vorbeugung gegen Eierstockkrebs akzeptiert
Antibiotika als Störfaktor bei CAR-T-Zell-Therapie
Bauchspeicheldrüsenkrebs: Spezielle Diät kann Erfolg der Chemotherapie beeinflussen

MULTIPLE SKLEROSE

Multiple Sklerose: Aktuelle Immunmodulatoren im Vergleich
Neuer Biomarker für Verlauf von Multipler Sklerose
Multiple Sklerose: Analysen aus Münster erhärten Verdacht gegen das Epstein-Barr-Virus
Aktuelle Daten zu Novartis Ofatumumab und Siponimod bestätigen Vorteil des…
Multiple Sklerose durch das Epstein-Barr-Virus – kommt die MS-Impfung?

PARKINSON

Meilenstein in der Parkinson-Forschung: Neuer Alpha-Synuclein-Test entdeckt die Nervenerkrankung vor…
Neue Erkenntnisse für die Parkinson-Therapie
Cochrane Review: Bewegung hilft, die Schwere von Bewegungssymptomen bei Parkinson…
Technische Innovationen für eine maßgeschneiderte Parkinson-Diagnostik und Therapie
Biomarker und Gene: neue Chancen und Herausforderungen für die Parkinson-Diagnose…