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Unterstützung der Therapieentscheidung bei Brustkrebs im Frühstadium:
Biomarker-Test künftig Kassenleistung
Berlin (20. Juni 2019) – Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) hat am Donnerstag in Berlin einen ersten Beschluss zum Einsatz von biomarkerbasierten Tests gefasst. Patientinnen mit Brustkrebs im frühen Stadium, bei denen das Rückfallrisiko nicht sicher bestimmt werden kann, können künftig einen Biomarker-Test als Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) in Anspruch nehmen. Die Ergebnisse sollen bei bestehender Unsicherheit hinsichtlich des zu erwartenden individuellen Nutzens einer Chemotherapie die gemeinsame Entscheidungsfindung von Patientinnen und Ärztinnen und Ärzten unterstützen. Für die ärztliche Aufklärung vor der Durchführung des Tests legt der G-BA die verpflichtende Verwendung einer Patientinneninformation(PDF 575.36 kB) fest, die auf den Internetseiten des G-BA als ausdruckbare Datei bereitgestellt wird.
„Nicht immer ist das Ergebnis einer routinemäßigen Bestimmung des individuellen Rückfallrisikos mittels klinischer Faktoren und Tumoreigenschaften so deutlich, dass Frauen nach einer Brustkrebsoperation eine klare Empfehlung für oder gegen eine zusätzliche Chemotherapie erhalten können. Der G-BA hat geprüft, bei welchen Patientinnen die Therapieentscheidung durch die über einen Biomarker-Test gewonnenen Informationen unterstützt werden kann“, erklärte Dr. Monika Lelgemann, unparteiisches Mitglied des G-BA und Vorsitzende des Unterausschusses Methodenbewertung. „Der nun getroffene Beschluss umfasst den Einsatz eines Biomarker-Tests bei Patientinnen mit einem Tumor, der bestimmte Eigenschaften, nämlich Empfindlichkeit für Hormone wie Östrogen und Progesteron und keinen nachgewiesenen Wachstumsrezeptor, aufweist. Ausreichende Erkenntnisse zur Aussagesicherheit des Tests bestehen aufgrund der Studienlage bisher für Patientinnen ohne Befall der Lymphknoten. Die Beratungen des G-BA zu einer Biomarker-unterstützten Entscheidungsstrategie bei frühem Brustkrebs sind mit diesem Bewertungsergebnis jedoch nicht abgeschlossen, sondern werden bezüglich weiterer Testverfahren, insbesondere Verfahren der Genexpressionsanalyse, und Patientinnengruppen fortgesetzt.“
Biomarker-Tests untersuchen, ob die Aktivität von verschiedenen Genen in den Krebszellen – und damit das Risiko für ein Wiederkehren des Tumors – besonders hoch ist. Die auf dem Markt verfügbaren Biomarker-Tests beruhen auf unterschiedlichen Analyseverfahren, zum Beispiel der Immunhistochemie, der Genexpressionsanalyse oder einem ELISA (Enzyme Linked Immunosorbent Assay). Der vom G-BA getroffene Beschluss umfasst die Anwendung der spezifischen Vorgehensweise des Tests Oncotype DX Breast Recurrence Score®, dessen Analyseverfahren auf der Genexpressionsanalyse beruht. Die Anwendung des Tests zulasten der GKV setzt voraus, dass die Empfehlung für oder gegen eine Chemotherapie aufgrund klinisch-pathologischer Kriterien nicht eindeutig getroffen werden kann. Zu weiteren Vorgehensweisen und Anwendungsgebieten beim primären Brustkrebs werden die Beratungen vom G-BA fortgeführt.
Jährlich erkranken in Deutschland ca. 70.000 Frauen an frühem Brustkrebs. Bei grob geschätzt ca. 20.000 dieser Patientinnen können die behandelnden Ärztinnen und Ärzte allein aufgrund der klinisch-pathologischen Kriterien keine eindeutige Therapieempfehlung für oder gegen eine adjuvante Chemotherapie geben.
Der Beschluss wird dem Bundesministerium für Gesundheit zur Prüfung vorgelegt und tritt nach Nichtbeanstandung und Bekanntmachung im Bundesanzeiger in Kraft. Der Einsatz eines biomarkerbasierten Tests kann als vertragsärztliche Leistung erbracht werden, nachdem der Bewertungsausschuss über die Höhe der ärztlichen Vergütung im Einheitlichen Bewertungsmaßstab entschieden hat.
Hintergrund – Methodenbewertung von biomarkerbasierten Tests bei frühem Brustkrebs
Der G-BA ist vom Gesetzgeber beauftragt zu entscheiden, welchen Anspruch gesetzlich Krankenversicherte auf medizinische oder medizinisch-technische Untersuchungs- und Behandlungsmethoden haben. Im Rahmen eines strukturierten Bewertungsverfahrens überprüft der G-BA deshalb, ob Methoden oder Leistungen für eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung der Versicherten unter Berücksichtigung des allgemein anerkannten Standes der medizinischen Erkenntnisse in der vertragsärztlichen und/oder stationären Versorgung erforderlich sind. Zum Abschluss eines Bewertungsverfahrens entscheidet der G-BA darüber, ob und inwieweit – d. h. für welche genaue Indikation und unter welchen qualitätssichernden Anforderungen – eine Behandlungsmethode ambulant und/oder stationär zulasten der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) angewendet werden kann.
Bei Frauen mit frühem Brustkrebs kann der Tumor durch eine Operation oft vollständig entfernt werden. Um das Wiederauftreten der Krebserkrankung zu verhindern, kann nach der Operation zusätzlich eine Chemotherapie notwendig sein, um eine mögliche, jedoch nicht nachweisbare Streuung der Krebszellen zu behandeln. Zur Vermeidung unnötiger Chemotherapien wird von der behandelnden Ärztin oder dem behandelnden Arzt das Rückfallrisiko anhand verschiedener Faktoren individuell bestimmt.
Der GKV-Spitzenverband hat mit Schreiben vom 2. Oktober 2013 einen Antrag auf Bewertung von biomarkerbasierten Tests zur Entscheidung für oder gegen eine adjuvante systemische Chemotherapie beim primären Mammakarzinom gestellt. Die Nutzenbewertung sollte der Klärung dienen, ob diejenigen Frauen, die aufgrund eines niedrigen bis intermediären Rückfallrisikos keine Chemotherapie benötigen, mit Hilfe von zusätzlichen biomarkerbasierten Tests besser identifiziert werden können als mit den bisherigen Standarduntersuchungen. Der G-BA nahm den Antrag an und beschloss die Einleitung eines Beratungsverfahrens.
Nach Beauftragung durch den G-BA recherchierte und bewertete das IQWiG den aktuellen medizinischen Wissenstand zu biomarkerbasierten Tests bei Brustkrebs. In seinem Abschlussbericht vom Dezember 2016 kam das IQWiG zu dem Ergebnis, dass zu diesem Zeitpunkt kein Anhaltspunkt vorliege für einen Nutzen beziehungsweise Schaden einer biomarkerbasierten Strategie zur Entscheidung für oder gegen eine adjuvante Chemotherapie beim primären Mammakarzinom. Auf laufende Studien, unter anderem MINDACT und TAILORx, wurde verwiesen. Im Jahr 2018 wurden die Ergebnisse der großen TAILORx-Studie veröffentlicht. Im Auftrag des G-BA legte das IQWiG im September 2018 die Auswertung neuer Studienergebnisse in einem Addendum zum Abschlussbericht vor.
Abschlussberichte des IQWiG dienen dem G-BA als eine Grundlage für die weiteren Beratungen. Darüber hinaus berücksichtigt der G-BA bei seiner Entscheidungsfindung die Auswertung der anlässlich der Veröffentlichung des Beratungsthemas eingegangenen Einschätzungen einschließlich der dort benannten Literatur sowie die Stellungnahmen, die zum Beschlussentwurf eingeholt wurden.
Quelle: Der Gemeinsame Bundesausschuss, 20.06.2019 (tB).