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Gefährlicher triple-negativer Brustkrebs

Neue Zielmoleküle für die Behandlung

München (18. Januar 2016) – Brustkrebs ist die häufigste Krebsart bei Frauen, und es gibt zahlreiche Unterarten, die nicht gut behandelbar sind. Oft bildet Brustkrebs Metastasen in der Lunge, Gehirn und Leber. Verfügen die Tumorzellen über bestimmte Rezeptoren, können spezifische Medikamente zur Therapie eingesetzt werden. Doch für eine bestimmte Brustkrebsform, den triple-negativen Brustkrebs, steht bisher nur die ungerichtete Chemotherapie zur Verfügung. Sie schädigt auch gesunde Zellen und ist daher für die Patientinnen sehr belastend. Wissenschaftler und Ärzte an der TU München haben daher nach neuen Angriffspunkten in den Zellen des triple-negativen Brustkrebses gesucht – und sind fündig geworden. 


Etwa 15 Prozent aller Brustkrebs-Patientinnen leiden an einer bestimmten Form des Brustkrebses, dem triple-negativen Brustkrebs (TNBC). Betroffen sind etwa 11.000 Frauen in Deutschland pro Jahr, die Neuerkrankungsrate nimmt zu.


Bei dieser gefährlichen Variante des Brustkrebses fehlen den entarteten Zellen bestimmte Andockstellen für Hormone und Botenstoffe, die bei anderen Brustkrebs-Varianten vorkommen. Konkret handelt es sich dabei um den Östrogenrezeptor (ER), den Progesteronrezeptor (PR) und den Wachstumsfaktorrezeptor 2 (HER2).


Allerdings sind genau diese drei Andockstellen der Angriffspunkt von Medikamenten, mit denen Brustkrebs zielgerecht behandelt wird – biologische und chemische Wirkstoffe, die die kranken Zellen über diese Rezeptoren attackieren. Fehlen diese Rezeptoren, können auch die Medikamente nicht mehr eingesetzt werden, denn sie gelangen gar nicht erst in die Tumorzellen, um dort zu wirken.


Da TNBC sehr aggressiv ist, sterben daher trotz Behandlung viele Patientinnen innerhalb von drei Jahren nach der Diagnose – häufiger und früher als bei anderen Brustkrebsformen.


Bisherige Therapie belastet Patientinnen zu stark

Zur Behandlung des TNBC gibt es außer der Operation bisher nur eine breit wirkende, ungerichtete Chemotherapie. Obwohl TNBC-Patientinnen zu Beginn gut auf diese Chemotherapie ansprechen, bekommen viele von ihnen innerhalb weniger Monate Metastasen und sterben oft daran. Daher suchen Forschergruppen weltweit nach neuen biologischen Ansatzpunkten als Ersatz oder Ergänzung für die Chemotherapie.


Eine Forschergruppe an der TU München unter der Leitung von Manfred Schmitt sowie am Helmholtz Zentrum München unter der Leitung von Michaela Aubele ist dabei jetzt fündig geworden. Das Team hat sich auf einen anderen Rezeptor konzentriert, der insbesondere auch bei wandernden Tumorzellen und Metastasen in anderen Organen vorliegt: der sogenannte uPA Rezeptor und damit verbundene Proteine, das uPAR-Interactom.


Den Wissenschaftlern war aufgefallen, dass einzelne Mitglieder des uPAR-Interactoms beim triple-negativen Brustkrebs auffallend häufig in hoher Anzahl vorkommen. Sie sind für die Zellteilung sowie für die Ausbreitung und die Ansiedlung von TNBC-Tumorzellen in anderen Organen von großer Bedeutung.


Dies hatten die beiden Teams zuvor durch Untersuchungen gezeigt, in denen sie im Labor mit genetischen Veränderungen an einzelnen Brustkrebszellen die Wirksamkeit von uPAR unterbrochen hatten. Die Folge: Die Krebszellen teilten sich kaum noch und verloren ihre Aggressivität.


Gewebebank durchforstet

Ihre neue Spur verfolgten die Krebsforscher weiter: Sie untersuchten dazu rund 300 Gewebeproben von TNBC-Patientinnen aus der Gewebebank des Klinikums rechts der Isar. Dort werden seit Jahren Proben aus verschiedenen Tumoren gesammelt, um das Gewebe mit neuen Methoden erforschen zu können. Mit Hilfe dieser Tumorproben wollte die Gruppe die vielfältigen Interaktionen, die uPAR offensichtlich auch mit anderen Botenstoffen und Signalsubstanzen von Zellen hat, aufklären.


Das Team bereitete die Zellen aus Turmorgewebe und aus TNBC-positiven Brustkrebs-Tumorzellen so auf, dass auf molekular-biologischem Weg über 30 verschiedene Proteine und Botenstoffe nachgewiesen werden konnten, die mit uPAR in Wechselwirkung stehen. Darunter befanden sich auch verschiedene Zellwachstumshormone sowie Rezeptoren für das Verdauungshormon Insulin, das Nahrung in die Zellen bringt.


So gelang es den Forschern, auch einige wichtige und bislang in diesem Zusammenhang noch nicht bekannte Proteine wie zum Beispiel Cyr61 (cysteine-rich angiogenic inducer) und YB1 (Y-box binding protein) zu identifizieren.


Neue Vorhersagen möglich – und ein Patent ist eingereicht

Anschließend wertete das Team die in der Gewebedatenbank ebenfalls gespeicherten Patienten- und Krankheitsdaten aus. Dabei zeigte sich, dass zwischen den neu identifizierten Proteinen und der metastasenfreien Überlebensdauer von Frauen mit TNBC tatsächlich ein signifikanter Zusammenhang besteht. Damit ist klar, dass genau diese Proteine Angriffsstellen sein könnten, um die Tumorzellen zu vernichten.


„Wir wissen jetzt, dass wir für diesen hoch aggressiven Brustkrebs, die TNBC-Form, tatsächlich neue Ziele für die Therapie gefunden haben“, freut sich Michaela Aubele. Manfred Schmitt ergänzt: „Wir gehen davon aus, dass wir bald ein biologisch wirksames Medikament entwickeln können – ein Patent ist schon eingereicht.“ Die Arbeitsgruppe hofft, dass sie bald auch in klinischen Studien an Patienten neue Wirkstoffe testen kann.


Außerdem gab es noch ein praktisches Ergebnis der umfangreichen Auswertung der Gewebedatenbank: In Zukunft können Ärzte bessere Aussagen über den Verlauf der TNBC-Erkrankung und der damit verbundenen Lebenserwartung machen und die Patientinnen besser aufklären und beraten.

Die Wilhelm Sander-Stiftung hat dieses Forschungsprojekt mit rund 204.000 Euro unterstützt. Stiftungszweck ist die Förderung der medizinischen Forschung, insbesondere von Projekten im Rahmen der Krebsbekämpfung. Seit Gründung der Stiftung wurden insgesamt über 220 Millionen Euro für die Forschungsförderung in Deutschland und der Schweiz bewilligt. Damit ist die Wilhelm Sander-Stiftung eine der bedeutendsten privaten Forschungsstiftungen im deutschen Raum. Sie ging aus dem Nachlass des gleichnamigen bayerischen Unternehmers hervor, der 1973 verstorben ist.

 


Quelle: Wilhelm Sander-Stiftung, 18.01.2016 (tB).

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