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Antibiotikatherapie im Spannungsfeld zwischen Ökonomie und Resistenz
Wiesbaden (15. April 2007 ) – In Deutschland ist laut Prof. Dieter Adam aus München seit 1985 ein deutlicher Anstieg an bakteriellen Resistenzentwicklungen zu beobachten. Dieser Trend habe sich nach Erhebungen der Paul-Ehrlich-Gesellschaft in den letzten Jahren verstärkt, so Adam auf einem Symposium des Unternehmens Abbott beim diesjährigen Internistenkongress in Wiesbaden. Das gälte auch für die weltweite Resistenzsituation, die Adam als besorgniserregend bezeichnete.
Für die weite Verbreitung resistenter und multiresistenter Mikroorganismen gibt es verschiedener Ursachen. Im Vordergrund stehe, laut Adam, die nicht indizierte Antibiotikatherapie bzw. -prophylaxe. Darüber hinaus gibt es ein so genanntes Klassenphänomen. Ist ein Erreger resistent gegen einen Wirkstoff einer Antibiotikagruppe, so ist er gleichzeitig resistent gegenüber allen anderen derzeitigen Substanzen dieser Gruppe. Allerdings muss die im Labor ermittelte Resistenz nicht immer mit klinischem Therapieversagen korreliert sein. So ist z.B. von den Makrotiden bekannt, dass Substanzen mit sehr guter Gewebegängigkeit (wie Clarithromycin) in vivo durchaus noch wirksam können, selbst wenn im Labor eine niedriggradige Resistenz festgestellt wurde.
Oft führe auch eine Unterdosierung oder eine schlechte Patienten‑Compliance zur Entwicklung von Resistenzen. Unterschiede in den Resistenzmustern bestehen zwischen Ländern, einzelnen Krankenhäusern oder sogar einzelnen Abteilungen in den Kliniken oder in den Praxen niedergelassener Ärzte.
In Deutschland sei, so Adam, die Resistenzentwicklung im Vergleich zu anderen Ländern noch relativ günstig. Er führt dies auf den konsequenten und überlegten Einsatz von Antibiotika hierzulande zurück.
Eine Möglichkeit der Verschlechterung der Situation entgegenzuwirken, besteht in der Entwicklung neuer Substanzen. Wobei offen sei, wie lange die Wirksamkeit einer neuen Substanz erhalten bliebe.
Adam rät zu einem restriktiven Umgang mit Antibiotika, zu gezieltem Einsatz, einer ausreichend hohen Dosierung und ausreichender Therapiedauer. Wichtig sei es, den Verordnern die Auswahl aus der Vielfalt der verschiedenen Antibiotika zu erhalten. Er hält es für falsch, über Positivlisten für bestimmte Indikationen aus Kostengründen nur ein bestimmtes Präparat zu erlauben. „Ein manchmal etwas teureres in der Praxis angewandtes Antibiotikum kann wirksamer und wertvoller sein, als ein billigeres, gegen welches die Erreger bereits resistent sind oder bei dem eine schlechtere Compliance, z.B. auf Grund der Dosierungshäufigkeit zu erwarten ist!"
Ziel der Antibiotikatherapie ist nach Empfehlungen der Paul-Ehrlich‑Gesellschaft und der Infektliga die rasche Verbesserung der akuten Symptome sowie eine zuverlässige Eradikation der Erreger. Für die meisten Infektionen empfehlen die Gesellschaften verschiedene Antibiotika aus unterschiedlichen Gruppen.
Viele Infektionen der oberen Atemwege werden durch Streptococcus pyogenes, Streptococcus pneumoniae, Haemophilus influenzae oder Staphylococcus aureus verursacht.
Bei COPD komme ein Antibiotikum, so Dr. Klaus‑Friedrich Bodmann aus Hildesheim in Wiesbaden, nur bei Verdacht auf eine Infektion in Frage. Bei einer leichtgradigen COPD können primär Amoxicillin oder Makrotide eingesetzt werden. Mittel der Wahl z.B. bei Tonsillopharyngitis ist Phenoxymethylpenicillin. Für die Behandlung der akuten purulenten Sinusitis wird neben anderen Antibiotika Clarithromycin als Mittel der Wahl empfohlen. Ebenso bei akuter Otitis media und Pertussis. Chronische Sinusitis gilt als Indikation für Beta-Lactam-Antibiotika (wie Amoxicillin plus Beta-Lactamase-Inhibitor oder Cephalosporine) oder ein Fluorchinolon.
Mit MRSA werden Methicillin‑resistente Staphylococcus aureus‑Stämme bezeichnet. Unterschieden wird zwischen virulenten hMRSA, die in Kliniken und Einrichtungen des Gesundheitswesens auftreten und multiresistenten cMRSA, neue Stämme, die im ambulanten Bereich entdeckt wurden, erläuterte Dr. Beatrice Grabein aus München.
Die Resistenz gegenüber Methicillin bzw. Oxacillin führt zu Kreuzresistenz gegenüber allen ß-Lactam-Antibiotika und häufig auch gegenüber Makrotiden, Lincosamiden, Chinolonen und Aminoglykosiden.
Erste Berichtezu hMRSA kamen bereits 1961 aus den USA. Bis heute haben sich die resistenten Stämme dort dramatisch ausgebreitet.
Von hMRSA-Infektionen sind laut Grabein vor allem ältere Patienten mit längeren Krankenhausaufenthalten betroffen. Als besondere Risiken gelten z.B. intensivmedizinische Aufenthalte, wiederholte Krankenhaus-aufenthalte und Antibiotika-Therapien sowie offene Wunden.
Community-aquired MRSA-Infektionen treten unabhängig von Kliniken bei Patienten ohne typische Risikofaktoren auf. In Deutschland wird der erste Ausbruch von cMRSA in 2003/2004 mit insgesamt 117 Patienten beschrieben (Line et al.: Eur J Clin Microbiol Inf Dis 2005).
Das Erkrankungsspektrum bei cMRSA reicht von Haut‑/Weichteilinfektionen über nekrotisierende Pneumonien bis zum Waterhouse‑Friedrichsen Syndrom. Betroffen von dieser Form sind eher jüngere Menschen mit Sozialkontakt zu anderen wie Kinder, Soldaten, Mannschaftssportler. Unter anderem bei rezidivierenden Haut‑/Weichteilinfektionen bei sonst gesunden Menschen sollte auch an cMRSA-Infektionen gedacht werden; ebenso bei einer nekrotisierenden ambulant erworbenen Pneumonie.
Die Pharmaökonomie hat zum Ziel, die klinischen, wirtschaftlichen und menschlichen Folgen alternativer Therapien transparent zu machen, um damit Wege aufzuzeigen, wie mit einem begrenzten Budget eine bestmögliche Arzneimittelbehandlung erreicht werden kann. So erklärt Dr. Egid Strehl aus Freiburg i.Br. diesen Wissenschaftszweig. Eine Antibiotikatherapie wird unter pharmaökonomischen Aspekten dann als wirtschaftlich bewertet, wenn sie sich z.B. an der EbM, an Leitlinien und an Präparaten mit hoher Compliance‑Freundlichkeit orientiert. Außerdem müssen bei der Präparatewahl auch das Resistenzpotenzial des Wirkstoffs und die lokale Resistenzsituation berücksichtigt werden. Zudem sollen die Fallkosten alternativer Behandlungsregime einbezogen werden.
Es gelte auf jeden Fall eine suboptimale Antibiotikatherapie zu vermeiden, für die ein Mehraufwand entstehen kann, so Strehl. Der könne beispielsweise durch vermeidbare Nebenwirkungen, Non‑Compliance, zu aufwändige Verabreichung, umgehbares Drug-Monitoring und natürlich durch eine im Prinzip vermeidbare Resistenz-Entwicklung zustande kommen. „Wenn dann grundsätzlich die Behandlungsoptionen mit der besten Effektivität bei geringsten Kosten bevorzugt eingesetzt werden, wird auch bei einem begrenzten Budget der Mehrzahl der Erkrankten erfolgreich geholfen werden können," konstatiert Strehl.