Gestörter Fettstoffwechsel kann schlank machen

 

Potsdam (17. Oktober 2011) – Ein europäisches Wissenschaftlerteam hat unter Führung des Deutschen Instituts für Ernährungsforschung (DIfE) mit Hilfe eines Mausmodells gezeigt, dass ein gestörter Fettstoffwechsel paradoxerweise schlank machen kann. Schalteten die Forscher in der Maus das Gen für ein best. Enzym des Fettsäureabbaus aus, so blieben die Tiere trotz einer fettreichen Ernährung schlank. Wie die Forscher zeigen, ist der Ausfall des Enzyms mit einer erhöhten Körpertemperatur verbunden. Zudem können die Mäuse die Energie, die im Nahrungsfett steckt, nicht vollständig zur Energiegewinnung nutzen. Die Tiere müssen daher mehr Fettsäuren abbauen als normalerweise notwendig wäre, um ihren Energiebedarf zu decken.

 

„Unsere Studienergebnisse geben einen Einblick in die molekularen Zusammenhänge zwischen Fettverbrennung, Energiestoffwechsel und Übergewicht“, sagt Studienleiterin Annette Schürmann, die auch die Abteilung Experimentelle Diabetologie am DIfE leitet. „Ein besseres Verständnis der Zusammenhänge ist dringend erforderlich, um neue Behandlungsmethoden entwickeln zu können, die krankhaft übergewichtigen Menschen helfen, ihr Körpergewicht zu verringern.“

Das Forscherteam veröffentlichte nun seine Ergebnisse in der Fachzeitschrift Endocrinology (Schulz, N. et al. 2011; doi:10.1210/en.2011-1547).

Bei einer Suche nach Genen, die Übergewicht begünstigen, wurden die Wissenschaftler erstmals auf das Gen eines Enzyms aufmerksam, das von den Forschern kurz SCHAD genannt wird. Seit langem weiß man, dass das Enzym sowohl bei Mäusen als auch bei Menschen am Fettsäureabbau beteiligt ist. Bislang war jedoch unbekannt, dass es eine Rolle für die Entstehung von Übergewicht spielt und über welche Mechanismen es das Körpergewicht beeinflusst.

Um die Bedeutung der Enzymfunktion für die Regulation des Körpergewichts genauer zu untersuchen, nutzten die Wissenschaftler ein Tiermodell. Bei diesem handelt es sich um Mäuse, bei denen die Forscher das Gen, das den Bauplan für SCHAD enthält, gezielt entfernt hatten. Verglichen die Wissenschaftler die physiologischen Daten der genetisch veränderten Mäuse mit den Daten von Kontrolltieren, bei denen das Enzym normal funktionierte, stellten sie Folgendes fest:

Unter einer fettreichen Diät hatten die Mäuse, denen das SCHAD-Gen fehlte, ein vergleichsweise geringes Körpergewicht und eine deutlich geringere Körperfettmenge. Zudem war ihre Körpertemperatur erhöht. Weitere Untersuchungen zeigten, dass die Tiere über den Urin bestimmte Stoffwechselzwischenprodukte des Fettsäureabbaus ausschieden und kompensatorisch mehr Fettsäuren verbrannten als die Kontrolltiere. Dabei fraßen beide Mausgruppen gleich viel und waren auch in gleichem Umfang körperlich aktiv.

„Wie unsere Auswertungen zeigen, konnten die genetisch veränderten Mäuse nur etwa vier Fünftel der Energie nutzen, die das Fettfutter normalerweise liefert, da sie das Fett nur unvollständig verbrennen. Ein Grossteil der Energie geht dabei durch die Ausscheidung der Abbauzwischenprodukte verloren“, erklärt Nadja Schulz, Erstautorin der Studie. „Hinzu kommt der Energieverlust, der durch die erhöhte Körpertemperatur entsteht. Um das Energiedefizit auszugleichen, müssen die Mäuse also mehr Nahrungsfett verbrennen als die Kontrolltiere und speichern es nicht in Form von Körperfett. SCHAD ist also wichtig, um die Energie, die im Nahrungsfett enthalten ist, vollständig zur Energiegewinnung für den Körper nutzen zu können“.


Hintergrundinformation

Die hier beschriebenen Forschungsarbeiten wurden vom Bundesministerium für Bildung und Forschung unterstützt.

Bereits 2008 zeigten Wissenschaftler des DIfE erstmals, dass der Verlust einer Genfunktion (Tbc1d1) den Fettsäureabbau im Muskel erhöht und so vor Übergewicht schützt*. Die neuen Befunde zeigen nun direkt, dass durch eine Manipulation des Fettsäureabbaus Einfluss auf die Regulation des Körpergewichts genommen werden kann.

Wie Tier- und Humanstudien zeigen, besteht ein Zusammenhang zwischen Übergewicht, Ernährung und Genen. Wissenschaftler vermuten, dass natürliche Varianten von mindestens 50 Genen an der Entstehung von Übergewicht beteiligt sind. Die Gene bilden ein funktionell interagierendes Netzwerk, dessen einzelne Komponenten beim Menschen nur schwer zu identifizieren und zu untersuchen sind.
Da Mensch und Maus genetisch sehr ähnlich sind, nutzen die Forscher auch Mausmodelle, um Gene zu identifizieren, die an der Entstehung von Übergewicht beteiligt sind. Ist zum Beispiel ein „Übergewichtsgen“ gefunden, das bei beiden Spezies eine Rolle spielt, können die Wissenschaftler seine Funktion und die zugrunde liegenden molekularen Mechanismen am Tiermodell unter kontrollierten Bedingungen erforschen. Am Menschen sind solche Studien oft aus ethischen sowie auch aus praktischen Gründen nicht möglich. Die am Tiermodell gewonnenen Ergebnisse lassen sich nutzen, um neue Therapieansätze zur Behandlung von Adipositas (Fettsucht) zu entwickeln.

Das Deutsche Institut für Ernährungsforschung Potsdam-Rehbrücke (DIfE) ist Mitglied der Leibniz-Gemeinschaft. Es erforscht die Ursachen ernährungsbedingter Erkrankungen, um neue Strategien für Prävention, Therapie und Ernährungsempfehlungen zu entwickeln. Forschungsschwerpunkte sind dabei Adipositas (Fettsucht), Diabetes, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Krebs. Das DIfE ist zudem ein Partner des 2009 vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderten Deutschen Zentrums für Diabetesforschung e.V. (DZD).

Die Leibniz-Gemeinschaft vereint 87 Einrichtungen, die anwendungsbezogene Grundlagenforschung betreiben und wissenschaftliche Infrastruktur bereitstellen. Insgesamt beschäftigen die Leibniz-Einrichtungen rund 16.800 Menschen – darunter 7.800 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler – bei einem Jahresetat von insgesamt knapp 1,4 Milliarden Euro. Die Leibniz-Gemeinschaft zeichnet sich durch die Vielfalt der in den Einrichtungen bearbeiteten Themen und Disziplinen aus. Die Forschungsmuseen der Leibniz-Gemeinschaft bewahren und erforschen das natürliche und kulturelle Erbe. Darüber hinaus sind sie Schaufenster der Forschung, Orte des Lernens und der Faszination für die Wissenschaft. Näheres unter http://www.leibniz-gemeinschaft.de

 

 


Quelle: Deutsches Institut für Ernährungsforschung Potsdam-Rehbrücke (DIfE), 17.10.2011 (tB).

MEDICAL NEWS

IU School of Medicine researchers develop blood test for anxiety
COVID-19 pandemic increased rates and severity of depression, whether people…
COVID-19: Bacterial co-infection is a major risk factor for death,…
Regenstrief-led study shows enhanced spiritual care improves well-being of ICU…
Hidden bacteria presents a substantial risk of antimicrobial resistance in…

SCHMERZ PAINCARE

Hydromorphon Aristo® long ist das führende Präferenzpräparat bei Tumorschmerz
Sorgen und Versorgen – Schmerzmedizin konkret: „Sorge als identitätsstiftendes Element…
Problem Schmerzmittelkonsum
Post-Covid und Muskelschmerz
Kopfschmerz bei Übergebrauch von Schmerz- oder Migränemitteln

DIABETES

Wie das Dexom G7 abstrakte Zahlen mit Farben greifbar macht…
Diabetes mellitus: eine der großen Volkskrankheiten im Blickpunkt der Schmerzmedizin
Suliqua®: Einfacher hin zu einer guten glykämischen Kontrolle
Menschen mit Diabetes während der Corona-Pandemie unterversorgt? Studie zeigt auffällige…
Suliqua® zur Therapieoptimierung bei unzureichender BOT

ERNÄHRUNG

Positiver Effekt der grünen Mittelmeerdiät auf die Aorta
Natriumaufnahme und Herz-Kreislaufrisiko
Tierwohl-Fleisch aus Deutschland nur mäßig attraktiv in anderen Ländern
Diät: Gehirn verstärkt Signal an Hungersynapsen
Süßigkeiten verändern unser Gehirn

ONKOLOGIE

Strahlentherapie ist oft ebenso effizient wie die OP: Neues vom…
Zanubrutinib bei chronischer lymphatischer Leukämie: Zusatznutzen für bestimmte Betroffene
Eileiter-Entfernung als Vorbeugung gegen Eierstockkrebs akzeptiert
Antibiotika als Störfaktor bei CAR-T-Zell-Therapie
Bauchspeicheldrüsenkrebs: Spezielle Diät kann Erfolg der Chemotherapie beeinflussen

MULTIPLE SKLEROSE

Multiple Sklerose: Aktuelle Immunmodulatoren im Vergleich
Neuer Biomarker für Verlauf von Multipler Sklerose
Multiple Sklerose: Analysen aus Münster erhärten Verdacht gegen das Epstein-Barr-Virus
Aktuelle Daten zu Novartis Ofatumumab und Siponimod bestätigen Vorteil des…
Multiple Sklerose durch das Epstein-Barr-Virus – kommt die MS-Impfung?

PARKINSON

Meilenstein in der Parkinson-Forschung: Neuer Alpha-Synuclein-Test entdeckt die Nervenerkrankung vor…
Neue Erkenntnisse für die Parkinson-Therapie
Cochrane Review: Bewegung hilft, die Schwere von Bewegungssymptomen bei Parkinson…
Technische Innovationen für eine maßgeschneiderte Parkinson-Diagnostik und Therapie
Biomarker und Gene: neue Chancen und Herausforderungen für die Parkinson-Diagnose…