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GKV-Spitzenverband
Notfallversorgung aus Patientensicht konzipieren
Berlin (28. August 2019) — Millionen Menschen in Deutschland suchen jährlich dringend medizinische Hilfe. Allein etwa 19 Millionen von ihnen nutzen den ambulanten Bereitschaftsdienst der niedergelassenen Ärzte oder die Notfallambulanzen der Krankenhäuser. Da der ambulante Bereitschaftsdienst eher unbekannt ist, gehen zu viele Hilfesuchende in die Notfallambulanzen der Krankenhäuser – selbst mit leichten Problemen und nicht nur an Wochenenden. Die Folgen sind lange Wartezeiten und überlastetes Personal in den Notaufnahmen der Krankenhäuser. „Für Menschen in Not ist es unerheblich, ob der helfende Arzt im Krankenhaus arbeitet oder in einer ambulanten Arztpraxis. Patienten gehen dorthin, wo sie Hilfe bekommen. Das haben uns die letzten Jahre gezeigt. Also müssen wir die Notfallversorgung neu organisieren. Künftige Strukturen müssen sich am Bedarf und an Bedürfnissen von Patienten orientieren und nicht andersherum“, fordert Stefanie Stoff-Ahnis, Vorstand beim GKV-Spitzenverband.
„Mit der Unterstützung aus Wissenschaft und Politik haben wir die Chance, die unkoordinierten Teile der Notfallversorgung bundesweit zu verzahnen – nämlich den Rettungsdienst, den Bereitschaftsdienst der niedergelassenen Ärzte und die Notaufnahme in Kliniken.“ Der GKV-Spitzenverband hatte sich bereits 2017 mit Vorschlägen zur Reform der Notfallversorgung gemeldet; der Sachverständigenrat im Gesundheitswesen 2018. Aktuell sind Reformpläne aus dem Bundesgesundheitsministerium bekannt geworden.
Integrierte Notfallleitstellen aufbauen
Eine echte Steuerungsfunktion müssen künftig integrierte Notfallleitstellen bekommen. Sie sollen für Patienten jederzeit telefonisch erreichbar sein, egal ob man die Notrufnummer 112 wählt oder die Nummer des ärztlichen Bereitschaftsdienstes der Kassenärztlichen Vereinigungen 116117. Diesen Gedanken greifen auch die BMG-Reformpläne auf. Medizinisch geschultes Fachpersonal klärt am Telefon, wie dringend Patienten Hilfe brauchen, welche Versorgung wo zur Verfügung steht und welche Transportmittel notwendig sowie verfügbar sind. Damit sich Patienten auf eine professionelle Bewertung ihres Falls verlassen können, braucht es bundeseinheitliche Standards für die telefonische Ersteinschätzung. Nur so lassen sich regionale Qualitätsunterschiede vermeiden. Außerdem müssten die Leitstellen digitale wie telemedizinische Optionen nutzen. Konkret heißt das für Stoff-Ahnis: „Die Leitstellen müssen in Echtzeit auf vorhandene Ressourcen zugreifen können. Auch die Patientendaten sollten vorab ans Krankenhaus übertragen werden, bevor der Rettungswagen eintrifft.“
Außerdem sollen Rettungswagen künftig nur noch solche Krankenhäuser ansteuern, die für eine Notfallversorgung auch tatsächlich personell und technisch ausgestattet sind. „Bei Schwerverletzten oder lebensbedrohlich erkrankten Patienten ist es wichtig, schnell zu sein und die Patienten genau dorthin zu bringen, wo sie für ihr Problem die richtige medizinische Hilfe erhalten“, so Stoff-Ahnis. Nicht jedes Krankenhaus müsste z. B. Schlaganfall- oder Herzinfarkt-Patienten betreuen. „Notwendig ist auch hier ein am Patientenbedarf ausgerichteter Fokus.“
Rettungswesen als Teil des Gesundheitswesens etablieren
Die Versorgung von Schwerverletzten und lebensbedrohlich erkrankten Menschen beginnt oft bereits vor Ort oder im Rettungswagen. Richtigerweise greifen die BMG-Reformpläne daher die Bedeutung der Rettungsdienste der Bundesländer auf. Künftig soll danach die Notfallversorgung über den Rettungsdienst als GKV-Leistung gelten und von den Krankenkassen in jedem Fall bezahlt werden. Bisher war das nur möglich, wenn sich eine Behandlung im Krankenhaus anschloss. „Die GKV unterstützt diesen Punkt bewusst. Denn damit werden falsche finanzielle Anreize abgebaut: Künftig besteht kein Anlass mehr, Patienten mit leichten Problemen ins Krankenhaus zu bringen, nur damit der Einsatz des Rettungsdienstes bezahlt wird“, so Stoff-Ahnis.
Für die gesetzlichen Krankenkassen ist es essentiell, in die Rettungsdienstplanung einbezogen zu werden. „Eine Planung des Rettungsdienstes sollte zwingend über die Grenzen von Bundesländern hinweg erfolgen“, fordert Stoff-Ahnis. „Auch hier müssen wir aus Sicht der Patienten denken. Für Kranke und Verletzte ist es unwichtig, ob der Rettungswagen z. B. aus Niedersachsen oder Schleswig-Holstein kommt. Relevant ist allein, dass das bestgeeignete Krankenhaus schnell erreicht wird.“ Die vom BMG geplante Grundgesetzänderung ist aus Sicht des GKV-Spitzenverbandes daher richtig und notwendig.
Gemeinsamer Tresen als zentrale Anlaufstelle einrichten
In Krankenhäusern braucht es eine zentrale Anlaufstelle für alle Notfallpatienten, an der eine Ersteinschätzung erfolgt. Diesen Gedanken des Sachverständigenrats im Gesundheitswesen unterstützt der GKV-Spitzenverband. Er findet sich grundsätzlich auch in den BMG-Plänen.
Der GKV-Spitzenverband schlägt einen gemeinsamen Tresen in jedem für die Notfallversorgung vorgesehenen Krankenhaus vor. Er würde als Lotsenpunkt fungieren und jene Pateinten empfangen, die direkt ins Krankenhaus gehen. Medizinisches Fachpersonal aus beiden Versorgungsbereichen entscheidet über die weitere Versorgung: Entweder würden Patienten dann ambulant durch Ärzte in der KV-Notdienstpraxis sofort vor Ort versorgt werden oder einen Termin bei einem niedergelassenen Arzt vermittelt bekommen. Wenn Patienten mit medizinisch dringenden Problemen eintreffen, würden sie in die zentrale Notaufnahme der Klinik kommen und nach einer weiteren medizinischen Abklärung ggf. ins Krankenhaus eingewiesen werden.
„Der gemeinsame Tresen ist eine einfache und patientenfreundliche Lösung. Egal ob Patienten mit einem Insektenstich, einem gebrochenem Arm oder mit unspezifischen Schmerzen in der Brust hier ankommen – die Menschen mit ihrem jeweiligen Problem rücken in den Mittelpunkt und werden je nach Dringlichkeit auf den passenden Behandlungspfad gelotst“, so Stoff-Ahnis.
Quelle: GKV-Spitzenverband, 28.08.2019 (tB).