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Hauptstadtsymposium DGPPN:
Bessere Rahmenbedingungen für Früherkennung, Versorgung und Pflege gefordert
Berlin (25. Juni 2008) – Bereits heute leben in Deutschland etwa 1,1 Millionen Menschen mit Demenzerkrankungen. Während bei den 65- bis 69jährigen weniger als zwei Prozent betroffen sind, steigt die Häufigkeit der Erkrankung bei Menschen, die 90 oder mehr Lebensjahre zählen, auf mehr als 30 v.H. an. Durch den demografischen Alterungsprozess ist in den nächsten Jahrzehnten zudem mit einem gravierenden Anstieg der Zahl erkrankter Männer und Frauen zu rechnen: Da jedes Jahr fast 200.000 Neuerkrankungsfälle hinzukommen, werden bis 2050 etwa 2,3 Millionen Menschen von einer Demenzerkrankung betroffen sein.
Derzeit ist eine "Heilung" der Demenz nicht möglich. Umso drängender sind daher die Fragen nach einer frühzeitigen Diagnose sowie einer umfassenden Versorgung und Pflege. Vor diesem Hintergrund stellt das Thema "Demenzen" als einer psychiatrischen Erkrankung eine für unsere Gesellschaft und für unser Gesundheitswesen herausfordernde Zukunftsaufgabe dar. Beim 4. Hauptstadtsymposium der DGPPN, das in Zusammenarbeit mit der Deutschen Gesellschaft für Gerontopsychiatrie und -psychotherapie (DGGPP) sowie der Deutschen Alzheimer Gesellschaft/ Selbsthilfe Demenz, am Mittwoch, den 25. Juni, in Berlin zum Thema "Demenzerkrankungen: Ein kaum lösbares Problem für eine alternde Gesellschaft?" stattgefunden hat, wurden einige grundsätzliche Aspekte der Früherkennung dieser Krankheit sowie der medizinischen Versorgung und der psycho-sozialen Pflege von Menschen mit Demenzerkrankungen diskutiert.
Unter den Oberbegriff "Demenz" fallen verschiedene Krankheitsbilder. Die am häufigsten vorkommende Demenz ist die Alzheimer-Erkrankung. Etwa zwei Drittel aller demenziellen Erkrankungen gehören dem Alzheimer-Typ an, 10 bis 20 Prozent sind durch Durchblutungsstörungen des Gehirns verursacht und werden als "vaskuläre Demenzen" bezeichnet. Darüber hinaus gibt es noch Mischformen beider Erkrankungen und weitere Formen wie z.B. die Parkinson-Demenz. Man kann verschiedene Schweregrade unterscheiden: Eine leichte Demenz bezieht sich auf das Vorliegen von kognitiven Störungen, die die Bewältigung schwieriger Aufgaben einschränken, jedoch die selbstständige Bewältigung des Alltags noch erlauben. Von einer mittelschweren spricht man, wenn fremde Hilfe zur Bewältigung des Alltags erforderlich ist, wobei einige Fähigkeiten noch erhalten sind. Bei einer schweren Demenz ist eine dauerhafte Versorgung und Hilfe auch bei einfachsten alltäglichen Anforderungen notwendig. Neben der Gedächtnisstörung treten oft weitere, begleitende Symptome wie Apathie, Depression, Agitiertheit, Ängstlichkeit, Schlafstörungen und wahnhaftes Denken auf, die die Lebensqualität nachhaltig einschränken und damit einer angemessenen psychiatrisch-psychotherapeutischen Versorgung bedürfen. Zu Beginn einer Erkrankung können die Auffälligkeiten so geringfügig sein, dass diese übersehen werden. Für die Diagnose einer Demenz muss neben dem Nachweis einer Abnahme kognitiver Fähigkeiten auch eine erhebliche Beeinträchtigung der Aktivitäten im täglichen Leben, etwa Ankleiden, Essen und persönliche Hygiene, vorliegen. Gerade die Beeinträchtigungen der alltagspraktischen Fähigkeiten bestimmen den Betreuungs- und Pflegeaufwand.
Demenzen sind chronische, fortschreitende Erkrankungen, deren Therapie ein interdisziplinäres Team untereinander erfordert. Das wichtigste Ziel des Behandlungskonzepts ist es, so lange wie möglich die Funktionalität der Betroffenen zu erhalten, damit diese solange wie möglich weitgehend selbstständig ihr Leben gestalten können. Aus der Forschungsarbeit weiß man, dass die Veränderung der Gehirnsubstanz mit Eiweißablagerungen, die so genannten amyloid-haltigen Plaques, die zu weiteren Schädigungen der Nervenzellen und ihrer Verbindungen führen, bereits Jahrzehnte vor den damit verbundenen Symptomen beginnen. Biochemisch führt die Schädigung der Nervenzellen zum Verlust des Neurotransmitters Acetylcholin. Klinisch zeigt sich dies u.a. in der Abnahme der kognitiven Fähigkeiten und der Kompetenz alltägliche Aufgaben selbstständig zu erledigen. Da eine Heilung dieser Krankheit noch nicht möglich ist, konzentriert man sich in der Therapie darauf, das Fortschreiten der Erkrankung hinauszuzögern und deren Auswirkungen zu mildern. Die Behandlungsleitlinie der DGPPN bezeichnet daher die Therapie mit Acetylcholinesterase-Hemmern als Mittel der ersten Wahl. Denn durch die Hemmung der Acatylcholinesterase wird der Abbau von Acetylcholin gehemmt und die Konzentration an den prä- und postsynaptischen Rezeptoren erhöht. So können die kognitiven Fähigkeiten länger erhalten bleiben.
Die Mehrheit der Menschen mit Demenzen leben derzeit noch in privaten Haushalten. Dort werden sie zumeist von weiblichen Familienangehörigen betreut. Diese leisten durchschnittlich sechs bis zehn Stunden am Tag unbezahlte Betreuungsarbeit. Die Pflege von Demenzerkrankten kann die Pflegenden sowohl physisch als auch psychisch stark belasten. In der Folge kommt es mitunter zu Erkrankungen des Bewegungsapparats, psychosomatischen Störungen, depressiven Verstimmungen, oder einer Einnahme von Psychopharmaka, vor allem Beruhigungsmitteln, um den stark belastenden Eindrücken und Erlebnissen besser begegnen zu können. Nicht zuletzt vor diesem Hintergrund weist die DGPPN mit Nachdruck darauf hin, dass die psychische Gesundheit der Angehörigen immer auch Teil der Behandlung der Demenz sein sollte. Auch wenn in diesem Zusammenhang Selbsthilfegruppen wie etwa jene der Deutschen Alzheimer Gesellschaft eine herausragende Rolle spielen, wird diesem Aspekt in unserem Gesellschafts- und Gesundheitssystem immer noch zu wenig Bedeutung zuerkannt. Weiterhin erinnert die DGPPN daran, dass eine Pflege, die sich an den emotionalen Bedürfnissen der Demenzerkrankten orientiert, nachweislich einen positiven Effekt auf deren Lebenssituation hat. Es gilt daher als Aufgabe für unsere Versorgungs- und Pflegesysteme, die Wertorientierung an einer personenzentrierten Pflege im Sinne einer "positiven Personenarbeit" fest zu etablieren und im Interesse aller Betroffenen, also Pflegende und Erkrankte, weiter zu entwickeln.
Nach Auffassung der DGPPN wird dies nur dann gelingen, wenn im Gesundheits- und Sozialsystem der Bundesrepublik sowohl die Stellung der Nutzer nachhaltig gestärkt als auch die Segmentierung der Versorgungs- und Betreuungsangebote aufgehoben wird. Nach wie vor werden diese Angebote, bedingt durch die zunehmende Ökonomisierung aller Lebensbereiche in unserer Gesellschaft, zuerst von den betriebswirtschaftlichen Interessen der Einrichtungsträger bestimmt und nicht von den Bedürfnissen der Erkrankten bzw. der Pflegenden. Nach Auffassung der DGPPN sollte die Politik daher die Rahmenbedingungen und ökonomischen Anreize so gestalten, dass die Berücksichtigung der Nutzer-Bedürfnisse sich für die betriebswirtschaftlich handelnden Leistungserbringer lohnt, und die Sozialversicherung langfristig finanzierbar bleibt.