MEDIZIN

DOC-CHECK LOGIN

Herpes Simplex-Attacke im Fokus

Elektronenmikroskopische Studien erlauben neue, native Einblicke in den viralen Infektionsvorgang

 

Abb.1: Kryo-Elektronentomographische Aufnahme der 3D-Struktur des Herpes-Virus. Die Hauptstrukturen des Virus sind farblich markiert. In grün sind die Glykoproteine wiedergegeben, mit denen sich das Virus an die Zelle anheftet, in dunkelblauer Farbe die Proteinhülle, in orange das Tegument dargestellt. Da Kapsid ist hellblau eingefärbt. Sehr deutlich ist die asymmetrische Verteilung der Proteinhülle zu erkennen. Photo: Kay Grünewald, Max-Planck-Institut für BiochemieMartinsried (31. Juli 2008) – Herpesviren etablieren sich nach einer Infektion lebenslang im Organismus und können immer wieder erneut zum Ausbruch einer Krankheit führen. Molekulare Details des Infektionsvorgangs waren bisher auf zellulärer Ebene noch nicht bekannt. Ulrike Maurer und Kay Grünewald vom Max-Planck-Institut für Biochemie und Beate Sodeik von der Medizinischen Hochschule Hannover zeigen jetzt detailliert, wie das Virus seine Wirtszelle befällt und in sie eindringt. Sie veröffentlichen ihre neuesten Ergebnisse in der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift Proceedings of the National Academy of Sciences of the U.S.A. (PNAS, 29.7.2008).

Viren können sich nicht selbständig vermehren, sondern müssen Wirtszellen infizieren und deren Stoffwechsel umprogrammieren, damit diese viele neue Viren produzieren und freisetzen. Während einer Infektion heftet sich das Virus an die Wirtszelle an und bringt seine genetische Information (DNA oder RNA) in die Zelle. Die DNA oder RNA des Virus sorgt dafür, dass zelluläre Prozesse auf die Virusvermehrung ausgerichtet werden, wobei die Zelle selbst dabei in der Regel zugrunde geht. Virusforscher am Max-Planck-Institut für Biochemie in Martinsried erforschen wie Viren sich an Wirtszellen anheften und welche Proteinstrukturen an der Infektion beteiligt sind. Sie konzentrieren sich dabei auf das Herpes Simplex Virus-1, das zu einer großen Virusfamilie gehört, die nicht nur Herpes-Bläschen am Mund hervorrufen, sondern neben Windpocken, Gürtelrose und Karzinomen für mehr als 60 verschiedene Krankheitsbilder bei Mensch oder Tier verantwortlich sind.

 

Ulrike Maurer studierte in der Forschungsgruppe um Kay Grünewald, die Anheftung des Herpesvirus im Elektronenmikroskop. Die eingesetzte Technik der Kryo-Elektronentomographie gibt den Forschern die Möglichkeit, zelluläre Vorgänge als Schnappschüsse festzuhalten. Dabei werden schockgefrorene Zellen bei etwa minus 180 °C im Elektronenmikroskop untersucht. Aus einer Vielzahl von Einzelbildern können dynamische Prozesse in den Zellen auf molekularer Ebene untersucht werden. Die neuesten Ergebnisse aus der Forschungsgruppe "Zelluläre Infektion durch Viren" in Martinsried liefern erstmalig "Live-Aufnahmen" vom Vorgang der Infektion.

 

 Herpes-Virus.

 

Abb.1: Kryo-Elektronentomographische Aufnahme der 3D-Struktur des Herpes-Virus.
Die Hauptstrukturen des Virus sind farblich markiert. In grün sind die Glykoproteine
wiedergegeben, mit denen sich das Virus an die Zelle anheftet, in dunkelblauer Farbe
die Proteinhülle, in orange das Tegument dargestellt. Da Kapsid ist hellblau eingefärbt.
Sehr deutlich ist die asymmetrische Verteilung der Proteinhülle zu erkennen.
                                          Photo: Kay Grünewald, Max-Planck-Institut für Biochemie

 

 

Zunächst studierten die Wissenschaftler die Anheftung der Viren an tierischen und menschlichen Zellen und konnten beobachten, wie die mit Proteinen bestückte Membranhülle des Virus mit der Membran der Zelle verschmilzt und den Virusinhalt in die Zelle freisetzt. Um noch genauere Studien durchführen zu können, studierten Ulrike Maurer und ihre Kollegen die Virus Infektion an Synaptosomen, isolierten Nerven-Enden, die über Nervenzellen kommunizieren. Die dünneren Zellstrukturen der Synaptosomen ermöglichen Aufnahmen von bisher unerreichter Auflösung.

 

Der Infektionsvorgang im Detail

 

Frühere Studien von Kay Grünewald und seinen Kollegen klärten den Aufbau des Herpes Simplex Virus auf (s. Abb. 1): Die DNA ist in einem ikosaeder-förmigen symmetrischen Kapsid eingeschlossen, das von zwei Schichten umgeben ist, dem Tegument und einer Membranhülle, auf deren Oberfläche Glykoproteine sitzen, die den Eintritt in die Wirtszelle ermöglichen.

"Wir können aus der Vielzahl der einzelnen Schnappschüsse nun eindeutig den dynamischen Prozess der Infektion rekonstruieren", so Grünewald. Nach den neuesten Erkenntnissen verschmilzt die Membranhülle des Virus mit der Plasmamembran der Zelle (Abb. 2), wobei die Virusmembran mit den Glykoproteinen in die Zellmembran integriert werden. Das vom Tegument eingeschlossene Kapsid des Virus gelangt in die Zelle. Dort löst sich auch das Tegument ab und das freie Kapsid wandert zum Zellkern.

Für den früher bereits von Grünewald und Kollegen beschriebenen asymmetrischen Aufbau der Proteinhüllen des Herpes Simplex Virus finden die Wissenschaftler nun ebenfalls eine Erklärung. "Wir fanden nur eine einzige offene Pore bei allen Infektionsvorgängen, die wir untersuchten und diese wurde nur gebildet an der dünnsten Stelle des Teguments, d. h. der Bereich, in dem Viruskapsid und Hüllmenbran einander am nächsten sind. Wir vermuten deshalb, dass dieser Pol des Virus für die Verschmelzung wichtig ist, während der von einer dickeren Hülle umgebene Gegenpol eher für den Zusammenbau der Viren wichtig ist".

 

 

Abb.2: Kryo-Elektronentomographie des Infektionsvorgangs des Herpes Simplex Virus. Photo: Ulrike Maurer/Kay Grünewald, Max-Planck-Institut für Biochemie.

 

Abb.2: Kryo-Elektronentomographie des Infektionsvorgangs des Herpes Simplex Virus. 
Photo: Ulrike Maurer/Kay Grünewald, Max-Planck-Institut für Biochemie.

 

 

Die neuesten Ergebnisse aus Martinsried sind ein weiterer Beweis, dass die Elektronenmikroskopie von schockgefrorenen Zellen durch die Technik der Kryo-Elektronentomographie die Beobachtung von dynamischen Prozessen in Zellen mit einzigartiger Auflösung ermöglicht. Die detaillierte Beschreibung der Herpes-Infektion von Zellen dürfte jedoch nicht nur Strukturbiologen, Zellbiologen und Virologen erfreuen, sondern auch für die Designer neuer Medikamente gegen die Virus-Infektionen von großer Bedeutung sein.

 

Originalpublikation

  • Ulrike E. Maurer, Beate Sodeik, and Kay Grünewald
    Native 3D intermediates of membrane fusion in herpes simplex virus 1 entry.
    Proceedings of the National Academy of Sciences of the USA (PNAS), 105(30): 10559-10564; 29.
    Juli 2008


Quelle: Pressemitteilung des Max-Planck-Instituts für Biochemie (Martinsried) vom 31.07.2008 (tB).

MEDICAL NEWS

IU School of Medicine researchers develop blood test for anxiety
COVID-19 pandemic increased rates and severity of depression, whether people…
COVID-19: Bacterial co-infection is a major risk factor for death,…
Regenstrief-led study shows enhanced spiritual care improves well-being of ICU…
Hidden bacteria presents a substantial risk of antimicrobial resistance in…

SCHMERZ PAINCARE

Hydromorphon Aristo® long ist das führende Präferenzpräparat bei Tumorschmerz
Sorgen und Versorgen – Schmerzmedizin konkret: „Sorge als identitätsstiftendes Element…
Problem Schmerzmittelkonsum
Post-Covid und Muskelschmerz
Kopfschmerz bei Übergebrauch von Schmerz- oder Migränemitteln

DIABETES

Wie das Dexom G7 abstrakte Zahlen mit Farben greifbar macht…
Diabetes mellitus: eine der großen Volkskrankheiten im Blickpunkt der Schmerzmedizin
Suliqua®: Einfacher hin zu einer guten glykämischen Kontrolle
Menschen mit Diabetes während der Corona-Pandemie unterversorgt? Studie zeigt auffällige…
Suliqua® zur Therapieoptimierung bei unzureichender BOT

ERNÄHRUNG

Positiver Effekt der grünen Mittelmeerdiät auf die Aorta
Natriumaufnahme und Herz-Kreislaufrisiko
Tierwohl-Fleisch aus Deutschland nur mäßig attraktiv in anderen Ländern
Diät: Gehirn verstärkt Signal an Hungersynapsen
Süßigkeiten verändern unser Gehirn

ONKOLOGIE

Strahlentherapie ist oft ebenso effizient wie die OP: Neues vom…
Zanubrutinib bei chronischer lymphatischer Leukämie: Zusatznutzen für bestimmte Betroffene
Eileiter-Entfernung als Vorbeugung gegen Eierstockkrebs akzeptiert
Antibiotika als Störfaktor bei CAR-T-Zell-Therapie
Bauchspeicheldrüsenkrebs: Spezielle Diät kann Erfolg der Chemotherapie beeinflussen

MULTIPLE SKLEROSE

Multiple Sklerose: Aktuelle Immunmodulatoren im Vergleich
Neuer Biomarker für Verlauf von Multipler Sklerose
Multiple Sklerose: Analysen aus Münster erhärten Verdacht gegen das Epstein-Barr-Virus
Aktuelle Daten zu Novartis Ofatumumab und Siponimod bestätigen Vorteil des…
Multiple Sklerose durch das Epstein-Barr-Virus – kommt die MS-Impfung?

PARKINSON

Meilenstein in der Parkinson-Forschung: Neuer Alpha-Synuclein-Test entdeckt die Nervenerkrankung vor…
Neue Erkenntnisse für die Parkinson-Therapie
Cochrane Review: Bewegung hilft, die Schwere von Bewegungssymptomen bei Parkinson…
Technische Innovationen für eine maßgeschneiderte Parkinson-Diagnostik und Therapie
Biomarker und Gene: neue Chancen und Herausforderungen für die Parkinson-Diagnose…