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HEXAL-Initiative Kinderarzneimittel
Mehr Arzneimittelsicherheit für Kinder durch Information und Transparenz
Mainz (15. September 2006) Viele Kinder müssen mit Arzneimitteln behandelt werden, die für ihre Altersgruppe nicht zugelassen sind, weil nicht genügend geprüfte Arzneimittel zur Verfügung stehen. Kinder erhalten jedoch auch ungeprüfte Arzneimittel, obwohl zugelassene Alternativen zur Verfügung stehen, wie in einer Untersuchung der HEXAL-Initiative Kinderarzneimittel zum off-label use bei Kindern festgestellt wurde. Vor allem bei Arzneimitteln zur Behandlung seltener Erkrankungen im Kindesalter kann die Suche nach einem zugelassenen Arzneimittel viel Zeit erfordern. Der Zulassungsstatus muss aus der Fachinformation ermittelt werden, die vom pharmazeutischen Unternehmer entweder als Papierversion oder über das elektronische Fachinformations-Verzeichnis der Roten Liste zur Verfügung gestellt wird. Somit ist zwar ein schneller Zugriff auf einzelne Fachinformationen möglich, nicht jedoch die gezielte Suche nach einem Arzneimittel mit bestimmten Merkmalen.
Deshalb hat die HEXAL-Initiative Kinderarzneimittel ZAK® – Zugelassene Arzneimittel für Kinder entwickelt. Für sechs verschiedene pädiatrische Altersgruppen können zugelassene Arzneimittel in einer Indikationsgruppe oder mit einem bestimmten Wirkstoff ermittelt werden. "ZAK®" ist ein gemeinsames Projekt der Initiative mit pharmazeutischen Unternehmen, die dafür ihre Fachinformationen zur Verfügung stellen. Dr. Petra Schoettler berichtete, dass die Bereitschaft zur Unterstützung des Projekts die Erwartungen der Initiative übertroffen hat.
Die Datenbank soll den Fachkreisen ab Oktober 2006 kostenfrei zur Verfügung stehen. Wie der Kinderkardiologe Dr. med. Martin Hulpke-Wette demonstrierte, kann der behandelnde Arzt mit minimalem Zeitaufwand prüfen, ob das gewählte Medikament tatsächlich für seinen Patienten geeignet ist. Zusätzlich stehen über einen Link zur Fachinformation weitere Informationen zur sicheren Anwendung des Arzneimittels zur Verfügung.
In ambulanten Kinderarztpraxen werden etwa 15 % der verwendeten Arzneimittel nicht der Zulassung entsprechend eingesetzt (off-label), in pädiatrischen Spezialstationen der Krankenhäuser bis zu 90 %. Diese Zahlen beziehen sich auf Fertigarzneimittel. Rezepturmäßig hergestellte Arzneimittel wurden wegen des hohen Aufwands für die systematische Erfassung in Untersuchungen zum off-label use nicht einbezogen, obwohl der Anteil an den Verordnungen im stationären Bereich noch immer hoch ist.
Rezepturarzneimittel sind ein wichtiger Indikator dafür, in welchem Alter, bei welchen Indikationen und Darreichungsformen die Versorgungslücke in der Therapie von Kindern und Jugendlichen besonders groß ist. Deshalb hat das Institut für Pharmazeutische Technologie und Biopharmazie mit Unterstützung der HEXAL-Initiative Kinderarzneimittel die weltweit erste systematische Studie zu Rezepturarzneimitteln in Kinderkliniken durchgeführt. Bundesweit nahmen 40 Krankenhäuser mit pädiatrischen Fachabteilungen teil. Die Verordnungen wurden über einen Zeitraum von sechs Monaten auf Sonderrezepten mit zusätzlichen Angaben zu Indikation und Dosierungsempfehlung ausgestellt. Insgesamt wurden 202 verschiedene Arzneistoffe verordnet. Hochgerechnet auf ein Jahr waren es 12.710 Rezepturarzneimittel mit etwa 300.000 Einzeldosen. Die meisten Rezepturarzneimittel erhielten Neugeborene (0. bis 28. Tag) und Säuglinge/Kleinkinder (29. Tag bis zum 23. Monat), die wenigsten Jugendliche (12 bis 18 Jahre).
Professor Dr. Jörg Breitkreutz aus Düsseldorf berichtete, dass für Kinder und Jugendliche Arzneistoffe verschrieben wurden, die zum Teil bei der Behandlung von Erwachsenen keine Rolle mehr spielen. Der am meisten verwendete ACE-Hemmer war Captopril, das wegen der ungünstigen Pharmakokinetik und geringen Stabilität in der "Erwachsenenmedizin" längst an Bedeutung verloren hat. Auch bei den Betablockern war mit Propranolol eine ältere Substanz mit einigen klinischen Nachteilen führend. Neue, seit kurzem eingeführte Arzneistoffe waren dagegen kaum zu finden.
Insgesamt führten hochwirksame Arzneistoffe, die im Krankenhaus gegen lebensbedrohliche Erkrankungen oder Situationen eingesetzt werden. Die verordneten Einzel- und Tagesdosen der Rezepturarzneimittel wichen teilweise erheblich von anerkannten Literaturempfehlungen ab. Dieser Befund wurde als Indiz für die mangelhaften Kenntnisse über die Wirksamkeit und Unbedenklichkeit von Rezepturarzneimitteln gewertet.
Die vorliegende Untersuchung ergibt erstmalig ein zusammenhängendes Bild von der Vielfalt der angewendeten Arzneistoffe und vom dringenden Bedarf an zugelassenen Arzneimitteln und geeigneten Darreichungsformen in der klinischen Praxis der deutschen Kinder- und Jugendheilkunde. Die Ergebnisse einer systematischen Aufbereitung der gewonnenen Daten können zur Entwicklung neuer kindgerechter Arzneimittel und zur besseren Planung klinischer Studien bei Kindern beitragen.
Über neue Entwicklungen in der EU berichtete Frau Professorin Dr. Stephanie Läer, Düsseldorf. Mit Inkrafttreten einer neuen EG-Verordnung über Kinderarzneimittel wird die pharmazeutische Industrie verpflichtet, mehr kindgerechte Arzneimittel zu entwickeln, damit Kinder an den Fortschritten in der Erwachsenentherapie teilhaben können. Da der Markt für seltenere Erkrankungen zu klein ist, um die Kosten für teure Studien zu rechtfertigen, will der Gesetzgeber dem pharmazeutischen Unternehmer finanzielle Anreize bieten. Bei noch patentgeschützten Arznei-Stoffen kann das Schutzzertifikat für das Arzneimittel um sechs Monate verlängert werden, wenn pädiatrische Studien durchgeführt werden. Vorteile werden auch für generische Arzneimittel gewährt. Ein zehnjähriger "Unterlagenschutz" verhindert, dass Mitbewerber Studienergebnisse für eine bezugnehmende Zulassung verwenden können.
Dieses Konzept ist in den USA bereits erfolgreich. Nach Verabschiedung des Gesetzes ist die Zahl der Studien erheblich angestiegen. Überraschenderweise führten die Studien in den USA in etwa 40 % der Fälle nicht zu einer Zulassung, da die Unterschiede der Arzneimittelwirkungen zwischen Kindern und Erwachsenen noch erheblich größer waren als erwartet.
Nach Einschätzung von Dr. Andreas Franken, Bonn kann ab Mitte 2008 mit den ersten Neuzulassungen nach diesem Konzept gerechnet werden.