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Immer mehr Ältere erleiden nach Stürzen ein Schädel-Hirn-Trauma

 

Bochum (6. Juli 2021) — Etwa 270.000 Menschen erleiden in Deutschland jedes Jahr ein Schädel-Hirn-Trauma. Zunehmend betroffen sind davon die über 65-Jährigen. Das hat eine Studie von Forschenden der BG Kliniken unter Leitung der Neurologischen Klinik der Ruhr-Universität Bochum (RUB) des BG Klinikums Bergmannsheil ergeben. Stürze sind häufig die Ursache. Die Forschenden raten zu mehr Prävention, etwa durch den Abbau von Stolperfallen in der Wohnung oder den geschulten Einsatz von Gehhilfen. Die Studie ist die erste zu Häufigkeiten und Ursachen von Schädel-Hirn-Traumata seit über 20 Jahren. Das Forschungsteam berichtet in der Fachzeitschrift BMJ Open vom 4. Juni 2021.

 

Sturz und Radfahren ohne Helm sind häufige Ursachen

Vom leichten Sturz mit dem Fahrrad bis hin zum schweren Verkehrsunfall: Die Ursachen für ein Schädel-Hirn-Trauma sind vielfältig. Etwa 90 Prozent der jährlich rund 270.000 Fälle werden als leicht, zehn Prozent als mittelschwer oder schwer klassifiziert. Vermehrt betroffen von einem Schädel-Hirn-Trauma ist nach aktuellen Erkenntnissen die Altersgruppe der über 65-Jährigen. Das Forschungsteam der BG Kliniken an den Standorten Bochum, Hamburg, Berlin, Halle, Frankfurt, Ludwigshafen und Murnau hat festgestellt, dass eine Verschiebung der am häufigsten betroffenen Altersgruppe stattgefunden hat und dass ein erkennbarer Zusammenhang zwischen der Schwere eines Schädel-Hirn-Traumas, dem Lebensalter und der Ursache besteht.

Die Studie zeigt, dass häufigste Auslöser eines Schädel-Hirn-Traumas Stürze sind und nicht mehr Verkehrsunfälle. Bei den Verkehrsunfällen hat sich auch eine Verschiebung ergeben: Hier stellen mittlerweile nicht mehr Pkw-Insassen, sondern Fahrradfahrende ohne Helm die größte Gruppe dar.

„Wir registrieren eine deutliche Verschiebung der mehrheitlich betroffenen Altersgruppe hin zu der älteren Generation. Ein Phänomen, das man in nahezu allen Industriestaaten beobachten kann“, erklärt Prof. Dr. Peter Schwenkreis, Oberarzt der Neurologischen Klinik im Bergmannsheil. Erkennbar ist demnach auch ein Zusammenhang mit dem Alter der Betroffenen. Gerade bei älteren Frauen und Männern sind Stürze die häufigste Ursache. „Ältere Menschen sind deutlich anfälliger für Stürze und erleiden so schneller ein Schädel-Hirn-Trauma als andere Altersgruppen. Zudem liegt der Schweregrad der Verletzung hier höher“, konkretisiert Schwenkreis. „Das erklärt auch, warum wir in dieser Altersgruppe einen Anstieg von Todesfällen verzeichnen, die durch eine derartige Verletzung verursacht wurden.“

 

Studie mit über 3.500 Teilnehmenden

Eine neurowissenschaftliche Forschungsgruppe der BG Kliniken hat für die Studie die Entstehung, Behandlung und die Folgen für Patientinnen und Patienten mit Schädel-Hirn-Trauma beobachtet und ausgewertet. In die Studie eingeschlossen wurden insgesamt 3.514 Patienten. Alle von ihnen wurden im Zeitraum zwischen dem 1. Oktober 2014 und dem 30. September 2015 in einer der beteiligten BG Kliniken versorgt. Voraussetzung war, dass die Versorgung innerhalb der ersten 24 Stunden nach dem Erleiden des Schädel-Hirn-Traumas stattgefunden hat.

Die Ergebnisse wurden mit zwei verschiedenen Verfahren erhoben: Zum einen durch die Auswertung der Dokumentationsbögen von der Erstversorgung bis zur Rehabilitation, zum anderen fanden standardisierte Telefoninterviews mit den Betroffenen statt, jeweils drei und zwölf Monate nach Erleiden des Traumas. Seit 2000/2001 wurde in Deutschland keine derart groß angelegte Studie zur Entstehung von Schädel-Hirn-Traumata mehr veröffentlicht.

 

Banale Maßnahmen können große Wirkung erzielen

Da mittelschwere bis schwere Schädel-Hirn-Traumata häufiger bei älteren Menschen auftreten, sieht die Forschungsgruppe hier einen gesonderten Bedarf für mehr Präventionsarbeit. „Vorstellbar sind Trainingsmaßnahmen zum sicheren Gehen, das geschulte Verwenden von Gehhilfsmitteln oder die Umgestaltung der Wohnung durch das Entfernen von Stolperfallen. So banal diese Maßnahmen klingen, sie können schwerwiegenden Verletzungen vorbeugen“, sagt Peter Schwenkreis. „Die Fortschritte beim Insassenschutz im Pkw haben eine deutlich nachweisbare Wirkung gezeigt“, erläutert er weiter. Nun komme es darauf an, den Schutz von Menschen, die auf dem Rad oder zu Fuß unterwegs sind, im Rahmen der sich anbahnenden Mobilitätswende umzusetzen.

 

Schädel-Hirn-Trauma

Als Schädel-Hirn-Trauma wird jede Verletzung des Schädels mit oder ohne Fraktur bezeichnet, die mit einer Schädigung des Gehirns einhergeht. Ebenso wie die Ursachen können auch die Symptome sehr vielfältig sein. Sie reichen von Kopfschmerzen, Schwindel und Benommenheitsgefühl bis hin zur Amnesie oder zu Bewusstseinsstörungen. Schon geringe Verletzungen des Schädels können jedoch Blutungen oder Schwellungen im Gehirn hervorrufen, weshalb ein Schädel-Hirn-Trauma nach einem Unfall unverzüglich untersucht werden sollte.

 

 

 

Über das Bergmannsheil

Das BG Universitätsklinikum Bergmannsheil zählt zu den größten Akutkliniken der Maximalversorgung im Ruhrgebiet. 1890 als erste Unfallklinik der Welt zur Versorgung verunglückter Bergleute begründet, vereint das Bergmannsheil heute 23 hochspezialisierte Kliniken und Fachabteilungen unter einem Dach. Rund 2.200 Mitarbeitende stellen die qualifizierte Versorgung von rund 84.000 Patientinnen und Patienten pro Jahr sicher.

Das BG Universitätsklinikum Bergmannsheil gehört zur Unternehmensgruppe der BG Kliniken. Die BG Kliniken sind spezialisiert auf die Akutversorgung und Rehabilitation schwerverletzter und berufserkrankter Menschen. In neun Akutkliniken, einer Klinik für Berufskrankheiten und zwei Ambulanzen versorgen über 14.000 Beschäftigte mehr als 560.000 Fälle pro Jahr. Träger der BG Kliniken sind die gewerblichen Berufsgenossenschaften und Unfallkassen.

 

 

 

Originalpublikation

  • Peter Schwenkreis, Andreas Gonschorek, Florian Berg et al.: Prospective observational cohort study on epidemiology, treatment and outcome of patients with traumatic brain injury (TBI) in German BG hospitals, in: BMJ Open, 2021, DOI: 10.1136/bmjopen-2020-045771, https://bmjopen.bmj.com/content/11/6/e045771

 

 


Quelle: Ruhr-Universität Bochum, 06.07.2021 (tB).

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