MEDIZIN

DOC-CHECK LOGIN

IQWiG

Balneofototherapie:
Studien zeigen höheren Nutzen jetzt auch bei Neurodermitis

  • Hautzustand bei Licht-Bade-Therapie besser als bei trockener UV-Therapie – nicht nur bei Schuppenflechte, sondern auch beim atopischen Ekzem

 

Köln (22. November 2018) – Das atopische Ekzem, auch Neurodermitis genannt, ist eine chronische, meist mit starkem Juckreiz verbundene Hauterkrankung, die die Lebensqualität erheblich beeinträchtigen kann. Das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) hatte bereits 2007 geprüft, ob eine kombinierte Licht-Bade-Therapie (Balneofototherapie) bessere Behandlungsergebnisse erzielt als eine alleinige UV-Bestrahlung. Überzeugende Ergebnisse lagen 2007 allerdings nur für eine andere Hauterkrankung vor, nämlich die Schuppenflechte (Psoriasis). Unter Einbezug neuerer Studiendaten sieht das IQWiG nun auch bei Neurodermitis einen Hinweis auf einen Vorteil der synchronen Balneofototherapie, bei der ein Bad mit Salz des Toten Meeres und die Bestrahlung zeitgleich stattfinden.

 

G-BA beauftragte erneute Bewertung

Nachdem die IQWiG-Bewertung von 2007 der Balneofototherapie bei Psoriasis einen höheren Nutzen bescheinigt hatte, beschloss der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) 2008, die Therapie in dieser Indikation durch die gesetzliche Krankenversicherung im ambulanten Sektor erstatten zu lassen. Bei der Neurodermitis war die Situation dagegen unsicherer, weshalb die Licht-Bade-Therapie hier von der Erstattung ausgenommen blieb.

Da inzwischen die Ergebnisse einer weiteren randomisierten klinischen Studie (RCT) vorlagen, die die synchrone Balneofototherapie mit der trockenen UV-Bestrahlung beim atopischem Ekzem verglich, beauftragte der G-BA das IQWiG erneut, Nutzen und Schaden zu bewerten.

 

Zwei Studien ausgewertet

Weil die erste Studie mit 180 Patientinnen und Patienten noch recht klein war, waren auf Basis ihrer Daten 2007 noch keine sicheren Aussagen möglich. In der Folgestudie wurden dagegen über 500 Betroffene behandelt, sodass die neueren Ergebnisse deutlich präziser sind.

Beide Studien wurden in Bayern durchgeführt. Um die zweite Studie zu ermöglichen, hatten mehrere Krankenkassen, die Kassenärztliche Vereinigung Bayerns, die Ludwig-Maximilians-Universität München und ein Industriepartner ein gemeinsames Modellvorhaben gestartet: Die Patientinnen und Patienten mit atopischem Ekzem wurden mindestens einen Monat lang behandelt, meist dermatologisch überwacht. In der Regel erfolgten zwischen 10 und 35 Behandlungen mit einer Dauer von jeweils etwa einer Viertelstunde.

 

Klinisch relevanter Unterschied bei Hautzustand

Bezieht man beide Studien in die Auswertung ein, fallen die Ergebnisse beim Endpunkt „Hautzustand“ zugunsten der synchronen Balneofototherapie aus. Dabei umfasst der Hautzustand auch die Symptome, etwa Juckreiz oder Schlaflosigkeit. Das Institut sieht hier einen Hinweis auf einen höheren Nutzen. Die höchste Kategorie, nämlich „Beleg“, wird allerdings auch mit den neuen Daten nicht erreicht: Denn die Ergebnisse könnten verzerrt sein, unter anderem weil viele Teilnehmerinnen und Teilnehmer die Studien aus unbekannten Gründen abbrachen und für eine erhebliche Zahl die Werte fehlten.

 

Keine Aussagen zu Lebensqualität und Nebenwirkungen möglich

Bedauerlicherweise sind Aussagen zu anderen für Patientinnen und Patienten wichtigen Zielkriterien nach wie vor nicht möglich. Bei der Lebensqualität hatten sich bei der ersten Studie 2006 keine Unterschiede zwischen den Behandlungsgruppen gezeigt. Bei der Folgestudie wurde sie überhaupt nicht erhoben. Fehlanzeige auch bei Nebenwirkungen, die etwa in Form von sonnenbrandartigen Hautreizungen auftreten können: Weil unklar ist, ob solche sogenannten unerwünschten Ereignisse bei der zweiten Studie vollständig erhoben und berichtet wurden, sind die Daten letztlich nicht verwertbar.

In der Gesamtschau sieht das IQWiG einen Hinweis auf einen höheren Nutzen, der sich allerdings allein auf die Ergebnisse beim Hautzustand stützt. Auch lassen die Studien offen, wie nachhaltig die Therapieeffekte sind. Bei der zweiten Studie hatte man von vornherein auf Nachbeobachtungen verzichtet.

 

Mehr Forschung im Kur- und Badewesen notwendig

Das medizinische Badewesen hat in Deutschland eine lange Tradition, zu der vor über 100 Jahren auch Sebastian Kneipp mit seinen „Wasserkuren“ beitrug. Bei vielen Behandlungsverfahren ist jedoch bis heute unklar, ob sie tatsächlich nutzen oder eher einem Wohlgefühl, also Wellness dienen. Tradition, fehlendes Wissen und fehlende Finanzierung erschweren die klinische Forschung in diesem Feld. „Es ist schade, dass zur Kombination aus Salzbad und UV-Licht nur zwei Studien zum atopischen Ekzem vorliegen, obwohl diese Behandlung schon so lange bekannt ist und vielfach angewendet wird“, meint Stefan Sauerland, Leiter des Ressorts Nichtmedikamentöse Verfahren im IQWiG – und ergänzt: „Hochwertige Studien zu Fragen des medizinischen Kur- und Badewesens wären wichtig, damit man auch hier Nützliches von Unnützem trennen kann.“

 

 

Weitere Informationen

 


Quelle: Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG), 22.11.2018 (tB).

Schlagwörter: , , ,

MEDICAL NEWS

IU School of Medicine researchers develop blood test for anxiety
COVID-19 pandemic increased rates and severity of depression, whether people…
COVID-19: Bacterial co-infection is a major risk factor for death,…
Regenstrief-led study shows enhanced spiritual care improves well-being of ICU…
Hidden bacteria presents a substantial risk of antimicrobial resistance in…

SCHMERZ PAINCARE

Hydromorphon Aristo® long ist das führende Präferenzpräparat bei Tumorschmerz
Sorgen und Versorgen – Schmerzmedizin konkret: „Sorge als identitätsstiftendes Element…
Problem Schmerzmittelkonsum
Post-Covid und Muskelschmerz
Kopfschmerz bei Übergebrauch von Schmerz- oder Migränemitteln

DIABETES

Wie das Dexom G7 abstrakte Zahlen mit Farben greifbar macht…
Diabetes mellitus: eine der großen Volkskrankheiten im Blickpunkt der Schmerzmedizin
Suliqua®: Einfacher hin zu einer guten glykämischen Kontrolle
Menschen mit Diabetes während der Corona-Pandemie unterversorgt? Studie zeigt auffällige…
Suliqua® zur Therapieoptimierung bei unzureichender BOT

ERNÄHRUNG

Positiver Effekt der grünen Mittelmeerdiät auf die Aorta
Natriumaufnahme und Herz-Kreislaufrisiko
Tierwohl-Fleisch aus Deutschland nur mäßig attraktiv in anderen Ländern
Diät: Gehirn verstärkt Signal an Hungersynapsen
Süßigkeiten verändern unser Gehirn

ONKOLOGIE

Strahlentherapie ist oft ebenso effizient wie die OP: Neues vom…
Zanubrutinib bei chronischer lymphatischer Leukämie: Zusatznutzen für bestimmte Betroffene
Eileiter-Entfernung als Vorbeugung gegen Eierstockkrebs akzeptiert
Antibiotika als Störfaktor bei CAR-T-Zell-Therapie
Bauchspeicheldrüsenkrebs: Spezielle Diät kann Erfolg der Chemotherapie beeinflussen

MULTIPLE SKLEROSE

Multiple Sklerose: Aktuelle Immunmodulatoren im Vergleich
Neuer Biomarker für Verlauf von Multipler Sklerose
Multiple Sklerose: Analysen aus Münster erhärten Verdacht gegen das Epstein-Barr-Virus
Aktuelle Daten zu Novartis Ofatumumab und Siponimod bestätigen Vorteil des…
Multiple Sklerose durch das Epstein-Barr-Virus – kommt die MS-Impfung?

PARKINSON

Meilenstein in der Parkinson-Forschung: Neuer Alpha-Synuclein-Test entdeckt die Nervenerkrankung vor…
Neue Erkenntnisse für die Parkinson-Therapie
Cochrane Review: Bewegung hilft, die Schwere von Bewegungssymptomen bei Parkinson…
Technische Innovationen für eine maßgeschneiderte Parkinson-Diagnostik und Therapie
Biomarker und Gene: neue Chancen und Herausforderungen für die Parkinson-Diagnose…