IQWiG: Blutdrucksenker im Vergleich: Vorläufige Ergebnisse liegen vor

Bewährte Diuretika sind die Wirkstoffe mit dem am besten belegten Nutzen

 

Berlin (18. September 2008) – Eine Senkung von erhöhtem Blutdruck kann Komplikationen wie Schlaganfällen, Nieren- oder Herzschäden vorbeugen und das Leben verlängern. Wie Studien zeigen, ist dies vor allem mit Hilfe von Medikamenten möglich. Ungeklärt ist aber die Frage, ob es dabei Unterschiede zwischen den blutdrucksenkenden Wirkstoffen gibt. Das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) hat deshalb vergleichend untersucht, welche Vor- und Nachteile die bisher zur Blutdrucksenkung eingesetzten Medikamente, sogenannte Antihypertensiva, haben können. Die Nutzenbewertung des IQWiG soll die Frage beantworten, mit welchem Blutdrucksenker die Therapie begonnen werden sollte. Ob dabei zunächst nur ein Wirkstoff oder gleich mehrere eingesetzt werden sollten, ist indes nicht Gegenstand dieses Berichts.

 

Am 18. September 2008 haben die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler nach einer ersten Anhörung zu Berichtsplan und Vorbericht die vorläufigen Ergebnisse ihrer Nutzenbewertung in einer zweiten Version publiziert und zur Diskussion gestellt. Damit beginnt eine Frist von 4 Wochen (17. Oktober 2008), in der interessierte Personen und Institutionen erneut schriftliche Stellungnahmen zum Vorbericht "Vergleichende Nutzenbewertung antihypertensiver Wirkstoffgruppen als Therapie der ersten Wahl bei Patienten mit essentieller Hypertonie" abgeben können.

 

Folgekomplikationen im Fokus

Der vorliegende Bericht vergleicht den Nutzen von 5 in Deutschland zur Behandlung des Bluthochdrucks zugelassenen Wirkstoffgruppen: Diuretika, Beta-Blocker, ACE-Hemmer, Kalziumantagonisten und Angiotensin-II-Antagonisten. Maßstab für den Nutzen war dabei nicht die Senkung des Blutdrucks, sondern die Folgekomplikationen, die Bluthochdruck verursacht. Aus Sicht von Patientinnen und Patienten sind dabei besonders die Auswirkungen auf folgende Therapieziele bedeutsam: Neben der Lebensverlängerung ist es vor allem die Vorbeugung von Herzerkrankungen, Schlaganfällen, anderen Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Nierenschäden. Hinzu kommen Aspekte wie gesundheitsbezogene Lebensqualität, Therapiezufriedenheit oder die Häufigkeit von Krankenhausaufenthalten. Auch unerwünschte Arzneimittelwirkungen wurden untersucht.

 

Nur Studien mit vergleichbarem Therapieschema einbezogen

Von einer essentiellen Hypertonie spricht man dann, wenn keine organische Ursache für die Blutdrucksteigerung erkennbar ist. Bei etwa der Hälfte dieser Patienten reicht eine Therapie mit nur einem Wirkstoff (Monotherapie) aus, um den Blutdruck zu kontrollieren. Bei den übrigen muss ein zweites oder gar ein drittes Medikament kombiniert werden. Es erscheint deshalb sinnvoll, mit einem einzelnen Wirkstoff zu beginnen (Therapie der ersten Wahl) und erst nachfolgend bei Bedarf eine Kombinationstherapie einzuleiten.

 

Um einen fairen Vergleich zu ermöglichen, bezieht der Bericht nur solche randomisierte kontrollierte Studien ein, in denen die Patientengruppen zu Beginn mit nur einem der 5 Wirkstoffe behandelt wurden und die später zusätzlich eingesetzten Medikamente vergleichbar waren.

 

8 der insgesamt 10 möglichen Vergleiche sind durch Studien abgedeckt

Insgesamt konnten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler 16 Studien in die Bewertung einbeziehen, die eine oder mehrere Wirkstoffgruppen beziehungsweise einzelne Substanzen aus diesen Gruppen direkt miteinander verglichen. Auf Basis dieser 16 Studien konnten von den insgesamt 10 Vergleichen, die zwischen den untersuchten 5 Gruppen theoretisch möglich sind, lediglich 8 durchgeführt werden. Es gab auch nicht für jede Wirkstoffgruppe und zu allen Fragestellungen direkte Vergleichstudien mit allen 4 übrigen. Als am besten untersucht können die Diuretika und die Kalziumantagonisten gelten. Die wenigsten Daten liegen für die Angiotensin-II-Antagonisten vor.

 

Folgekomplikationen: Diuretika sind in einigen Aspekten besser und in keinem schlechter

Diuretika können als "Therapie der ersten Wahl" angesehen werden. In der Gesamtschau geben die Studienergebnisse jedenfalls keinen Anlass, andere Wirkstoffe den Diuretika als Anfangstherapie vorzuziehen. Denn Diuretika sind in Hinblick auf die Vermeidung von Folgekomplikationen keiner anderen Wirkstoffgruppe unterlegen und weisen in einzelnen Aspekten Vorteile gegenüber ACE-Hemmern und Kalziumantagonisten auf. So fanden die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler Belege, dass Diuretika das Risiko einer Herzschwäche (Herzinsuffizienz) stärker mindern als Kalziumantagonisten. Auch im Vergleich mit ACE-Hemmern scheinen die Diuretika hier überlegen zu sein, allerdings gibt es nur Hinweise und keine Belege. Zudem gibt es Hinweise, dass Diuretika gegenüber ACE-Hemmern bei der Ethnie der Schwarzen ("Blacks") auch in Hinblick auf die Schlaganfall-Prävention bessere Ergebnisse erzielen.

Kein klarer Vorteil bei unerwünschten Nebenwirkungen

Was die unerwünschten Wirkungen betrifft, bietet keine der fünf Wirkstoffgruppen einen klaren Vorteil. In ihrer vorläufigen Schlussfolgerung bestätigen die Wissenschaftler das bereits bekannte Nebenwirkungsprofil der einzelnen Antihypertensiva. Das gilt auch für die sogenannte diabetogene Wirkung: Während der Einnahme, kann es zu leichten Erhöhungen der Blutzuckerwerte kommen, was gelegentlich die Diagnose einer Zuckerkrankheit zur Folge haben kann. Kalziumantagonisten scheinen hier gegenüber Diuretika im Vorteil zu sein, ebenso Angiotensin-II-Antagonisten gegenüber den Beta-Blockern und den Kalziumantagonisten.

 

Allerdings ist unklar, welche gesundheitliche Bedeutung der unter Diuretika erhöhte Blutzucker hat. Ein patientenrelevanter Schaden kann nach Auffassung des IQWiG aus den verfügbaren Daten jedenfalls nicht abgeleitet werden. So stieg zum Beispiel bei Patienten, die bei Einnahme von Diuretika einen Diabetes mellitus entwickelten, das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen nicht an.

 

Zum Ablauf der Berichtserstellung

Die erste Version des Berichtsplans war bereits Anfang September 2005 publiziert und um zwei Amendments ergänzt worden. Mitte Februar 2007 folgte der Vorbericht 1.0. Inzwischen, im Dezember 2006, änderte das Institut seine Abläufe dahingehend, dass Stellungnahmen zur berichtsspezifischen Methodik (Berichtsplan) und zu den vorläufigen Ergebnissen (Vorbericht) nicht gemeinsam, nach Publikation des Vorberichts, sondern jeweils getrennt eingeholt werden. So sieht es auch das zum 1. April 2007 in Kraft getretene GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz vor.

 

Um diesen veränderten Anforderungen gerecht zu werden, wurden in der mündlichen Erörterung Anfang Juni 2007 unklare Aspekte zur berichtspezifischen Methodik aus den Stellungnahmen zum Vorbericht 1.0 besprochen. Im Stellungnahmeverfahren zum Vorbericht 1.0 war explizit zur Stellungnahme zur berichtspezifischen Methodik aufgerufen und diese Möglichkeit auch wahrgenommen worden. Die Ergebnisse der Anhörung mündeten in den Berichtsplan 2.0, der Anfang Dezember 2007 publiziert wurde, sowie in den Vorbericht 2.0, für dessen Ergebnisse nun ein von der Methodik getrenntes Stellungnahmeverfahren erfolgt.

 

Kommentare zu den im Vorbericht 2.0 aufgeführten Ergebnissen der Nutzenbewertung, die bis zum 17. Oktober 2008 beim IQWiG eingehen, werden gesichtet und ausgewertet. Bleiben Fragen offen, können die Autoren zu einer mündlichen Erörterung eingeladen werden. Danach wird der Vorbericht überarbeitet und als Abschlussbericht an den Auftraggeber, den Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA), weitergeleitet.

 


 

Quelle: Pressemitteilung des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) vom 18.09.2008.

 

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